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Plutarchi Chaeronei, gravissimi et philosophi et historici, Vitae comparatae illustrium Virorum, Graecorum & Romanorum, ita digestae ut temporum ordo seriesque constet, Hermanno Cruserio I. C. atque illustriss. Ducis Clivensis & Iuliacensis consiliario, Interprete elegantiss. ac fidelissimo. Et ne quid ad perfectam antiquitatis in hoc genere cognitionem deesset, librum Aemylii Probi de Vita excellentium Imperatorum adiunximus... aspersa esse in toto hoc per margines opere scholia, quibus magnam lucem innumeris locis allatum esse... Basel: Thomas Guarin August 1564. Fol.
1564 erscheint bei Thomas Guarin, dem Schwiegersohn und Nachfolger Michael Isingins eine neue Übersetzung der Viten Plutarchs, aus der Feder des niederländischen Arztes, Juristen und Staatsmanns Hermann Croeser (Kampen 1510-1573; es sind auch Galenübersetzungen und Hippokrateskommentare von ihm erschienen). Das ist insofern erstaunlich, als erst 1561 als Gemeinschaftsdruck des Lucius in Heidelberg und Oporins in Basel eine neue Übersetzung dieser Sammlung durch Wilhelm Xylander erschienen war und Christoph Plantin, der den Druck Croesers zuerst geplant zu haben scheint, sich offenbar dadurch davon hat abhalten lassen. Gewidmet hat Croeser seine Übersetzung, deren Vollendung sich durch seine Tätigkeit als Rat und Gesandter des Herzogs Wilhelm V. von Kleve und Jülich sowie durch Krankheit bis nach dem Erscheinen einer andern Übersetzung ebenfalls in Basel hinausgezögert hat, König Philipp II. von Spanien, Sizilien und Neapel am 1. September 1564.
Es habe bis jetzt gegeben und gebe auch jetzt drei Regierungsformen, beginnt er seine Widmung an den ihm persönlich bekannten König: durch Fürsten, durch die Völker, durch einzelne, d.h. Monarchien. Wie schon Darius erkannt habe, sei diese die einzige, die Frieden gewährleiste, wie beim einen Gott der Welt. Dieser eine müsse vorbereitet sein, tugendhaft und klug. So seien gute Herrscher kleinerer Völker oft berühmter als mächtigere, wofür Cruserius Beispiele von Hiero von Syrakus bis Alfonso von Neapel anführt. Zur Regierung brauche es Bildung, damit ein Herrscher nicht körperlich ausgebildet, doch sittlich und sprachlich einem Plebeier gleich sei. Diese erwerbe man durch Lehre und Übung. Und hier sei vor allen andern historischen und philosophischen Büchern Plutarch zu wählen: er stelle die Könige und Fürsten aller Reiche mit ihren Tugenden und Lastern dar. Er erinnere sich an einen Fürsten, der sich nur einheimische Märchen habe vorlesen lassen; denen habe er nur Frivolitäten, Altweibergeschichten zu entnehmen vermocht. Wie anders sein Vater Karl, der sich auf Reisen in Frankreich aus Philippe de Comines habe vorlesen lassen (d.h. aus einer seiner Königschroniken), einem Historiker und Philosophen wie Plutarch. Dessen Werk habe er in riesiger Arbeit übersetzt. Widmen könne er es nur untertänigst seiner Majestät für seine Taten im Kriege und im Frieden. Zweimal habe er ihn selber als Gesandter persönlich kennenlernen dürfen.
Dieser Widmung folgt eine längere Vorrede an den Leser, die schon von Campen 1561 datiert. Vor fünf Jahren (d.h. also 1556) habe er seine Tochter verloren; da habe er sich der Philosophie zugewandt. Und um seinen Schmerz zu lindern, habe er begonnen, die Lebensbeschreibungen Plutarchs zu übersetzen, nachdem er früher schon einige davon übersetzt gehabt habe. Dann habe ihn seine Krankheit abgehalten, so dass sie nun zwei Jahre verspätet erschienen (d.h. nach 1561 nochmals um drei weitere Jahre verspätet, nach der Übersetzung Xylanders von 1561). Als er als Gesandter seines Fürsten in Brüssel geweilt habe, habe ihm der Sekretär des Kaisers die feine Ausgabe der französischen Übersetzung der Viten durch Amyot gezeigt (die Übersetzung von Jacques Amyot war 1559 in Paris erschienen). So elegant wie dieser in seiner Muttersprache könne Plutarch heute keiner in das mühsam gelernte fremde Latein übersetzen. Schliesslich habe er um Pfingsten dieses Jahres 1561, als er auf Bitten des Druckers schon einen Teil an Christoph Plantin geschickt gehabt habe, die Übersetzung des gelehrten Wilhelm Xylander erhalten (sie war im März 1561 beim aus Basel nach Heidelberg übergesiedelten dortigen Academiae typographus Ludwig Lucius und gemeinsam bei Johannes Oporin in Basel erschienen). Wenn diese drei Jahre zuvor, vor seinem Abschluss erschienen wäre, hätte er seine Arbeit beiseite gelegt. Jetzt wolle er aber die Arbeit nicht umsonst geleistet haben und sie den studiosi nicht vorenthalten. Auch Dioskurides hätten drei Männer übersetzt: Hermolaus Barbarus, Ruellius und Marcellus Vergilius, und jeder habe seinen eigenen Geschmack gehabt, zum Vorteil der studiosi; einer ergänze den andern im Verständnis. Ihn habe immer wieder die Trauer um seine Tochter an der Arbeit gehindert, Zwistigkeiten mit seinen Nachbarn wegen ihres Viehs, auswärtige Verpflichtungen, der Mangel an Büchern und an der Möglichkeit zu gebildeten Gesprächen an seinem Wohnsitz. Schliesslich habe er das Werk vollendet. Er habe sich, soweit es das Latein erlaubt habe, an den Wortlaut Plutarchs gehalten. Die Reihenfolge der Viten habe er bewusst geändert, um sie chronologisch aufzureihen (worauf auch im Titel hingewiesen wird), weiter habe er Vorreden umgestellt, Einleitungen beigegeben. Wenn sein Volk seine keinem andern nachstehenden Eigenschaften durch griechische und römische Kultur zu bilden begönne, was gäbe es dann Feineres, Glücklicheres als Deutschland? Dies sei sein Ziel gewesen. Gunst und Geschenke verlange er von denen, denen er die Arbeit widme, nicht. Er brauche nicht zu betteln, und wenn er Geld bräuchte, könne er mit Rechtsgutachten, die er oft gratis gebe, viel verdienen. Auch eine hohe und einträgliche Stelle habe er vor einem Jahr ausgeschlagen. In der Folge weist Croeser noch auf die Bedeutung der Philosophie für das Leben hin, die Geschichtsschreibung, und führt die Besonderheit der einzelnen Viten auf. Diese Beispiele habe er greifbar machen wollen. Zuletzt kommt er noch auf die Unterschiede in der Monatsbezeichnung bei Theodorus Gaza und Plutarch zu sprechen und die Münzennamen.
Plantin war nach dem Erscheinen der Übersetzung Xylanders offenbar nicht mehr an einem Druck interessiert; in den Niederlanden erschien die Übersetzung Croesers erst 1566 in Leiden. Die damals noch Aemilius Probus zugeschriebenen Biographien des Cornelius Nepos dürfte erst der Drucker zur Ergänzung beigegeben haben, mit eigenem Index. B c I 86
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Signatur: Bc I 86