GG 292
Descriptio nova totius Graeciae per Nicolaum Sophianum . Basel: Johannes Schröter 1. Januar 1601. Faltblatt 77 : 111 cm (exkl. Rand) und Beiblatt 28,5 : 40 cm.
1544 und 1545 ist in Basel bei Johannes Oporin eine neue grosse Griechenlandkarte - in neuer Zeichnung - nachgedruckt worden, die zuvor um 1542 in Rom erschienen war. Sie ist von acht Stöcken auf acht dann zusammengefügte Blätter gedruckt. Bis vor wenigen Jahren war nur deren Nachdruck bekannt, den der Basler Handelsmann, Staatsmann, Chronist, Antiquitätensammler und Mäzen (u.a. der Ausgrabungen in Augst 1582ff. zusammen mit Basilius Amerbach und Hans Bock) Andreas Ryff (1550-1603) durch den Archäologen, Professor in Nîmes, und späteren Basler Pfarrer Johann Jacob Grasser auf den Jahrhundertwechsel am 1. Januar 1601 beim Basler Drucker Johannes Schröter mit zusätzlichen Koordinaten hat herausgeben lassen. 1975 hat der Zürcher Professor Ernst Meyer ein Exemplar der zweiten Auflage Oporins vom 31. August 1545 in der Athener Nationalbibliothek entdeckt. Den Autor der Karte, den Griechen Nikolaos Sophianos, Autor u.a. einer griechischen Grammatik, Kopist, Handschriftenvermittler und Buchdrucker, finden wir von 1533 an, nach Studien am Gymnasium Mediceum in Rom, wo er auch zusammen mit seinem Landsmann Matthaeus Devaris den Katalog der Bibliothek des Kardinals Ridolfi erstellt hatte, in Venedig, wo er für verschiedene hohe Auftraggeber griechische Handschriften abschreibt und auf Reisen in griechischen Klöstern sammelt. Im Jahre 1539 sendet Ridolfis Kollege Kardinal Marcello Cervini, später Vorsteher der alten Vatikanischen Bibliothek, der spätere Papst Marcellus II., den Römer Drucker Antonio Blado nach Venedig zu Paulus Manutius, dem erfahrensten Drucker griechischer Texte, zur Vorbereitung einer päpstlichen Druckerei christlicher griechischer Texte nach vatikanischen Handschriften und Beschaffung der Typen. 1542 erscheint in Rom der erste Band des Homerkommentars des Eustathius von Thessalonike. Gleichzeitig erfahren wir hier, dass 1551 noch 771 der 1275 Exemplare dieses luxuriös gedruckten ersten Bandes unverkauft waren. Anderseits erfahren wir von Conrad Gesner aus seiner Bibliotheca Universalis, die im September 1545 bei Froschauer in Zürich erschien, aber schon "in seinem 28. Jahr des Heils 1544" verfasst ist, dass er einen Sophianus "vor anderthalb Jahren" in Venedig getroffen habe, der eine Karte von Griechenland hergestellt habe, die zuerst in Rom, dann im vergangenen Jahr bei Oporin gedruckt worden sei: Nicolaus Sophianus Cercyraeus, quem ante sesquiannum Venetijs conveni, scripsit de astrolabio libellum Graecum. Aedidit etiam tabulas Graeciae elegantissime depictas cum nominibus locorum antiquis & recentioribus quae primum Romae, & anno superiore Basileae apud Io. Oporinum excusae sunt, qui nuper etiam Nicolai Gerbelij doctissimam Isagogen in easdem impressit. Hier haben wir zwar in der Notiz zum Basler Kartendruck und Kommentar Gerbels eindeutig eine Ergänzung von 1545 vor uns, doch der erste Abschnitt kann kaum aus diesem Jahre stammen. Bei seinem Besuch der Frankfurter Messe mit Froschauer hat Gesner im Frühjahr 1543 den Bibliothekar des kaiserlichen Gesandten und Sammlers griechischer Handschriften Diego Hurtago de Mendoza (für den Sophianus im Frühjahr wohl 1543 nach Griechenland gereist ist), Arnoldus Peraxylus Arlenius kennengelernt, bei dessen Herrn er dann im Sommer 1543 in Venedig wohnt. Anfangs der 1540er Jahre, durch Gesners oben zitierte Notiz als Vorbild des Basler Drucks von 1544 gesichert, spätestens Ende 1542, da in einem Brief des Jean Metellus vom 6. Februar 1543 aus Venedig schon erwähnt, muss der erste Druck der Karte des Sophianus erschienen sein. Der Erstdruck der Karte wird bisher zusammen mit einer zweiten und dritten Ausgabe von 1543 bzw. 1552 in Venedig lokalisiert, wo Sophianus schon 1539 seine zusammen mit dem Handelsmann Markos Samariaros und dem Arzt Nikolaus Eparchos geführte Druckerei gegründet und seine griechische Schrift über das Astrolabion gedruckt habe. Wir haben Gründe anzunehmen, dass der Kopist und Handschriftenkäufer Sophianos erst durch seine Mitwirkung beim Römer Eustathius-Druck zum eigenen Drucken angeregt worden ist, dass er seine Druckerei in Venedig erst nach seinem bis 1965 noch unbekannten kurzen zweiten Römer Aufenthalt mit von dort nach dem von ihm ja auch 1543 noch für endgültig gehaltenen Abbruch der Eustathius-Ausgabe mitgeführten Typen eröffnet hat, wozu auch die Widmung seines Astrolabions an Paul III. mit Hinweis auf neue Typen gut passt, und müssen dann daraus schliessen, dass wie die Karte von 1552, auch schon deren Erstausgabe von vor Anfang Februar 1543, da sie damals dann noch nicht in seiner Venezianer Druckerei gedruckt sein kann, in Rom in der von Kardinal Cervini gegründeten Druckerei 1542 gedruckt worden sein dürfte. Und diese Annahme wird durch den Fund eines Exemplars des ersten Nachdrucks des Basler Drucks der Karte durch den Zürcher Ernst Meyer im Jahre 1975 bzw. durch das in diesem noch überlieferte originale Datum des Geleitworts des Sophianus "Romae, in templo Boni eventus. 1540. Mense Maio" bestätigt: 1540 war die Karte vollendet, da Sophianos in Rom wirkte, und schon 1540/41 wird sie auch in Rom geschnitten und spätestens 1542 mit der schon von Gesner erwähnten Ortsliste gedruckt worden sein. Diesen Druck des Sophianos hat dann Arlenius Oporin nach Basel mitgebracht (den ersten sicher nachweisbaren Geschäftsbesuch des Arlenius in Basel - bei Oporin vor allem - hat Beat Rudolf Jenny auf Ende August 1539 datieren können).
In der Beurteilung des Zeichenstils unserer Basler Karte ist zu unterscheiden zwischen den mehr oder weniger zeichenhaften kleinen Darstellungen der Städte, Tempel und Gebirge, bei denen weder Raum zu realistischer Wiedergabe noch zu freier Entfaltung der Phantasie bestand, und der räumlich freieren Bevölkerung der Meeresflächen sowie der Ornamentik allfälliger Schrifttafeln, wie sie Karten einbeschlossen. So sind die Gebirge nur geringfügig denen der Karte des Basler Ptolemaeus ähnlicher geworden, die im Original meist nur durch einen - byzantinischen - Mauerring bezeichneten kleineren Städte sind hingegen mit Türmen, Kirchen und Häusern mehr oder weniger im Zeitstil westeuropäisiert, während die Einzeltempel (z. B. in Attika Diane sac. oder Delphi) recht getreu wiedergegeben sind. Das Meer hingegen, das im Original recht schlicht dargestellte griechisch-italienische Schiffe der Zeit, ohne anekdotische Besatzung, befahren, wird reich von bemannten Schiffen (die grössten denen des Basler Ptolemaeus näher), einem Seekampf links oben und einem Schiffbruch rechts unten, Delphinen, Meeresgöttern und anderen Seewesen bevölkert, die lichte Strichelung durch holzmaserartige bewegte Wellen ersetzt, wozu noch die Septentrio-, Meridies- und Massstab-Tafel mit reich verzierten Rahmen kommen, sowie die überreiche Einfassung der Doppeltafel mit Geleitwort des Sophianos und neu Widmung Oporins, die anstelle des schlichten an beiden Enden ornamental leicht eingerollten Doppelblatts mit dem Geleitwort und vier Epigrammen getreten ist. Diese Basler Karte, 1601 von den Stöcken von 1544 gedruckt, enthält vier Signaturen: zwei Monogramme C Vive ut post vivas H in den Ornamenten der Massstäbe rechts unten und CHS mit Jahr 1544 auf dem Segel des Schiffes nördlich von Rhithymna auf Kreta, sowie zwei bildliche: den Helmziermann auf dem Süd-Schild Meridies unten Mitte und den Arion auf dem Delphin westlich von Kerkyra über den 1601 mit neuem Text gefüllten Schrifttafeln links. Eine zweite Jahresangabe 1544 findet sich über der Früchteschale der Massstabangaben. Die Signatur CH ist von Hans Koegler schon 1919 als die des Strassburger Mathematikers Christmann Herlin bestimmt worden, der diese Massstäbe beigesteuert habe (im Original des Sophianos keine solchen vorhanden), die Signatur CHS ist auf den Strassburger Formschneider Christoph Schweicker zu deuten, der auch die Illustrationen zu Oporins Nachdruck der Urbis Romae Topographia des Bartholomaeus Marlianus von 1550 (mit u.a. Abbildungen berühmter Statuen wie der römischen Wölfin, der Laokoongruppe, des Hercules) (GG 294) und die Städtebilder zu Gerbels Descriptio Graeciae (GG 293) geschnitten hat. Der Helmziermann ist von Koegler als die Signatur eines der besten damaligen Buchillustratoren, des Strassburgers Heinrich Vogtherr d. Ä. (Satrapitanus), der u.a. auch den Hygin des aus Strassburg stammenden Johannes Herwagen von 1535 illustriert hatte, erkannt worden, und der Arion schliesslich ist eine künstlerisch freie Formulierung des Druckersignets Oporins, dessen schönste Gestaltung wohl gleichzeitig mit dieser Karte ebenfalls von Vogtherr geschaffen worden ist. In der zweiten, sehr viel ausführlicheren und seriöseren (auch nicht mehr mit den Phantasiebildern illustrierten) Fassung der Beschreibung Griechenlands, in seinen Pro declaratione picturae sive descriptionis Graeciae Sophiani Libri septem schliesst denn auch Gerbel eine Betrachtung über Arion zu Taenaron auf S. 255 mit einem Lob des befreundeten Druckers, den man an seinem Signet erkenne, das dem Leser (und Käufer) die Qualität des betreffenden Druckes garantiere: Haec paulo copiosus de Arione recensui, in gratiam optimi atque humanissimi viri deque literis nostris optime meriti, IOANNIS OPORINI, cuius hoc foelix, atque admirationis plenum insigne est, librorum ab eo excusorum. Quoties enim Arionem hunc delphino sive insidentem, sive insistentem studiosi viderint, vere sibi persuadeant, nihil hunc advehere aliud, quam delicias, quam studiorum singularia quaedam & adiumenta & ornamenta.
Das Basler Exemplar der Sophianus-Karte von 1601 ist in einem Karteninkunabelband enthalten, der nach C. Chr. Bernoulli 82 Nummern - 125 Blätter - umfasst und den Rückentitel Mappae geographicae vetustae trägt. Die Mehrzahl der datierten Karten ist zwischen 1560 und 1570 erschienen, einzelne bis 1578, eine 1586, danach nur noch die unsere von 1601 und eine aus Amsterdam von 1607. Bernoulli vermutet, nach einer Notiz unter einem handschriftlich vermerkten Titel "p(ersolvit) D. Amerbachius 2", dass Basilius Amerbach (1533-1591) diese Karte Frankens von 1576 für zwei Schillinge gekauft hat und dass der Atlas aus dem Amerbachschen Kabinett stammt. Die beiden Karten von 1601 und 1607 wären dann wohl von dessen Erben, dem Professor der Rechte Ludwig Iselin (1559-1612) hinzugekauft worden:
AA (Karteninc.) Bl 89 ab.
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Kartenslg AA 89a-b
Illustrationen
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