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Lexicon Graecolatinum novum in quo ex Primitivorum & Simplicium fontibus Derivata atque Composita Ordine non minus Naturali, quam Alphabetico, breviter & dilucide deducuntur. Ioannis Scapulae opera & studio. Basel: Eusebius Episcopius in der Officina Hervagiana 1580. Fol.
1580 ist in Basel zum erstenmal des Johannes Scapula nach "Primitiva & Simplicia", d.h. nach Wurzeln oder Wortfamilien geordnetes griechisch-lateinisches Lexikon erschienen, mit Widmung des Verfassers aus Basel vom 24. November 1579. Es lohnt sich, zwei verbreitete Auskünfte über den Verfasser nebeneinanderzustellen. Das kürzlich erschienene 'Deutsche Biographische Archiv' führt - wie auch M. E. Cosenza Scapula durch den Vornamen "Johann" als Deutschen ausweist - drei biographische Nachschlagewerke an: Massgebend für das 'Archiv' ist Chr. G. Jöchers 'Allgemeines Gelehrtenlexicon' von 1751; da lesen wir: "Scapula (Joh.), ein Deutscher, lebte in dem 16 Seculo, war Henr. Stephani Famulus, und verfertigte 1579, ohne seines Herrn Wissen, aus dessen Thesauro linguae graecae ein Lexikon, durch welchen kurzen Begriff jenes liegen blieb, und Stephanus arm wurde." Nun, des Stephanus vierbändiger 'Thesaurus Graecae linguae' war 1572 in Paris erschienen - nicht liegengeblieben somit. Und im Historisch-Biographischen Lexikon der Schweiz von 1931 erfahren wir denn auch biographische Tatsachen, die der Widmung des Scapula näher kommen: "Scapula, Jean (franz. Espaulaz), Gymnasiarch am Collège Lausanne 1568 ("principal de nostre college dudit Lausanne et maistre de la premiere classe"), Professor des Griechischen und der Moral an der Akademie 1580, Verfasser eines Lexicon graeco-latinum." Von 1568 bis 1580 wirkte Scapula als Prediger ("ministre") und Lehrer in Yverdon. Er hat seine Widmung, die seinen hohen Herren in Bern gilt, "Amplissimis ac Magnificis Viris Consulibus et Senatoribus inclytae Bernatum reipublicae, dominis suis plurimum observandis", im November 1579 in Basel verfasst. Danach können wir auch einen Zweifel H. G. Wackernagels im 2. Band seiner 'Matrikel der Universität Basel' ausräumen, wo wir zu den Immatrikulationen des Juli 1578 lesen: "Joannes Scapula Sabaudus, in Grisiaco pago Bernensium ditionis minister" mit dem Kommentar "Identisch oder verwandt mit Jean Espaulaz, Verfasser eines Lexicon graeco-latinum, das er in Basel 1580 bei Euseb. Episcopius publizierte, und Professor der griechischen Sprache an der Akademie zu Lausanne. - †1581". Aus der Unterschrift der Widmung erfahren wir, dass der Savoyarde Espaulaz 1578/79 in Basel geweilt und somit wohl beim Druck seines Lexikons selber als Korrektor mitgewirkt hat. Er hat sich, wie das bei solchen Arbeiten in Basel auch bei Gelehrten höheren Alters (zu denen Scapula 1578 wohl gehörte) häufig der Fall war, sogleich auch an der Basler Universität eingeschrieben. Der Basler "Student" Scapula ist somit sicher nicht nur "verwandt" mit dem Verfasser des Lexikons, sondern mit ihm "identisch". In Lausanne gehörte Scapula zum Kreis um den französischen Refugianten Claude Aubery, der nach Studien in Genf und Paris 1574 in Basel in Medizin doktoriert hatte und von 1576 bis 1593 in Lausanne als Dozent für Organon wirkte; Scapulas Nachfolger wurde 1581 der Grieche Aemilius Portus, dessen Vater nach dem Übertritt zur Reformation aus Italien nach Genf geflüchtet war, und von dem, während seiner späteren Heidelberger Professur, 1603 ebenfalls ein - alphabetisches - 'Dictionarium Ionicum Graecolatinum' in Frankfurt erschienen ist.
In seiner Widmung, der auf der Titelrückseite ein Epigramm auf das Werk vorangeht, dankt Scapula, in Anbetracht der Bedeutung der Bildung der Knaben, den Schultheissen und Räten von Bern für die Gründung der Hohen Schulen in Bern und Lausanne, für die Berufung guter auswärtiger Lehrer, sowie für die grosszügige Aufnahme mittelloser fremder Studenten, schliesslich für den grosszügigen Bau neuer würdiger Gebäude für diese jüngst in Bern und nun in Lausanne. Was dem Vaterland zum Ruhm, der Kirche zum Vorteil gedeihen werde. Auch er verdanke ihnen seine Bildung, die er zur Gänze an der Lausanner Schule erworben habe, und hier habe er auch eine "functio publica" erfüllen können. So widme er ihnen seine erste Frucht, für die er auch, "soviel die Notwendigkeit verlangt" habe, von ihnen beurlaubt worden sei. Das Werk möge an ihren Schulen, für die es in erster Linie geschaffen sei, nützliche Verwendung finden. Auch mit dem Datum weist Scapula nochmals auf die enge Beziehung seines Werkes zu den Akademien Berns und des bernischen Lausanne hin: "im Jahre, da der Berner Schule der Schlussstein aufgesetzt, da dem Lausanner Gymnasium der Grundstein gelegt worden ist".
In der folgenden Vorrede "An die die griechische Sprache studierenden Leser" kommt Scapula zunächst auf die Bedeutung des Griechischen für alle andern Studien wie auf seine Schwierigkeit und den Aufwand seiner Erlernung zu sprechen. So habe er sein Lexikon verfasst, um sie so leicht wie möglich erscheinen zu lassen, aber auch ihre Erlernung zu erleichtern, indem er die in den bisherigen Lexika alphabetisch angeordneten Wörter nach ihrer Verwandtschaft in "Faszikel" gruppiert habe, die "primitiva" voraus, dann die Zusammensetzungen, so dass man auch sehe, dass es gar nicht so vielerlei Simplicia, bzw. Grundwörter gebe. Die Komposita habe er zudem - indexartig - soweit das Grundwort nicht die erste Stelle einnehme, in einer alphabetischen Findliste mit Spaltenangabe aufgeführt. Fremd- und Lehnwörter habe er gestrichen, Eigennamen, soweit sie nicht zu Appellativa geworden seien, nicht aufgenommen. Schon in fortgeschrittenem Stadium sei er auf den - gleich konstruierten - Thesaurus des Stephanus gestossen (der 1572 erschienen ist); da habe er zunächst gemeint, an einer schon getanen Arbeit gesessen zu haben (existimavi me actum egisse); doch bei genauerem Vergleich habe er die Andersartigkeit seiner Fassung erkannt, sie Freunden vorgelegt und auf deren Urteil hin sie zu publizieren entschieden. Um Stephanus aber nicht um seinen verdienten Ruhm zu bringen und sich selber nicht mit fremden Federn zu schmücken, wolle er auch voll gestehen, dass er, was er in dessen Thesaurus besser als im eigenen und überall sonst bisher gefunden habe, aus ihm, nach Konsultierung der von ihm angeführten Quellen, seinem Werk angepasst habe, doch sparsam, um dieses nicht für den Käufer zu teuer werden zu lassen (der Thesaurus des Stephanus umfasste vier Bände!). Scapula soll als Faktor des Stephanus Einsicht auch in dessen Notizen gehabt haben - aber, vor allem: das Lexikon des Stephanus wurde auch für die Gelehrten zu teuer. Es folgen eine kurze Einführung in seine Anordnung, die er auf Empfehlung von Freunden noch während der Arbeit zur Erleichterung der Benützung durch die Anfänger umgearbeitet habe, und Hinweise auf den alphabetischen Komposita-Index sowie für die nicht berücksichtigten Dialekte, auf den Traktat über diese im Anhang "aus den Schriften des Johannes Grammaticus". Ein Vergleich einiger Begriffe bzw. Wortfamilien bei Stephanus und Scapula zeigt nochmals - wie schon die Biographie, die Druckfolge der beiden Thesauri und die Äusserungen Scapulas zu Stephanus -, dass die in allen Lexika bis heute weitergeschleppten Angaben Jöchers völlig aus der Luft gegriffen sind. Dass Abhängigkeit besteht, sagt Scapula selber: auf schon Erarbeitetem weiterzubauen und solches nicht zu verschmähen, gehört zum Wesen jeder kritischen Wissenschaft.
Da offenbar in Lausanne und Bern kein Drucker für den Druck eines griechischen Lexikons eingerichtet war, hat Scapula sein Werk in Basel drucken lassen und hier, neben Studien, den Druck selber betreut. 1589 ist in derselben Offizin ein zweiter Druck dieses Lexikons erschienen. Der Text umfasst nun 1856 Spalten. Nach dem praktischen Ende der Officina Episcopiana im Jahre 1590 druckte Sebastian Henricpetri das Lexikon in genau gleichem Umfang, vermutlich durchgehend seitengleich, im September 1594 ein erstes Mal nach. Mit dem genau gleichen Umfang erschien es dann 1600, 1605 (GG 78), 1610, 1620 bis zur vorletzten uns bekannten Basler Ausgabe von 1628.
Der Anhang über die griechischen Dialekte ist in den Ausgaben Henricpetris durch um vieles umfangreichere - auch schon im Titel, wenn auch dort ohne Nennung ihres Autors aufgeführte - "Iacobi Zvingeri Medic. doct. Synopses Graecarum Dialectorum seorsim primum, tum conjunctim facili compendiosa Methodo in expeditas tabulas... redactae" ergänzt worden. Der Basler Arzt (seine Haupttätigkeit) und Professor der griechischen Sprache hat dieser seiner Übersicht der Dialekte eine eigene Vorrede an den Leser beigegeben, in der er die knappen Synopses, in den Hundstageferien entstanden, rechtfertigt und erläutert: das Erscheinen des Lexikons habe die Gelegenheit zu dem nützlichen Werklein geschaffen; eine Gesamtdarstellung könne man, bei der Anzahl und den Komplikationen der griechischen Dialekte, nur von Prometheus erwarten, und sie würde den Leser auch in erster Linie abschrecken. 1630 ist bei den Henric-Petrini ein Index Latinus zu diesem Lexikon von einem Laurentius Martius erschienen.
Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis: D D II 5
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: DD II 5