GG 95
Plutarchi Chaeronei philosophi historicique clarissimi Opuscula (quae quidem extant) omnia, undequaque collecta, & diligentissime iampridem recognita... Basel: Andreas Cratander September 1530. Fol.
Die ersten Gesamtausgaben von lateinischen Übersetzungen der erst seit den Basler Drucken von 1541 (lateinisch; GG 96) und 1542 (griechisch; GG 97) unter den Titeln Ēthika bzw. Moralia zusammengefassten Opuscula - Kleinen Schriften - neben den Viten, sind 1514 und 1526 bei Jodocus Badius Ascensius in Paris erschienen, nachdem Übersetzungen einzelner Schriften schon im 15. Jahrhundert und drei Schriften vereint 1508 in Venedig im Druck vorausgegangen waren. Von 1514 an erschienen grössere Sammlungen mit neuen Übersetzungen vor allem in Basel bei Johannes Froben, aus der Feder des Erasmus, der auch die älteren Übersetzungen nach griechischen Vorlagen verbesserte, soweit sie Froben in seine Drucke aufnahm. Hier liegt die insgesamt dritte Ausgabe vor, deren Drucker sich die grösste Vollständigkeit, die zu dem Zeitpunkt zu erreichen war, vorgenommen hat. Neben den älteren Übersetzungen figurieren vor allem die neueren, besonders zahlreich die des Erasmus und Ottomarus Luscinius (Nachtigall), die teils 1522 in Strassburg, teils 1528 in Augsburg erschienen waren; denkbar, dass diese zweite grössere Sammlung Cratander mitveranlasst hat, sämtliche bisher erschienenen Übersetzungen in einer Ausgabe zusammenzuführen. Die Übersetzer der übrigen Schriften - ihre Namen sind bei den Schriften auf der Rückseite des Titels (dazu, mit den alten Widmungen, bei jeder Schrift) übersichtlich aufgeführt: Nicolaus Sagundinus, Carolus Valgulius, Alamanus Ranutinus, Guarinus Veronensis (der auch zahlreiche Vitae übersetzt hat), Raphael Regius, Johannes Regius (die beiden Übersetzer von 1508), Petrus Lucensis, Stephanus Niger, Angelus Barbatus, der Pariser Guillaume Budé (Paris 1514), Bilibald Pirckheymer (Nürnberg 1513 bzw. 1523), Angelus Politianus, Philipp Melanchthon. Zwei Schriften von Zeitgenossen über Plutarch bzw. ein den Moralia verwandtes Thema hat Cratander an den Schluss des Bandes gestellt.
In seiner Vorrede an den Leser, wie das Impressum vom September 1530, in die er durchaus auch griechische Begriffe eingeflochten hat, klagt er über den Niedergang der Kultur: Schulen gingen ein, Klöster würden zu anderm als ihrem ursprünglichen Zweck, der Jugenderziehung, konfisziert (Cratander steht durchaus auf der Seite der Reformatoren), die Eltern wollten nach der Aufhebung der geistlichen Pfründen und der Klöster keinen Grund mehr sehen, Knaben und Mädchen zu erziehen, studieren zu lassen: die Jugend kümmere sich nicht mehr um Wissenschaften und Bildung, gehe Aberglauben und als Frömmigkeit ausgegebener Faulheit nach. Doch wahre Religion und Frömmigkeit, da durch Schriften überliefert, und das Gedeihen der Staaten hänge von den literae ab, mehr als es die Menge meine. Jeder müsse nach seinen Kräften sich für sie einsetzen. Er tue es mit dem möglichst guten Druck der besten Autoren beider Sprachen, d.h. lateinischer und griechischer Texte, er, der Leser, müsse sie kaufen, lesen, nochmals lesen, sein Leben danach bessern und die Jugend erziehen. Zu diesen Autoren gehöre Plutarch, seine Übersetzungen ins Lateinische seien vorzüglich, unübertrefflich attisch die des Erasmus.
Das Basler Exemplar stammt aus dem Besitz des späteren Basler Theologen, Antistes der Basler Kirche Simon Sulzer (später Albert Sulzer); er hat es 1531, also während seines Strassburger Studiums, von einem Stephanus Schiller als Geschenk erhalten; es enthält zahlreiche Randnotizen von der Hand Sulzers: C G I 12 Nr. 2
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: CG I 12:2