GG 126
Aristotelis De moribus, quae Ethica nominantur, ad Nicomachum filium, Libri decem, a Ioachimo Perionio ita nunc demum latinitate (idque adeo ex ipso Cicerone) donati, ut superior omnis horum conversio prae hac in plerisque ridicula ac babara videatur. Commentarij eiusdem in eosdem libros, in quibus de convertendis coniungendisque Graecis cum Latinis praecepta traduntur, ad utriusque linguae proprietatem et copiam parandam mire accommodata. Accessit Liber Ciceronis de Universitate, coniunctus cum ea parte Timaei Platonis cui respondet. Itemque Arati Phaenomena quaecunque extant a Cicerone conversa, ut in utroque genere omnes optimum auctorem habeant quem imitentur... Basel: Robert Winter März 1542.
Ioachimi Perionii Cormoeriaceni De Optimo genere interpretandi, in Aristotelis X libros Ethicorum, sive de Moribus, a se latinitate donatos, Commentarij: In quibus & de optima imitandi ratione, & de convertendis... mire accomodata... Basel. 8°.
Ek Platōnos Timaiou tmēma to tō Kikerōnos peri pantos bibliō symphōnoun.
Ex Platonis Timaeo particula, Ciceronis de Universitate libro respondens. Qui duo libri inter se coniuncti & respondentes, nunc primum opera Ioachimi Perionij Cormoeriaceni proferuntur in lucem, una cum eiusdem Annotationibus. Basileae.
Aratou Soleōs Phainomena.
Ciceronis in Arati Phaenomena interpretatio, quae multo & amplior est & emendatior, quam vulgata. Accesserunt his Vergilij, Germanici Caesaris, & Rufi Avieni carmina, ijs respondentia Arati, quae a Cicerone conversa interciderunt. Haec autem Latina omnia Graecis ex altera parte respondent Ioachimi Perionij opera, cuius Observationes simul eduntur. Basileae.
Im Sommer 1540 war in Paris eine lateinische Übersetzung der Nikomachischen Ethik des Aristoteles aus der Feder des französischen Benediktiners, Theologen und Philologen Joachim Périon erschienen (Cormery in der Touraine 1499 - Abtei Cormery 1559), zugleich als Muster für Übersetzungen griechischer Philosophie ins Lateinische gedacht, weshalb Périon dem Werk eine längere Abhandlung über die beste Art des Übersetzens und Musterübersetzungen Ciceros und anderer Römer beigegeben hat. Das Werk gliedert sich so in vier Teile: die Übersetzung der zehn Bücher der Ethik, den Kommentar Périon's mit, vorangestellt nach einer kurzen zweiten Widmung, der Abhandlung über das Übersetzen, die Fragmente der Timaeus-Übersetzung Ciceros und, ebenfalls "eregione", d.h. synoptisch mit dem griechischen Text der Sphaira gedruckt, die Fragmente der Aratübersetzungen Ciceros, Vergils und des Germanicus, nochmals mit kurzem Kommentar Périon's. Das Werk wird sogleich 1542 in Basel von Robert Winter nachgedruckt, wobei der Titel des zweiten Teils etwas unglücklich missverständlich abgewandelt worden ist. Da es Winter gewiss nicht zuletzt wegen seinen übersetzungsmethodischen Teilen nachgedruckt hat, sollen diese, d.h. die Widmungen und die folgende Abhandlung Périons, auch wenn sie nicht für den Basler Druck entstanden sind, hier zusammengefasst werden.
Gewidmet hat Périon seine Arbeit von Paris aus am 6. Mai 1540 dem Bischof von St. Malo - ehemaligem Abt von Cormery - François Bohier. Er wundere sich, beginnt er die Hauptwidmung, dass die Werke der griechischen Literatur, die die Grammatiker und Redner angingen, von den Gelehrten der gegenwärtigen und der letzten Generation trefflich übersetzt seien, während die Philosophie, die Lehrerin der Sitten, das schönste Geschenk Gottes an die Menschen, in ungepflegter, wüster Sprache behandelt sei. Von Lorenzo Valla seien Thukydides und Herodot, von Poggio Diodor, von Polizian Herodian in glänzendem Latein übersetzt worden. Dagegen trete einem in den Büchern des Aristoteles, der nach einhelligem Urteil von allen grossen Autoren der christlichen Religion am nächsten komme und darum allgemein akzeptiert werde, eine solche Dunkelheit und Trockenheit entgegen, dass selbst Knaben in ihren ersten Schuljahren geschickter sprächen und schrieben. Das habe nicht nur viele von der Philosophie abgehalten, sondern sie geradezu zu deren Feinden gemacht. Dessen Grund dürfte sein, dass die Redegewandten, von der Philosophie durch die erwähnte Dunkelheit abgeschreckt, ihr Übersetzen lieber in den Fächern geübt hätten, in denen, da schon bekannt, mehr Raum für Redeschmuck sein werde, jene aber, die trotz ihrer Lateinkenntnisse Fremdes nicht beredt übersetzen könnten, da sie sich ganz dem Studium der Philosophie hingegeben hätten, grösstes Dunkel verursacht hätten, indem sie ihr Licht nicht hätten beibringen können. Das könne er beides nicht billigen, zumal jeder sich seinen Verlauf der Studien frei wählen und nach eigenem Gutdünken daran Zeit aufwenden könne. Tadelnswert liessen sie die Philosophie im Stich und täten das selbe wie die, welche gut bebautes fruchtbares Land verliessen und den Samen lieber Äckern anvertrauten, die nicht gleich fruchtbar sein könnten, diese aber mit ihrer bisherigen Bebauungsweise dornig werden liessen. Denn was gebe es Fruchtbareres, Erfreulicheres, Besseres, Würdigeres als die Philosophie? Die andern Fächer seien ihre Dienerinnen. Umso mehr bedauere er, dass diese Kunst noch nicht wie die übrigen lateinisch wiedergegeben worden sei. Und das habe ihm keine Ruhe gelassen, bis er die Philosophie wieder habe lateinisch sprechen lassen, allerdings ein waghalsiges Unternehmen, das Neid wecken könne. Doch es sei gar nicht sein Werk, sondern das Ciceros. Von ihm habe er es gelernt. In früher Jugend schon habe er sich um die Nachahmung Ciceros bemüht und gesehen, wie dieser das Lateinische immer mit dem Griechischen verknüpft und daraus Vorteile gewonnen und solches seinem Sohn empfohlen habe. So habe er gleich bei dem Beginn seines Griechischstudiums seine Empfehlungen befolgt. Durch diese Verknüpfung habe er nicht nur das Griechische besser verstanden, sondern sich auch die lateinischen Entsprechungen zum Griechischen notiert und dadurch beredter aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt. Er habe auch die unzähligen von Cicero nicht nur behandelten, sondern auch übersetzten Stellen aus Plato, Aristoteles, Demosthenes, Aeschines und andern Philosophen und Rednern untersucht und das ganze Buch über das Weltall aus Platos Timaeus mit dem griechischen Text dem vorliegenden Kommentar beigesellt, damit die Griechischstudenten (studiosi) es sich gleichsam als Vorbild zur Nachahmung beim Übersetzen aus dem Griechischen nähmen. Hieraus stamme der Sprachreichtum seiner Übersetzung. Die Ehre gebühre Cicero, er lasse die studiosi ihn nützen. Er habe viele Werke vieler Autoren übersetzt, herausgeben wolle er das Werk zuerst, das für diese Studien am geeignetsten sei: die zehn Bücher Ethik des Aristoteles an seinen Sohn, die voller wichtigster Lebensregeln seien und deren Lichter sich in seiner Übersetzung nun zeigten. Er habe dabei nicht, was Cicero ein Kennzeichen schlechter Übersetzer nenne, Wort für Wort übersetzt, sondern auf eine lateinische, geeignete und rhythmische Sprache geachtet. Wenn jemanden hier oder da die Sprache störe, solle er bedenken, dass es nicht das selbe sei, seine eigenen Gedanken auszudrücken oder die anderer wiederzugeben. An manchen Stellen habe er bewusst keine Lichter gesetzt, denn es müssten auch Steigerungsmöglichkeiten bleiben. - Dieser Widmung des Gesamtwerks folgt Périon's Argumentum zu Inhalt und Aufbau der zehn Bücher.
Dem Kommentar hat Périon nur auf Empfehlung seines Pariser Druckers eine weitere kurze Widmung an Bohier, vom 20. September 1540, vorausgeschickt: Er habe keinen Grund gesehen, dem vorliegenden Kommentar über die beste Art zu übersetzen diesen Brief an ihn beizufügen, wenn nicht die Verleger sein Vorhaben verhindert hätten. Denn obwohl er gemeint habe, dass der Brief, den er den zehn Büchern der Nikomachischen Ethik, die er für ihn übersetzt habe, vorangestellt habe, für beides genüge, habe er nun überlegt, dass, wenn die Verleger diesen Kommentar später zum allgemeinen Nutzen einzeln drucken würden, dann kein Zeugnis seiner Dankbarkeit für die mehr enthalten sei, zu denen er allein gelange (beim Basler Exemplar unseres Nachdrucks sind sogar die mitgedruckten und im Titel erwähnten Übersetzungen Ciceros je einzeln unabhängig vom Hauptwerk signiert und aufgestellt worden!).
Diesem folgt seine programmatische 17seitige Praefatio über das beste Übersetzen: Es gebe viele und unterschiedliche Gattungen der Rede und darum auch der Übersetzung. So werde sich keiner eine Übersetzung vornehmen, der für den betreffenden Stil nicht begabt sei. Besonders die Römer hätten in dem Stil übersetzt, in dem sie geschrieben hätten, das sehe man bei Cicero, Sallust, Livius. Man werde in ihren aus dem Griechischen übersetzten Zitaten keinen Unterschied gegenüber ihrem eigenen Text wahrnehmen. Die meisten würden aber so unterschiedlich übersetzen, dass man sie in ihren Übersetzungen nicht wiedererkennt. Auch ihm sei das öfter als ihm lieb und der Kunst angemessen sei widerfahren. Oft weiche der grossartige Stil der Vorrede vom folgenden Werk ab: einerseits vom Unterschied her, eigene Gedanken frei ausdrücken zu können bzw. unklare Gedanken anderer wiedergeben zu müssen, anderseits aber vor allem weil diese Leute das Wichtigste beim Übersetzen vergässen: zuerst den Sinn des vorgenommenen Werkes im Geist zu formulieren, dann zu überlegen, wie sie die Sache wiedergeben würden, wenn sie ihre eigene wäre. Statt dessen gäben sie abergläubisch Wort für Wort wieder, in der Meinung, nur so den Sinn des Autors ausdrücken zu können. Ausserdem meinten sie, wenn sie in einer Kunstgattung hervorragten, Gleiches auch in andern bieten zu können. Viele beherrschten viele Fächer, vermöchten sich aber nicht beredt auszudrücken. Das zeige sich besonders in den Übersetzungen griechischer Philosophen: da in diesem Fach die Unberedten weise seien, bemühten sie sich nicht darum, von dem die Sprache zu lernen, der als einziger Philosophie lateinisch behandelt und gelehrt habe: von Cicero, den alle als ihren Lehrer wählen müssten. Man müsse alle seine Schriften lesen, die Gattungen unterscheiden lernen: dann allein könne man alle griechischen Gattungen beredt übersetzen; denn es habe bei ihm Zitate von allen griechischen Philosophen. Leider sei von seinen Übersetzungen nur ein Fragment des Timaeus erhalten, doch aus ihm lasse sich die beste Art des Übersetzens erlernen. Darum habe er diesem Kommentar den Text Platos und die Übersetzung Ciceros beigegeben und dieses Buch "Die beste Art der Übersetzung" genannt, in Nachahmung von Ciceros Titel "Über die beste Art des Redners", nach seiner Musterübersetzung zweier Reden des Demosthenes und Aeschines. Dementsprechend sei nun sein Buch voller Beispiele aus Cicero, indem er sich bei seiner Übersetzung der Ethik des Aristoteles die Nachahmung Ciceros vorgenommen habe, von dem er überall in seinen Schriften Anweisungen hierzu gefunden habe, die er nun hier gesammelt vorbringe. Wer sich zuerst den Inhalt gedanklich zu eigen mache und sich mit Cicero beschäftige, werde alle oben genannten Fehler vermeiden. Und um zu zeigen, dass man nicht Wort für Wort zu übersetzen habe, zitiert Périon aus De Finibus 3, dass man hin und wieder ein griechisches Wort auch durch mehrere lateinische wiedergeben müsse. Und mit dieser Regel Ciceros stehe oder falle die ganze Kunst der Übersetzung. Man müsse dazu die griechischen und die lateinischen Texte zusammen studieren. Er habe, seit er griechisch lerne, begonnen sich zu überlegen, welche Begriffe wörtlich wiederzugeben, welche zu umschreiben seien. In seiner Übersetzung habe er, an den geeigneten Stellen, solche Beispiele aus Cicero angeführt. Natürlich müsse man, wenn man griechische Ethik lese, nicht Ciceros Reden, rhetorische Bücher oder Briefe vornehmen, sondern nur die verwandten Werke, wobei natürlich Ausnahmen vorkämen. Ebenso habe Vergil sich für die Aeneis, Georgica und Bucolica meist entsprechende Vorbilder gesucht. Jene Übersetzer aber würden, da man oft Wort für Wort übersetzen könne, dies ganz ungeschickt immer tun wollen, wofür Périon unterschiedliche Übersetzungen Ciceros für einzelne griechische Wörter zitiert. Schliesslich sei auch eine Übersetzung eine Rede und müsse darum rhetorischen Glanz erhalten; das habe er an vielen Stellen seines Kommentars gezeigt, worauf er nochmals Beispiele aus Platoübersetzungen Ciceros zitiert und nochmals zusammenfasst, dass man nicht Wort für Wort übersetzen dürfe und die lateinischen Übersetzungen Ciceros aus der selben Gattung beiziehen müsse. Wer das nicht tue, werde vieles nicht nur unberedt, sondern sogar barbarisch sagen. Darum die Beispiele in seinem Kommentar: denn mit Cicero sei die lateinische Philologie geboren worden. Mit seinem Kommentar habe er ein Beispiel einer Übersetzung bieten wollen. - Zudem zeigen uns diese übersetzungstheoretischen Erörterungen nebenbei, wie man von Anfang an - sobald man griechisch lernt - nicht in die Muttersprache, sei das nun deutsch oder französisch, sondern ins Latein übersetzt.
Übersetzung und Kommentar sind heute in Basel aufgestellt unter der Signatur B c VII 50, aus Besitz Bonifacius Amerbachs von 1542; die Aratübersetzungen in andersartigem Basler Einband der Zeit zusammengebunden mit Ciceros Philosophischen Schriften Bd. 2, Venedig 1546, später im Besitz Daniel Hubers: C B X 8 Nr. 2; die Timaeusübersetzung Ciceros (D F VI 16 Nr. 6) könnte aus Besitz Bonifacius Amerbachs stammen wie anderes in diesem erst im 17. Jahrhundert zusammengestellten Bändchen, doch vermuten wir, dass Arat und Timaeus bei Amerbach in einem zweiten Bändchen wie der Aristoteles gebunden war und später als Dublette aus der UB verkauft worden ist. Im Basler Exemplar der Pariser Ausgabe(n) ist die Aristotelesübersetzung Périon's in einem Exemplar des Drucks des Jean Loys de Thielt (Tiletanus) von 1546 alt zusammengebunden mit Exemplaren der drei übrigen Teile des Druckes von Simon de Colines und de Thielt von 1540: Frey-Grynaeum 0 II 18 aus Vorbesitz eines Hieronymus Fogliatus.
Der Nachdruck Oporins nach der Bearbeitung durch Nicolas de Grouchy vom März 1555 enthält nur die Übersetzung und den Kommentar Périon's, nicht die Cicero-Beigaben. Nachdrucke der zweisprachigen Ausgabe des Adrien Turnèbe erschienen in Basel bei Ludwig Lucius 1556 und bei den Nachfolgern Oporins 1573 und 1586.
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Bc VII 50 | CB X 8:2 | DF VI 16:6