GG 134
Theodori Metochitae in Aristotelis Physicorum, sive Naturalium auscultationum libros octo, & Parva (quae vocantur) naturalia, Paraphrasis longe doctiszima, & quae prolixi Commentarij vicem explere queat. Nuper adeo a doctissimo viro D. Gentiano Herveto Aurelio e Graeca in Latinam linguam conversa, nuncque primum in lucem edita... Basel: Nicolaus Brylinger 1559. 4°.
Der erste Druck einer Schrift des Theodoros Metochites (1270-1332). Einer der bedeutendsten Humanisten und Polyhistoren des späten Byzanz, stieg Theodoros Metochites unter Kaiser Andronikos II. in höchste Ämter auf. Als mesaxōn (Ministerpräsident) restaurierte er 1316-1321 mit finanzieller Unterstützung des Kaisers das Chora-Kloster, in das er sich nach dem Sturz des Kaisers und Gefangenschaft 1331 zurückzog. Als erster griechischer Druck erschien von ihm erst 1618 - mit lateinischer Übersetzung - seine Römische Geschichte (von Caesar bis Konstantin) in Leiden; die hier in lateinischer Übersetzung des französischen Philologen und Theologen Gentien Hervet erscheinende Paraphrase der Physik und der Kleinen Schriften zur Naturwissenschaft des Aristoteles scheint bis heute noch nicht griechisch erschienen zu sein. Hervet (1499-1584) hat, nach Studien in Orléans und Präzeptorentätigkeit in England, Padua, Venedig, 1531 in Orléans Griechisch gelehrt und ist dort mit Calvin zusammengetroffen. Nach Übersetzung griechischer Literaturwerke hat er 1545 Kardinal Marcel Cervinus als Übersetzer an das Konzil von Trient begleitet, sich dort für Bibelübersetzungen in die Volkssprachen eingesetzt. Nach dem Tod des Cervinus, den er - nun Papst Marcellus II. - nach Italien begleitet hatte, hat er verschiedene Kirchenämter in Frankreich versehen, zuletzt in Reims, und vor allem Schriften griechischer Kirchenväter ins Lateinische übersetzt. Herausgeber unseres Druckes ist der damalige Basler Professor für Logik Philipp Bechius (Bächi, Freiburg i. Br. 1521 - Basel 4.9.1560). Nach Studien in Basel (ab 1537/38), Wittenberg (1542) und Leipzig ist er 1553 in Basel zum Lizentiaten der Medizin promoviert und zum Professor für griechische Sprache, 1554 für Logik gewählt worden.
Er hat den Druck am 1. März 1559 dem - im Gegensatz zu den Fugger und Welser - evangelischen Augsburger Patrizier und Bürgermeister (und Scholarch zu St. Anna) Johann-Baptist Hainzel gewidmet, mit dem er von seinen Studien her befreundet gewesen sein dürfte. Am meisten zu allen Studien würden ruhmvolle Vorbilder anspornen, beginnt er seine Widmung, und wenn man das anerkannt sehe, was man durch Nachahmung zu erreichen suche. So komme es, dass die Philosophie des Aristoteles seinen Eifer von jung auf entzündet habe. Er sei, ohne Ausnahme, der vollkommenste Philosoph. Er habe alle bestehenden Irrlehren gemieden. Er sei mit Recht von Plato Philosoph der Tugend genannt worden. Schlicht, ohne viele Worte, sei er der Wahrheit nachgegangen. In seiner Nachfolge müsse man gegen die Sophisten und Sykophanten jeder Zeit kämpfen, auf ihn sich ausrichten, zumal in dieser Zeit der Verdrehung jeglichen menschlichen Denkens. Viele seien von Ruhm und Habsucht so behext, dass sie die Philosophie, die zu beständiger Bildung führe, aufgäben, zum Schaden der Redekunst und der andern zur Ausbreitung des Christentums und zur Erhaltung des Staatswesens nützlichen Künste. Die Bedeutung der Philosophie für jede Regierung habe Kaiser Antoninus erkannt. Wer aus blosser Praxis heraus regiere, werde erst nach Schädigungen des Staates ein guter Herrscher, wer mit den Lehren der Philosophie bewaffnet, könne kaum vom rechten Weg abgebracht werden. Hippokrates und Galen hätten sich ihr gewidmet, und ohne ihre Kenntnis könne darum niemand sie nachahmen oder übersetzen. Wenn die späteren Ärzte ihrem Beispiel gefolgt wären, wäre die Medizin nicht so heruntergekommen. Johannes Baptista Montanus (seine Schriften und Übersetzungen sind auch in Basel erschienen) habe sie mit andern Philosophen und Ärzten zweifelsfrei wieder zum Leben erweckt. Auch die grössten Theologen wie Johannes Chrysostomus, Juristen wie Scaevola, Redner wie Demosthenes hätten die Notwendigkeit der Bildung gekannt. Dies schreibe er nicht, um ihn, Hainzel, zur Philosophie anzuspornen, sondern um den Verächtern der Wissenschaften entgegenzutreten. Alle kennten seine Grosszügigkeit: der Arzt Johannes Crato, Wilhelm Xylander. Sein Kollege (compater) Oporin habe sie mit ihm zusammen kennengelernt, als sie im Vorjahr auf dem Weg nach Gastein zum seither verstorbenen Christoph Veitmoser von ihm in Augsburg gastlich aufgenommen und mit Hieronymus Wolf freundlich zum Mittagsmahl eingeladen worden seien. Und er wäre nicht zu dieser Geistesbildung und Bürgermeisterswürde gelangt, wenn er sich nicht an der berühmten Basler Universität unter dem verehrten Simon Grynaeus, ihrem gemeinsamen Präzeptor, dann mit ihm zusammen in Wittenberg unter Melanchthon den Studien gewidmet hätte (die fratres nobiles ex Carinthia Christoph und Johannes Veitmoser hatten sich im Juni 1557 in Basel immatrikuliert, Xylander für seine Mitarbeit bei Basler Druckern im Juli 1557; Hainzel, von dem auch spätere Briefe an Basler hier erhalten sind, hatte sich 1535/36 in Basel immatrikuliert, sein Bruder Paul 1540/41, danach beide in Wittenberg, zugleich mit Bächi). Deswegen widme er ihm diesen bei weitem reichhaltigsten Kommentar des Theodorus Metochites zur Physik und den Parva naturalia des Aristoteles, von Gentianus Hervetus gewissenhaft, getreu und elegant aus dem Griechischen ins Latein übersetzt, und, durch den hochgelehrten jungen Rechtsgelehrten Simon Tschartius und den hervorragenden verdienten Drucker Johannes Oporin herausgegeben und betreut (opera & studio), durch den keineswegs unbedeutenden Basler Drucker Nicolaus Brylinger gedruckt. Eine besondere Gelegenheit zur Widmung habe ihm zudem der ihm, Hainzel, sehr verbundene Simon Tschartius gegeben: Als dieser sich mit ihm in Basel im Gasthaus zum Storchen darüber unterhalten habe, wessen Patronat (tutela) er dieses Werk übergeben wolle, hätten sie nur ihn dessen würdig gefunden (bisher ist als erster Basler Aufenthalt des 1535 geborenen, später berühmten Simon Schard das Jahr seiner Publikation des juristischen Sammeldrucks mit u.a. Eustathius Antecessor bei Oporin 1561 (GG 378) bekannt, anschliessend an Studien in Italien; hier treffen wir ihn vermutlich auf dem Hinweg nach Italien in Basel und dürfen ebenso wohl vermuten, dass er die Übersetzung Hervets aus Frankreich, wohl aus Orléans nach Basel gebracht hat, obwohl bisher nichts von einem Frankreichaufenthalt Schards bekannt ist; seinen Eustathius-Druck hat er im August 1561 Hainzel gewidmet). Wenn er daher, wie man sage, zwischen Lipp' und Kelches Rand etwas habe eintreten sehen, dass jener mit seinem Vorhaben nicht mehr habe einverstanden sein können, so bedaure er das sehr. Er bitte ihn daher in Schards Namen, ihn wie bisher wohlwollend zu fördern; das würde ihn, Bächi, sehr freuen. In dieser Widmung bestärke ihn ihre Freundschaft seit ihrer gemeinsamen Zeit in Basel und Wittenberg (wo sie den Grund zu ihren Studien gelegt hätten), seine humanitas und sein Wohlwollen sowie die gute Zurede des Vorkämpfers seines Ruhmes Oporin.
Das Basler Exemplar B c II 25a hat Philipp Bächi seinem Kollegen und Freund Johannes Hospinian (Wirth, aus Stein am Rhein), 1546 bis zu seinem Tod 1575 Professor für Organon in Basel und seit 1555 daneben Pfarrer in Oberwil, geschenkt.
Schon 1562 erscheint beim selben Drucker eine neue - seitengleiche - zweite Auflage, was zeigt, dass die erste bis dahin mehr oder weniger ausverkauft war. Jetzt wird ihr Zweck - die Aristotelesvorlesungen an den Universitäten - sogleich im Titel genannt, dort auch korrekt auf den Neudruck hingewiesen, während der Verfasser der Widmungsvorrede, der Basler Polyhistor, dazumal Ordinarius physicus an der Basler Universität (Academia), Heinrich Pantaleon, sich etwas grosssprecherisch als Erstherausgeber bezeichnet: In Aristotelis universam Naturalem Philosophiam, quae in Gymnasijs optime institutis praelegi solet, Theodori Metochitae Paraphrasis longe doctissima... worauf neu und verlegerisch geschickt die sechs kommentierten Werke aufgezählt werden und fortgefahren wird: Omnia nuper e Graeca in Latinam linguam conversa, atque in studiosorum Philosophiae gratiam nunc emendatiszime in lucem edita...
In seiner mehrseitigen Widmung an den oberelsässischen Kaiserlichen Rat Simon von Pfirdt weist Pantaleon zunächst darauf hin, dass trotz der Behaftung mit der Erbsünde von den Erzeltern her die Menschen Funken des vorangehenden Glücks hätten, durch unermüdliche Studien die Natur zu erkennen, durch deren Beobachtung aus den ersten Ursachen die Körper in ihrer Abhängigkeit von der Bewegung, Himmel und Erde, die Weisheit ihres Baumeisters zu bewundern, wie Paulus schon gelehrt habe. Nach einer kurzen Darstellung der Geschichte der Naturforschung von Thales, Anaximander, Xenophanes, Parmenides, Pythagoras, Anaxagoras, über die pythagoreischen Lehren in Platos Timaeus - wo zum erstenmal die Elemente dargestellt und benannt worden seien, zu Aristoteles, der bis zur alles bewegenden Ursache Gott vorgestossen sei, folgt die Mahnung, dass diesem göttlichen Willen zur Forschung nicht zu widerstreben Aufgabe der Christen sei: der Theologen, den frei handelnden Gott richtig zu erkennen; der Rechtsgelehrten, die Urgründe der Erkenntnis und des Handelns zu erkennen, die Gesetze der Natur und das Naturrecht; der Ärzte, dort weiterzufahren, wo der Physicus aufhöre, wobei dieser auch bis in die Medizin vordringen müsse, beide Fächer untrennbar seien, wie schon Hippokrates gezeigt habe. Ohne Kenntnis der Natur seien die Werke der Dichter, Philosophen und Redner nicht verständlich, könne der Ethiker sein Ziel nicht erkennen, der Mathematiker keine Mengen behandeln. Elemente, Himmel, Gestirne, Planeten, Sonne, Mond müsse man in ihrem Wesen kennen, bevor man sich mit ihren Bewegungen befasse. Die Naturschriften des Aristoteles hätten alle wesentlicheren späteren Philosophen zu kommentieren, der Jugend nahezubringen versucht, doch oft kein Mass gehalten, mit Haufen von spitzfindigen unnützen Erklärungen, so dass der Autor dadurch nicht klarer, sondern dunkler geworden sei. Theodorus Metochita habe alle naturphilosophischen Schriften des Aristoteles, die in den guten Schulen (d.h. an den Universitäten, bzw. an deren den Vorstudien dienenden Artistenfakultäten, in Basel bis 1589 auch am sog. Paedagogium) vorgetragen würden, kenntnisreich erklärt, Gentianus Hervetus diese Paraphrasen übersetzt. Als er diese Übersetzung ein- , zweimal gelesen und erkannt habe, dass sie ihm bei der Erklärung mehr helfe als die längsten Kommentare anderer, habe er begonnen, alles zu ordnen und das vorliegende Werk zu publizieren (wie wenn es nicht schon drei Jahre zuvor gleich erschienen wäre... ). Er widme es ihm, damit er sich bei Musse von den Staatsgeschäften daran ergötzen könne; er wisse, dass er sich entgegen der Gewohnheit der Magnaten und Adligen mit Naturforschung und Medizin beschäftige.
Das Basler Exemplar B c II 25 dieser zweiten Auflage hat der Drucker der Universität geschenkt: Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis.