GG 133

Michaelis Ephesii Scholia in Aristotelis libros aliquot: nempe De Iuventute, senectute, vita et morte. De longitudine ac brevitate vitae. De divinatione per somnum. E Graeco nunc primum conversa, Conrado Gesnero Tigurino Medico interprete. Accessit quoque Nicolai Leonici Thomaei conversio atque explanatio primi libri Aristotelis De partibus animalium, lucubratio valde utilis, nunc primum etiam ex autoris archetypo in lucem edita... Basel: Bartholomaeus Westheimer [1541]. 8°.

Ein kleines Büchlein, das etwas Einblick in die Basler Universität gewährt, ein Sammeldruck kleiner Aristoteleskommentare zweier zeitlich und räumlich recht weit von einander entfernter Autoren, zu dem die erste Gruppe den Anlass gegeben hat: die erste Übersetzung einiger Kommentare des Michael von Ephesos (11./12. Jahrhundert), Lehrers an der Universität von Konstantinopel, eines der fruchtbarsten Aristoteleskommentatoren, der nicht, wie die meisten, die anthropologischen und naturwissenschaftlichen Schriften ausgespart hat. 1527 war eine Sammlung von neun Kommentaren zu den Kleinen Naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles bei Aldus Manutius in Venedig erschienen; von diesen hat der in der Folge berühmte Zürcher Arzt, Naturforscher und Bibliograph Conrad Gesner (1516-1565) hier drei übersetzt und (mit dem lateinischen Aristotelestext) publiziert, deren Auswahl er in seiner Widmung des ersten an seinen ehemaligen Basler Präzeptor, den Ordinarius für Theoretische Medizin an der Basler Universität Sebastian Sinckeler, biographisch begründet. 

Im Wintersemester 1537/38 hatte sich Gesner, nach Studien in Paris und Bourges, als Magister in Basel immatrikuliert und 1538 hier in Medizin promoviert, mit einem Thema, das ihm Sinckeler gestellt hatte, wie wir aus der Widmung vom August 1541 aus Zürich erfahren, in der er ihn darauf hinweist, dass er hier einige der Scholien, die ein gewisser Michael von Ephesus zu vielen naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles verfasst habe, übersetzt habe, da es sie lateinisch noch nicht gebe und um sich in philosophischer Lektüre zu üben. Vor allem gehe es ihm um die Schrift über Alter, Jugend, Leben und Tod, da es Aristoteles darin hauptsächlich um den Sitz der Seelenkräfte, die bei allen Lebewesen die Ernährung, Wahrnehmung und Bewegung bewirkten, im Herzen gehe, was von allen gelehrten Ärzten bestritten werde, da der Sitz der ersteren die Leber, der andern beiden das Gehirn sei, und das habe Sinckeler nicht unverdienterweise ihm gerade kürzlich als Thema für seine medizinische Promotion in der berühmten Basler Universität (unter dem Dekanat des Albanus Torinus) gegeben (die Thesen vom 25. Februar 1541 sind erhalten). Das stelle dieser Aristoteleskommentator alles einfach, klar und vollständig dar, häufig in Form einer Umschreibung und grammatikalischen Erklärung. Ihm gefalle jedenfalls die kurze und verständliche Erklärung aller einzelnen Stellen; Höheres möge verlangen, wer in dieser Art Forschung (studiorum) sein Leben verbringen wolle. Er wolle sich, in Anbetracht der möglichen Kürze des Lebens (wovon die hier übersetzten Kommentare ja schliesslich mehrheitlich handeln), mit anderem beschäftigen. Es sei hier nicht alles enthalten, was der Scholiast zu Beginn ankünde, denn Spätere hätten das 2. Buch über die Atmung von diesem getrennt. Den Zusammenhang erkenne man aus der Einleitung, die Gesner zitiert. Die Atmung habe er am Schluss behandelt, doch nicht getrennt; als zwei Bücher möge man es nur betrachten, wenn man den Inhalt klarer in zwei Teile einteilen wolle. Ähnlich sei der Irrtum Unkundiger gewesen, in der Historia animalium einen Teil des 7. Buches zu einem zehnten Buch zu machen (wie in der grossen Basler Ausgabe von 1531 [GG 112] geschehen), was aus der Ähnlichkeit des Inhalts erhelle und der Übereinstimmung des Endes des siebenten mit dem Anfang des zehnten, das lateinisch noch nicht vorliege. Man erkennt schon in dieser frühen kleinen Widmung den späteren Bibliographen. 

Den zweiten Kommentar hat Gesner, gefolgt von einem griechischen Epigramm an den Leser, dem Glarner Staatsmann, Historiker und Geographen Aegidius Tschudi (1505-1572) gewidmet, wobei er auch darauf hinweist, dass er den Text des Aristoteles ebenfalls selber neu übersetzt habe, da ihn die vorhandenen Übersetzungen nicht überall befriedigten. Er widme Schriften, um Freundschaften zu gewinnen oder zu erhalten. So danke er ihm hiermit für die Gastfreundschaft, die er ihm gewährt habe - 1538 war Tschudis für moderne Erfahrungsgeographie epochale Beschreibung Rhätiens, d.h. des schweizerischen Alpenlands in Basel erschienen -, als er kürzlich Glarus besucht habe, um das Land und die Berge kennenzulernen. Er wisse, dass er an jeder Art Literatur Freude habe und die Wissenschaften trotz seiner staatsmännischen Beanspruchung nicht aufgegeben habe. Wieviele Reiche oder Staatsmänner gebe es schon bei ihnen in diesem Jahrhundert, die gebildet seien? Die meisten - oh Schande - verfolgten die Wissenschaften mit den Gelehrten zusammen mit äusserstem Hass, und es gebe nichts, was sie nicht für wichtiger hielten als das Philosophieren. 

Den dritten Kommentar hat Gesner, ebenfalls im selben Monat, dem jungen Zürcher Mathematiklehrer Melchior Wirz gewidmet: Er scheue sich nicht, beginnt er, kleine Geschenke den grössten Freunden zu bringen, denn von Freunden müssten auch die kleinsten Gaben immer geschätzt werden. Was er mit zu Sprichwörtern gewordenen griechischen Dichterzitaten belegt. Heimat, Lehrer, Alter und Studien hätten sie gemein; darum wolle er ihm die kleine Schrift des Aristoteles über die Weissagung widmen, die er mit den Scholien Michaels von Ephesus zusammen zu Beginn der Hundstageferien übersetzt habe. Sicher würden sich viele am Titel der Weissagung aus den Träumen stossen, da im Alten Testament Traumdeutung verboten scheine. Daher wolle er sofort bekennen, dass er für Aberglauben nichts übrighabe. Aber auch einem Christen nütze es, die Schriften der Philosophen kritisch zu lesen und Aberglauben und gottgegebene Naturordnung auseinanderzuhalten. Die meisten Träume seien nichtig, doch die aus der Natur entstandenen seien nicht zu verachten. Aus ihnen könne der Arzt auf den Menschen schliessen, aus einigen - wenn auch zweideutig und unsicher - auch auf die Zukunft. Die Geschichte liefere viele Beispiele, doch dürfe man deren Deutern nicht blind Glauben schenken, ausser bei göttlichen Träumen, wie dem Josephs. 

Den zweiten Teil des Büchleins bildet eine Übersetzung des ersten Buches des Aristoteles über die Zusammensetzung der Lebewesen mit dessen Kommentar aus der Feder des Griechen albanischer Abstammung Nicolaus Leonicus Thomaeus (Epirota, Venedig 1456 - Padua 1531), der als erster schon im 15. Jahrhundert in Padua griechisch über Aristoteles gelesen hat, Autor zahlreicher Werke; die Florentiner Ausgabe der naturhistorischen Schriften des Aristoteles von 1527 war "ex exemplaribus N. Leonici Thomaei diligenter emendata" erschienen. Sein Neffe Magnus Leonicus hat den Druck am 13. Oktober 1540 in Padua dem englischen Kardinal Raynaldus Polus gewidmet. Reginald Pole hatte als Gesandter Heinrichs VIII. und als Privatmann in den 1520er und 1530er Jahren verschiedentlich in Padua gelebt, befreundet mit den Humanisten Bembo, Longolius und Leonicus; 1537 war er zum Kardinal gewählt worden. Magnus Leonicus erklärt in der Widmung, warum er die Übersetzung und den Kommentar seines Oheims nicht sofort nach dessen Tod publiziert habe, zumal so viele Kommentare dazu bisher erschienen seien und dieser nicht weniger erwartet werde, der die aristotelische Dunkelheit erleuchte, die besonders in diesem Buch gross sei. Aber sie seien bisher im grossen Schatz der von seinem Oheim hinterlassenen Bücher verborgen geblieben, trotz langer Suche. Nun seien sie ihm bei der Suche nach anderem zufällig in die Hände gefallen, und das zu der Zeit, da der Papst ihn, Pole, unter die höchsten Väter gewählt habe. Eine Gelegenheit, sie dem Freund seines Oheims zu widmen. Wie das Werk und weshalb es in Basel als zweiter Teil zu den kleinen Übersetzungen Gesners zum erstenmal gedruckt worden ist, erfahren wir aus der Widmung nicht.

B c VII 400

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc VII 400

Illustrationen

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Titelseite

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Erste Vorrede vom Herausgeber Conrad Gesner an Sebastian Sinckeler, Ordinarius für theoretische Medizin an der Basler Universität, Zürich August 1541, 1. Seite

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Erste Vorrede, 2. und 3. Seite

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Erste Vorrede, 4. Seite

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Zweite Vorrede von Conrad Gesner an Aegidius Tschudi, Zürich August 1541, 1. Seite

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Zweite Vorrede, 2. und 3. Seite, gefolgt von griechischem Epigramm

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Dritte Vorrede von Conrad Gesner an Melchior Wirz, Zürich August 1541, 1. Seite

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Dritte Vorrede, 2. und 3. Seite

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Dritte Vorrede, 4. Seite

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Kolophon

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Druckermarke von Bartholomaeus Westheimer