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Arriani Nicomedensis De Epicteti philosophi, praeceptoris sui, dissertationibus Libri IIII, saluberrimis, ac philosophica gravitate egregie conditis, praeceptis atque sententijs referti, nuncque primum in lucem editi: Iacobo Scheggio Medico Physico Tubingensi interprete. Accessit Epicteti Enchiridion, Angelo Politiano interprete. Graeca etiam Latinis adiunximus, ut commodius ab utriusque linguae studiosis conferri poszint... Basel: Johannes Oporin März 1554. 4°.

1497 war das sogenannte Handbüchlein Epiktets, eine kleine Schrift, in der sein Schüler Arrian die Lehre des Freigelassenen, stoischen Popularphilosophen der Zeit um 100 nach Christus zusammengefasst hat, zum erstenmal gedruckt worden, in einem philosophischen Sammeldruck in Bologna, in der lateinischen Übersetzung des Angelo Poliziano. Nachdrucke der Übersetzung folgten 1498 in Venedig, in neuen Sammeldrucken 1508, 1516 usw. vor allem in Strassburg. Griechisch war das Enchiridion zum erstenmal 1528 in Venedig bei Giovanni Antonio Nicolini da Sabbio erschienen, nach einer unvollständigen Handschrift, vollständig 1529 in Nürnberg bei Johannes Petreius. Einem blossen Nachdruck Cratanders in Basel von 1531 (GG 139) folgten Drucke mit jeweils neu hergestelltem Text 1540 in Paris, 1550 in Löwen und nochmals, herausgegeben von Jacques Toussain, 1552 in Paris. In der Zwischenzeit war 1535 in Venedig bei Bartholomeo Zanetti der griechische (und überhaupt) Erstdruck der Nachschriften der Vorträge Epiktets durch den aus Nikomedeia in Bithynien stammenden römischen Offizier, Beamten und Historiker Arrian, zusammen mit dem Enchiridion, erschienen. Von diesen sog. Dissertationes liegt hier der zweite Druck, die erste Übersetzung vor. Für des Griechischen kundige Leser - und Käufer - sind die griechischen Texte, allerdings nicht praktisch gegenüber oder gar zweispaltig, sondern anschliessend, möglicherweise erst nach Druckbeginn, beigegeben worden. Zwischen den lateinischen und den griechischen Texten finden sich noch einige Seiten Annotationes des Arrianübersetzers, des weitherum geachteten Tübinger Professors der Medizin und der Philosophie Jacob Schegk, mit einer kurzen Vorrede an den Leser. Für das Enchiridion hat man auf die alte Übersetzung des Politianus zurückgegriffen. Initiant der Übersetzung Schegks und der Ausgabe ist der Königliche Rat und Sekretär Ferdinands I. Sebastian Sigmar von Schlusslberg. Er hat auch für Oporin bei seinem Herrn das Privileg gegen Nachdruck und Einfuhr dieses Werkes auf sieben Jahre besorgt, das im Anschluss an seine Widmung im Abdruck (exemplum) erscheint. 

Gewidmet hat Schlusslberg die Ausgabe im Februar 1554 dem Kaiserlich-Königlichen Rat, seinem Herrn Johann Jacob Fugger. In dieser kurzen Widmung weist er darauf hin, dass Epiktet die wahre und reine Philosophie Platos vertreten habe (immerhin war er Stoiker...), nur solches gelehrt habe, das zur Sittenpflege, zur richtigen Lebensgestaltung gehöre, dem wichtigsten Teil der Philosophie. Dies habe Arrian bei Epiktet gehört und niedergeschrieben. Er habe daher den Gelehrten Jacob Schegk gebeten, dieses Büchlein ins Lateinische zu übersetzen. Er habe es kenntnisreich getan und auch die schwierigeren Stellen vorzüglich kommentiert. Er habe beschlossen, das alles zum Nutzen der studiosi und der Allgemeinheit zu veröffentlichen. So erscheine jetzt dieser griechische Arrian - seines Wissens in Deutschland noch nie veröffentlicht (was stimmt: s. oben) mit einer lateinischen Übersetzung und Scholien. Ihm widme er ihn, vor allem weil er nicht nur alle Wissenschaften liebe und pflege, sondern sie auch und alle Gelehrten nach Vermögen fördere. Womit er sich grossen Ruhm erwerbe. Das seien die wahren Geistestugenden, der wirkliche Adel, der nie untergehe. Selten seien in ihrer Zeit Reichtum und Adel mit Tugenden und Bildung sowie der Unterstützung der Wissenschaften vereinigt: bei ihm wie bei seinem Vater Raimund Fugger und bei seinem Oheim Anton Fugger. Er möge die Gabe als Dank für Wohltaten gütig annehmen. Dann werde er bald Grösseres bieten.

Schegk selber hat seinen Annotationes zu Arrian eine kurze Vorrede an den Leser vorangestellt: Er habe den Sinn Arrians so gut wie möglich wiedergegeben, doch an schwierigen Stellen brauche es zusätzlich einen Kommentar. Aus Zeitmangel sei es eher ein Versuch als eine abgeschlossene Leistung; man möge es ihm verzeihen. Aber er möchte auch nicht Dank, nur eine Pflicht erfüllt haben. Johannes Alexander Brassicanus hätte es einst, dank seiner Bibliothek und seiner Bildung, vollbringen können, und er hätte es vollbracht, wenn er nicht dahingerafft worden wäre (der Sohn des Tübinger Grammatikers und Pädagogen Johannes Brassicanus war nach Studien in Tübingen als Magister artium und Poeta laureatus 1524 mit seinem Bruder nach Wien gezogen, von wo aus er u.a. auch Basler Drucke durch Ausleihe und Vermittlung von Handschriften förderte, und dort 1539 als Professor der Universität gestorben). Dessen Vorhaben verfolge er hier, doch ohne es ihm gleichtun zu können. Er könne dem Leser nur mit seinem Willen dienen, hoffe aber doch, etwas Licht in den Text gebracht zu haben. Einen vollständigen Kommentar wolle er nicht bieten, sondern nur zu einigen schwierigen Stellen. - Wahrhaft ein "internationales" Unternehmen: in Wien in Auftrag gegeben, in Tübingen verfasst, in Basel gedruckt.

Exemplar B c VII 55 Nr. 1 Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis, Exemplar B c IV 61 aus Besitz des 1552/53 in Basel, am 25.10.1553 in Tübingen immatrikulierten St. Gallers Huldericus Schlumpf, 1555 baccalaureus artium in Basel, dann des Baslers Johannes Fridericus Niger (Schwarz), 1655 Remigius Faesch. Hat etwa Schlumpf den Druck 1554 nach Basel vermittelt?

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc IV 61 | Bc VII 55:1

Illustrationen

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Vorrede von Sebastian Sigmar von Schlüsslberg an den Kaiserlich-Königlichen Rat Johann Jacob Fugger, Wien, Februar 1554, 1. Seite

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Vorrede, 2. Seite

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Vorrede, 3. Seite

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Erste Textseite: Anfang des 'Enchiridion' in der Übersetzung des Angelus Politianus

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Letzte Textseite mit Kolophon

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Druckermarke von Johann Oporin