GG 155
Plotini Platonicorum facile coryphaei Operum philosophicorum omnium libri LIV in sex Enneades distributi. Ex antiquiss. Codicum fide nunc primum Graece editi, cum Latina Marsilii Ficini interpretatione & commentatione. Basel: Peter Perna 1. Juni 1580. Fol.
1559 hatte Peter Perna die Schriften des bedeutendsten Philosophen der griechischen Kaiserzeit und Begründers des Neuplatonismus Plotin in der Übersetzung des führenden Neuplatonikers der Renaissance Marsilius Ficinus nachgedruckt (GG 154); dessen Übersetzung war zuerst 1492 in seiner Heimatstadt Florenz erschienen, dann nochmals 1540 in Köln. Plotin (ca. 205-270) war in Alexandria Schüler des Ammonius Sakkas gewesen; in Rom gehörte zu seinem Kreis dann u.a. sein späterer Biograph und Herausgeber seiner Werke Porphyrius; dieser hat die 54 Schriften in Neunergruppen eingeteilt, woraus der Name "Enneades" entstanden ist. Perna hat seinen Druck selber gewidmet, und zwar den Bürgermeistern und Räten der Stadt Nürnberg; diese hatte 1576 im nahen Altdorf ein Gymnasium auf universitärem Niveau gegründet und den in Basel als Autor, Korrektor, Herausgeber und Dozent tätigen Freiburger Juristen Johann Thomas Freigius als ersten Rektor berufen.
Wie ein Staat - nach Plato - durch die Herrschaft der Philosophen glücklich werde oder wenn die Könige philosophierten, beginnt Perna seine Widmung von Basel, 27. August 1580, so berufe Gott auch die Propheten als seine Stellvertreter. Zwei Normen der Tugend und Wahrheit gebe es: die heilige Autorität und die profane Vernunft. Mit jener beschäftige sich die Theologie, dieser folge, in Nachahmung des Weisen Gottes, die Philosophie, indem sie, die Überreste des Schiffbruchs der Menschheit sammelnd, dem Gesetz der unverdorbenen Natur nachforsche. In Erkenntnis ihres letztlichen Unwissens wende sich diese an den Schöpfer, dem sie ihren Ursprung verdanke. Dies habe Sokrates getan, als er alles auf das Höchste Gute und Schöne zurückgeführt, die Philosophie als eine Vorübung auf den Tod verstanden habe. Aristoteles habe jedes Verständnis auf Sinne zurückgeführt, Glauben im Lernen verlangt, die Freiheit des Philosophen, die allein der Wahrheit verpflichtet sei. Die Philosophenschulen - die jonische von Thales bis Epikur und die italische des Pythagoras - seien dann aber von der Vernunft zur Autorität übergegangen. Nicht so die Akademiker in der Nachfolge Platos, die Kyniker des Antisthenes und deren Abzweigung der Stoa und die Peripatetiker nach Aristoteles. In lebendiger Überlieferung - durch Philosophen selber - und durch ihre Schriften sei die platonische Philosophie nach Italien gelangt: Plotin, den er hier ediere, ein Schüler des Ammonius in Alexandria, belege dies am besten. Bei ihm sei die Philosophie dem Christentum nahegekommen und hätte sich ihm anschliessen können. Doch die übrigen Philosophen hätten alles dagegen unternommen, sich sogar der Magie zugewandt, wie z. B. Porphyrius und Proclus, und die Christen hätten daraufhin mit diesen zu recht verdammten Philosophen zu unrecht auch die Philosophie selber verdammt, ausser einigen wie Justinus martyr, Cyprian, Origenes, die die philosophische Wahrheit vom philosophischen Wahn geschieden hätten. Diese Einführung der Philosophie in die christliche Literatur, die Bekämpfung des Heidentums mit seinen eigenen Waffen, hätte wiederum den Kaiser Julian Apostata die Christen verfolgen lassen. - Plotin aber gehöre zu den ersten, denen Gott gnädig, obwohl sie Gegner des Christentums gewesen seien, klarere Offenbarungen des Messias geschenkt habe als den jüdischen Propheten. Es brauchte nicht viel, um ihn zum Christen zu machen. Doch wenn jener zur christlichen Erkenntnis nicht habe finden wollen oder können, zwinge er heute, aus grosszügigerer Gnade des heiligen Geistes heraus, seine Philosophie dazu, der Theologie zu dienen. Vor einigen Jahren habe er Plotin in der Übersetzung des Marsilius Ficinus herausgebracht (1559), nun habe er ihn, mit Hilfe von vier griechischen Handschriften, drei aus Italien, einer vierten von Johannes Sambucus, Kaiserlichem Hofhistoriographen, der mit seiner literarischen Grosszügigkeit allen Privaten voranstehe, ja den meisten Fürsten gleichkomme, in seiner eigenen Sprache, vermehrt und verbessert herausgeben wollen, den Sprachkennern die platonische Philosophie, die der christlichen am nächsten komme, zur Kenntnis und zur Beurteilung vorzulegen (schon 1535 hatte Johannes Walder eine griechische Plotinausgabe geplant). Hin und wieder sei er im Griechischen richtiger zu verstehen als aus der lateinischen Übersetzung, was aber nicht von Fehlern des Übersetzers herrühre, sondern von der Schwierigkeit des Inhalts und des Stils (Sambucus, aus Tyrnau/Trnava stammend, war, nach diversen Reisen und Studien, als Kaiserlicher Rat und Hofhistoriograph in Wien ansässig und hatte sich dort aus seinem bedeutenden Vermögen eine grosse Bibliothek - u.a. zahlreiche bis dahin unbekannte griechische und lateinische Handschriften - sowie eine Münz- und Kunstsammlung geschaffen). - Nürnberg, das unter den deutschen Städten herausrage, widme er das Werk, da es in einer Zeit, da die meisten in schändlicher Musse - um es nicht schärfer zu sagen - über ihren Staatsverwaltungen brüteten, die Universität Altdorf gegründet habe und durch reich honorierte Berufungen die Bildung für die Zukunft bewahre.
Zwischen den Vorreden des Ficinus und der Vita Plotins Porträtholzschnitt des Ficinus aus Tobias Stimmers Serien für die Giovio-Drucke Pernas und Heinrich Petris (aus Elogia Virorum literis illustrium, 1577, mit anderm Rahmen); von Stimmer auch die Druckermarke auf der Titelseite (von 1575).
B c II 97 Nr. 1
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Bc II 97:1