GG 199
Aristologia Euripideiē hellēnikolatinē.
Aristologia Euripidea Graecolatina. Hoc est, quicquid in Euripide, Tragicorum principe, memorabile est: Sententiae gravissimae, & doctrinae de totius vitae honesta & utili gubernatione, de omnibus quae in hominum vita accidere possunt: cum occasione singulorum dictorum, & accomodatione eorundem, ad marginem Graecum fideliter adscripta. Argumenta... praemissa sunt. A Michaele Neandro Soraviensi... Basel: Johannes Oporin [September 1559]. 4°.
Wie drei Jahre zuvor für Pindar - und im Anhang die übrigen grossen, aber weniger gut überlieferten Lyriker - hat Neander hier für den bis dahin und noch in jener Zeit als der bedeutendste der drei Tragiker geltenden Euripides - der auch am häufigsten gedruckt wurde - eine Sammlung merk-würdiger Passagen und Verse herausgegeben, für die Schule, für Leute, die sich eine Gesamtausgabe nicht anschaffen könnten, für solche, die nicht Zeit hätten, die ganzen Tragödien zu lesen.
Gewidmet hat er die Sammlung am 1. September 1559 - das einzige Datum des Druckes - den Bürgermeistern und Rat der benachbarten Stadt Frankenhausen: Wie Xenophon zu Sokrates bemerkt habe, dass er auch in Spässen seinen Schülern Nutzen gebracht habe, so habe Cicero beim grössten der Tragiker, Euripides, in einzelnen Versen ganze wertvolle Lehren (axiomata) erkannt. Zu Recht werde dieser Autor somit der Jugend empfohlen, zumindest seine wichtigsten Schriften (ein etwas unzeitgemässer Ausdruck für einen der Tragiker des klassischen Athen). Er forme die Sitten, die Studien mit Lebensregeln, Aufforderungen zur Frömmigkeit, nützlich für alles im Leben. Besonders in diesen späten Zeiten der Zerrüttung der Sitten, da die Welt ihrem Untergang entgegen gehe, seien solche wie auch die Schilderungen von Strafen für Untaten nötig. So habe auch Sokrates seine Mitbürger von der Erforschung der Natur, des Übernatürlichen und der Mathematik zur Philosophie der Sitten zurückgerufen, zur ēthikē, zur Besorgung des häuslichen Alltags. Da sich bei Euripides hierzu sehr viel Nützliches finde, habe er für die weniger Bemittelten (pauperes), die sich keinen ganzen Euripides leisten könnten, für die Beschäftigten, die ihn nicht vollständig lesen könnten, und für die Jugend, deren Alter seine vollständige Lektüre noch verhindere, alles Hervorstechende und für das Alltagsleben Geeignete ausgewählt, für die Jugend zugleich als Ansporn, nach diesen Perlen später das ganze Werk zu lesen. Und zur Erleichterung des Verständnisses, auch für die Jugendlichen, die keinen Lehrer hätten, habe er die lateinische Übersetzung daneben setzen lassen und am Rand der Übersetzung Erklärungen zum Inhalt, zur Einordnung in den Zusammenhang, Auskunft über die Personen, am Rand des griechischen Textes Erklärungen zu den einzelnen Stellen, zum Sprachlichen angebracht. Da Neander seine Sentenzensammlung nach den einzelnen Tragödien aufgebaut hat, hat er zudem jeder Sammlung aus einer Tragödie eine Zusammenfassung ihres Inhalts (Argumentum) vorangestellt (was alles verlegerisch geschickt auch schon auf der Titelseite angedeutet ist); zuerst die zehn Tragödien aus der trojanischen Geschichte, nicht chronologisch, sondern nach den Stoffen angeordnet, danach die sieben übrigen. Was die Widmung betreffe, so wisse er, dass sie sein Werk mit Verständnis beurteilen könnten, ganz besonders ihr Bürgermeister Nicolaus Clausius, der Latein und Griechisch beherrsche, der einst in Rom und andern Städten Italiens die Sprachen und das Recht studiert habe, Bürgermeister Jacob Chies, der sich besonders der Mittellosen und der Flüchtlinge unter den Schülern (studiosi) annehme, und ihr Bürgermeister Magister Tillenberg.
Neuerwerbung 1989. Das Exemplar hat im April 1585 der Berner Student Huldrich Trog (Trogus) erworben, der sich im September dieses Jahres an der Basler Universität (Drogus) immatrikuliert hat, am 23. September 1585 auch in Heidelberg; 1588 Pfarrer in König, 1604 am Berner Münster, 1590 Professor der Philosophie in Bern; später im Besitz eines Nicolaus Kohler: A N 77.
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: AN 77