GG 268

Dionis Cassii Nicaei, Romanae historiae libri (tot enim hodie extant) XXV. nimirum a XXXVI ad LXI. Quibus exponuntur res gestae a bello Cretico usque ad mortem Claudij Caesaris, quae est historia annorum circiter CXX. Nunc primum summa fide diligentiaque de Graecis Latini facti, Guilielmo Xylandro Augustano interprete. His accesserunt eiusdem Annotationes, in quib. autoris huius quamplurima aut restituuntur corrupta, aut explicantur obscura loca. Additum est Ioannis Xiphilini a Dione Compendium, Guil. Blanco Albiensi interprete: quae versio ab eodem Xylandro diligenter est, ubi oportuit, castigata. Iidem libri Dionis ac Xiphilini seorsim Graece quoque eduntur, accurate ab eodem emendati... Basel: Johannes Oporin März 1558. Fol.

Text- und philologiegeschichtlich ganz ungewöhnlich, vom erhaltenen Teil des Inhalts des Werkes, der Geschichte der römischen Kaiser, der Ahnen der italienischen Humanisten, her verständlich, ist der erste Druck, der mehr als nur einen winzigen Abschnitt aus dem Geschichtswerk des hohen römischen Beamten Cassius Dio Cocceianus (um 150-235) aus Nikaia in Bithynien bringt, eine toskanische Übersetzung gewesen, aus der Feder des Arztes und Humanisten Nicolo Leoniceno, erschienen 1526, 1533, 1542, 1548 und weiter in Venedig. Und immer noch vor einer griechischen oder lateinischen Ausgabe erschien 1542 in Paris auch eine französische Übersetzung nach der italienischen, von Claude d'Eroziers. Erst 1548 erschien dann in Paris beim Typographus Regius Robert Estienne die erste griechische Ausgabe, und erst hier nochmals zehn Jahre später die erste lateinische Übersetzung. Dio Cassius - oder Cassius Dio Cocceianus - in Rom eine römische Geschichte in griechischer Sprache geschrieben, in 80 Büchern von den Anfängen bis zum Jahre 229, dem Jahre seines Konsulats unter seinem Gönner Kaiser Severus Alexander. Vollständig bekannt sind auch heute noch, wie im 16. Jahrhundert, nur die Bücher 36-60 über die Jahre 69 vor Christus bis 46 nach Christus; Fragmente sind jetzt bekannt aus den Büchern 1-35; Ersatz für die verlorenen Bücher 61-80 bietet zum Teil ein Auszug des Konstantinopler Mönchs Johannes Xiphilinos aus dem 11. Jahrhundert, der die Bücher 35-80 umfasste, aber ebenfalls nicht vollständig erhalten ist. Dieser - die Zeit von Pompeius bis Alexander Severus enthaltend - war 1551 ebenfalls bei Robert Estienne griechisch und in einer lateinischen Übersetzung des Propsts von Albi und späteren Bischofs von Toulon Guillaume Blanc (um 1520-1588) erschienen. Der aus armen Verhältnissen stammende junge Augsburger Baccalaureus artium (Tübingen 1550) Wilhelm Xylander (1532-1576) hat seine Übersetzung am 1. November 1557 seinem Augsburger Gönner Johann Heinrich Herwart gewidmet. Die Übersetzung hat er offenbar im Hause Herwarts angefertigt, wohl nach einem griechischen Exemplar aus dessen Bibliothek. Im Juli 1557 hatte er sich dann, wohl mit dem Vorhaben, diese Übersetzung hier herauszugeben, in Basel immatrikuliert. Am 9. Februar 1558 wird er in Basel zum Magister Artium promovieren und am 22. Oktober eine Professur Graecarum literarum in Heidelberg antreten. Zwei Absichten habe meist, beginnt er seine über 13seitige Widmung, wer seine Arbeit einem hohen Herrn widme: den Grund der Widmung und die Würde und Nützlichkeit des Werkes zu erklären, hin und wieder eine dritte: den Leser in das Werk einzuführen. Hier wisse er, Herwart, den Grund; über den Wert des Autors habe er, Herwart, sich schon längst deutlich geäussert, und in der Geschichte kenne er sich umfassend aus. Ein paar Einzelheiten müsse er dennoch behandeln. Von denen, die sich um die Vertreibung der Barbarei oder, besser, gegen ihre Rückkehr bemühten, gebe es zwei Arten: die Gelehrten, die die Wissenschaften in Wort und Schrift und die ehrbaren Studien verteidigten und voranbrächten, zweitens die Adligen und Mächtigen, die die Studien und ihre Vertreter förderten und aufmunterten. Nur vereinigt seien sie von Wert. Letztere hätten durch ihre Geschäfte zwar oft keine Zeit, sich damit zu beschäftigen. Erstere würden oft, wie er, durch Not und Armut dazu gezwungen. Er habe ihn eine Zeitlang freigebig für die Übersetzung der römischen Geschichten des Dio Cassius bei sich aufgenommen. Dafür würden nicht nur die Historiker, sondern alle Geisteswissenschafter ihm dankbar sein. Er publiziere nicht, um sich einen Namen zu machen. Wer hingegen nur auf die Ehrbarkeit schaue, werde ohne sein Zutun Ruhm ernten. Was Dio betrifft, so bietet Xylander in der Folge zuerst den Wortlaut der Suda: Namen, Herkunft, Beruf, Zeit. Seine römische Geschichte habe er in 80 Bücher eingeteilt, diese in Dekaden gegliedert. Der Beiname laute teils Cocceius oder Cocceianus, teil Nicaeus nach seiner Heimatstadt. Vertrauen verdiene auch die Epitome des Xiphilinus, denn dieser berichte mit den Worten Dios, lasse nur Überflüssiges weg. So spreche in der ersten Person dort Dio, nicht Xiphilinus. Nach Äusserungen in seinen Werken sei er Konsul und Praetor gewesen. Mit solchen Erfahrungen habe er grösste Kenntnisse der römischen Geschichte besessen. Er habe ein Buch über die Träume geschrieben gehabt, und eine Geschichte zu schreiben habe ihn eine Göttin im Traum geheissen. Da sie gefallen habe, habe er beschlossen, eine vollständige Römische Geschichte zu schreiben. Xylander lässt Xiphilinus noch weiter berichten; er habe das hier gerne übersetzt, da die andern (d.h. Blanc) den Sinn nicht getroffen hätten. Nach dem Bericht über einen weiteren Traum weist Xylander darauf hin, dass Dio alles aus direkter eigener Erfahrung geschrieben habe. Das Werk habe mit der Gründung der Stadt begonnen. Die Vorzeit habe er nur kurz gestreift: da solle man Dionys von Halikarnass zur Hand nehmen, für die Kaiserzeit bis zu Alexander, dem Sohn der Mammaea (Marcus Aurelius, Sohn der Julia Avita Mammaea, war von Elagabal adoptiert worden), dass Dios, für einzelne Provinzen Appian. Doch es sei nicht einmal ein Drittel des Werkes erhalten geblieben, die ersten 36 Bücher verloren, nur 25 erhalten (deren letzte vier so verstümmelt, dass die Pariser Ausgabe in ihnen zwei Bücher gesehen habe, was er in seinen Annotationes zu Buch 57 berichtige). Auch der Epitomator Xiphilinus ums Jahr 500 habe die ersten 34 Bücher nicht mehr gehabt, die letzten allerdings wohl. So vermute er, dass die Vitae der Kaiser nach Claudius noch irgendwo verborgen lägen oder von Neidern - wie andere Autoren - versteckt würden, oder erst vor kurzem untergegangen seien, während die ersten 34 Bücher wohl schon lange vernachlässigt worden und untergegangen seien, da diese Zeit Dionys von Halikarnass und Appian ausführlicher behandelt hätten. Das stütze jene Vorrede eines Sammlers der Bücher Appians, der dessen Italienbuch deshalb weggelassen habe, weil diese Ereignisse bei Dionys ausführlicher behandelt seien, wohl jene Bücher über die Könige, die er mit andern nicht erhaltenen in einer andern handschriftlichen Vorrede von ihm erwähnt gefunden habe. In der Tat werde gesagt, dass in Italien 38 Bücher Dions lateinisch gedruckt worden seien, und als er auf dem Weg von Augsburg nach Basel sich in Zürich mit Gelehrten getroffen habe, habe ihn der gelehrte und ehrenwerte Italiener Laelius Socinus (der Glaubensflüchtling Lelio Sozzini weilte, mit Unterbrüchen, seit 1548 in Zürich) freundschaftlich darüber informiert. Aber er habe nirgends genau erfahren können, von wo bis wo diese Bücher gingen und von wem sie herausgegeben oder übersetzt seien und er wundere sich, dass sie nie in Deutschland gesehen worden seien, obwohl er viele Gelehrte danach gefragt habe. Er vermute, dass es sich um etwas von Xiphilinus handle, dem Merula (der Philologe und Historiker Giorgio Merula) ja Teile des Xiphilinus zugeschrieben habe (vermutlich hatte ein Informant den italienischen Druck mit einem lateinischen verwechselt; es ist auch heute kein solcher bekannt). Natürlich wünsche er, dass so viele Bücher, oder noch mehr, erhalten seien, und er hoffe, dass diese seine Arbeit auch andere zur Suche und Verbreitung dieses Autors veranlasse. Doch um auf die Bücher zu kommen, die er in der Pariser Ausgabe des hochverdienten Robertus Stephanus von 1548 in Händen habe, statt vergeblich den gemeinsamen Verlust zu beklagen, er wundere sich, dass diese bisher nicht übersetzt worden seien. Über den Nutzen der Geschichte und speziell der an Beispielen reichen römischen sei schon genug geschrieben worden; doch alle diese Forscher hätten sich kaum mit Dio befasst. Dabei finde sich bei ihm viel über die römischen Gesetze und Einrichtungen, das die älteren Autoren, als ihren Zeitgenossen bekannt, weggelassen oder nur obenhin erwähnt hätten, dessen Unkenntnis aber vieles bei der Lektüre der Klassiker (classicorum autorum) erschwere. Worauf Xylander solche Institutionen aufführt, deren Wesen in seiner Zeit umstritten, die aber bei Dio klar beschrieben seien. Zudem habe er den Geschichtsablauf, der bis dahin nur bei verschiedenen Autoren stückweise überliefert gewesen sei, in seinen Zusammenhang gebracht, und nicht nur den Ablauf, sondern auch die Ursachen und Entwicklungen dargestellt. Er könnte 600 Stellen von Cicero und Sallust bis zu Plutarch und Appian anführen, die man allein aus Dio erklären oder wiederherstellen könne. Er gebe wenigstens ein Muster dafür in den Annotationes. Nicht nur für seine Stoffe sei Dio zu lesen, sondern weil man bei ihm auch lernen könne, wie Griechisches lateinisch auszudrücken sei und wiederum auf schwer verständliches Lateinisches Licht falle. Dazu sei der zweisprachige Weg der beste und sicherste, aber auch der leichteste und angenehmste. Sein Stil sei nicht ungepflegt, aber seiner Zeit entsprechend dem Stoff angepasst. Er füge gewichtige Merksätze ein, lasse in den Reden die Charaktere hervortreten, würze sie mit Lebenslehren. Einiges aus diesen Reden habe schon zuvor verdient gehabt, lateinisch herausgegeben zu werden (hier meint Xylander wohl das Redenpaar, das Celio Secondo Curione 1553 in einem Sammeldruck bei Johannes Oporin lateinisch veröffentlicht hatte). Seine vorliegende Arbeit wolle er, noch jung und unerfahren, dennoch nicht lange rechtfertigen. Er glaube, bei anständigen Menschen eher Dank als Tadel zu ernten. Da er sich von jung auf mit der hohen Literatur (bonae literae) beschäftigt, dafür aber auch viel Feindschaft erlitten habe, glaube er, der Gelehrtenwelt (Reip. literariae) möglichst schnell einen Ertrag schuldig zu sein. Er, Herwart, habe ihm gestattet, den Dio in seinem Namen erscheinen zu lassen. Er tue das umso lieber, als in den acht Jahren seit Erscheinen der Pariser Ausgabe sich noch niemand um den so nützlichen und lesenswerten Autor gekümmert habe und er, nicht aus Ehrgeiz, sondern wegen seiner ärmlichen Lebensverhältnisse hoffe, sich damit einen Namen schaffen zu können. Er habe daher, als er bei ihm geweilt habe, das Werk Dios, bzw. seine Reste, so getreu und gewissenhaft wie möglich übersetzt. Allfällige Fehler möge man ihm bei der schwierigen Arbeit verzeihen: mit seiner Jugend, seinem Mangel an Übung, der kurzen Frist von sieben Monaten, vor allem aber mit der Schwierigkeit, aus guten griechischen gute lateinische Bücher zu machen, die der kenne, der es versucht habe. Es sei eine Kunst, den Text nicht nur zu verstehen, sondern ihn auch lateinisch, passend, beredt wiedergeben zu können. Zudem habe er nur die Pariser Vorlage zur Verfügung gehabt, deren Verderbtheit und Verstümmelung an unzähligen Stellen ihr Drucker Robertus Stephanus freimütig eingestehe. Wenn er noch anderes zum Vergleich gehabt hätte, hätte er an manchen Stellen wohl mehr erreicht; kein Buch sei so schlecht, dass es nicht irgendwo etwas helfe. Der gelehrte Nicolaus Leoniceus habe vor einiger Zeit Dio italienisch herausgegeben, er habe ihn auch französisch gesehen (vgl. oben). Doch da ihm das Schicksal die Kenntnis dieser Sprachen verwehrt habe, habe ihm das nichts genützt. Immerhin habe er Stellen vieler Autoren zum Vergleich beigezogen. Was er erreicht habe, zeigten die Verbesserungen und Erklärungen in den Annotationen und der griechische Druck, der gleichzeitig, verbessert gegenüber seinem Vorgänger, erscheine (obwohl sogar auch auf der Titelseite aufgeführt, ist dieser griechische Druck nicht erschienen; die nächsten griechischen Drucke nach 1548 erschienen erst 1591 in Genf bei Henri Estienne und 1592 in Frankfurt, beide mit der Übersetzung Xylanders). Er lobe Robertus Stephanus in höchstem Masse, doch er wisse, dass auch seine Verbesserungen anerkannt und geschätzt würden. Er möge seinen - eigenen - Dio, den er und alle als den seinen betrachten würden, gütig aufnehmen und zu seinen bisherigen lateinischen Historikern zurückstellen. Er dürfe sicher sein, dass er seiner würdig sei. Die Verzögerung, dass er nicht mehr auf die vergangene Messe (d.h. im September) habe erscheinen können, habe er zu einer nützlichen Ergänzung benützt: Er habe die Kurzfassung des Xiphilinus, die schon vorher übersetzt gewesen sei (s. oben), zwar wegen anderer Arbeiten nicht neu übersetzt, aber verbessert beigefügt und auch den griechischen Text, der gleichzeitig erscheine (vgl. oben), an unzähligen Stellen verbessert. Er habe nicht mit Fremdem glänzen wollen. Er habe viel verbessert, die Annotationes ergänzt, die Verbesserungen des Xiphilinus belegt und einen umfangreichen Index zusammengestellt (dieser ist denn auch reichhaltiger angelegt, mit Hinweisen auf Zusammenhänge, als gewöhnliche Indices), viele Fehler beim Durchlesen (inter relegendum) ausgemerzt und selber die einzelnen Seiten, bevor sie in die Presse gegangen seien, durchgesehen und verbessert. All das widme er jetzt ihm.

Dieser ausführlichen Widmung, die uns zeigt, dass der junge Xylander beim Druck seiner Dio-Übersetzung zugleich bei Oporin als Korrektor um Verdienst mitgewirkt hat - auch wenn dieser die von beiden geplante parallele griechische Ausgabe (seorsim) dann eingespart hat - lässt er noch eine dreiseitige Elegie auf seinen Dio folgen, der Oporin in einer kürzeren an seinen Xylander antwortet, in dieser Antwort auch schon auf Xylanders späteren Leib- und Schicksalsautor zu sprechen kommt, auf Plutarch. Der verbesserten Xiphilinus-Übersetzung von Blanc ist dessen Widmung aus Rom vom Februar 1540 beigegeben (S. 423-425). In seiner kurzen Vorrede zu seinen Annotationes auf S. 621 kommt Xylander nochmals auf die Klage von Estienne über seine schlechte Textvorlage zu sprechen, bevor er auf seine Verbesserungen hinweist.

Ex libris Bibliotheca Academiae Basiliensis: B c I 42 Nr. 1

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc I 42:1

Illustrationen

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Titelseite

Buchseite

2alpha/r: Anfang der Vorrede Wilhelm Xylanders mit Widmung an Johann Heinrich Herwart datiert vom 1. November 1557.

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2alpha/v: Vorrede Wilhelm Xylanders, 2. Seite.

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3alpha/r: Vorrede Wilhelm Xylanders, 3. Seite.

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3alpha/v: Vorrede Wilhelm Xylanders, 4. Seite.

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4alpha/r: Vorrede Wilhelm Xylanders, 5. Seite.

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4alpha/v: Vorrede Wilhelm Xylanders, 6. Seite.

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5alpha/r: Vorrede Wilhelm Xylanders, 7. Seite.

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5alpha/v: Vorrede Wilhelm Xylanders, 8. Seite.

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6alpha/r: Vorrede Wilhelm Xylanders, 9. Seite.

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6alpha/v: Vorrede Wilhelm Xylanders, 10. Seite.

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1beta/r: Vorrede Wilhelm Xylanders, 11. Seite.

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1beta/v: Vorrede Wilhelm Xylanders, 12. Seite.

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2beta/r: Vorrede Wilhelm Xylanders, 13. Seite.

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2beta/v: Schluss der Vorrede Wilhelm Xylanders und Anfang der Elegie auf Cassius Dio.

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1ar: Anfang des Liber XXV der römischen Geschichte des Cassius Dio Cocceianus.

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1Nr: Titelseite zur Geschichte der römischen Kaiser von Cassius Dio Cocceianus.

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3Nv: Anfang der Geschichte der römischen Kaiser des Cassius Dio Cocceianus.

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1Ggr: Kurze Vorrede Wilhelm Xylanders zu seinen Annotationes.

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+Kk / +Ll: Illustration der Kaisergenealogie von Julius Caesar bis Nero.

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Kolophon