GG 318
Hippocratis medicorum omnium principis Epidemiōn liber sextus, a Leonardo Fuchsio medico latinitate donatus, & luculentissima enarratione illustratus, iam recens non aestimandis vigilijs ab autore recognitus, multisque in locis auctus, ac in lucem editus. Adiecta sunt ad calcem operis graeca, ut diligens lector haec ipsa cum latinis conferre poszit. Basel: Johannes Bebel und Michael Isingrin 1537. Fol.
Die ersten Arbeiten von Leonhard Fuchs (1501-1566) sind 1530-1535 in Hagenau und Strassburg im Druck erschienen, der erste Basler Druck 1535 bei Johann Bebel. 1532 waren seine Übersetzung und Kommentar zum 6. Buch der Epidemien - der an einem Ort heimischen Krankheiten, anhand von einzelnen Krankheitsfällen beschrieben - des Hippokrates ein erstes Mal bei Johannes Secer in Hagenau erschienen, mit dem griechischen Text des Aldus aus der Gesamtausgabe von 1526, ein Jahr nach dem Erscheinen einer Übersetzung des Kommentars Galens zum ersten Buch in Paris. Die Bücher 1, 3 und 6 erschienen in neuer Übersetzung 1534 ebenfalls in Paris, sämtliche 7 Bücher 1535 in Krakau, Buch 2 mit Kommentar zuerst 1560 in Basel (GG 324). Als echt gelten heute allein die Bücher 1 und 3; im hier erscheinenden Buch 6 sah Galen, wie in Buch 2 und 4, ein Werk des Sohnes des Hippokrates Thessalos, des Leibarztes des Königs Archelaos von Makedonien Mitte des 4. Jahrhunderts, auf Grund von Papieren des Vaters mit eigenen Zusätzen verfasst. Seine Übersetzung des sechsten Buches der Epidemien und seinen Kommentar hat Fuchs von Tübingen aus am 1. März 1537 dem Markgrafen Albrecht von Brandenburg gewidmet. Obwohl er sich vor dem Übersetzen, das nicht nur Sprachen-, sondern auch Sachkenntnis verlange und zudem meist mehr Schmähungen als Lob eintrage, immer gescheut habe, beginnt er die Widmung, habe er sich, als fünf Jahre zuvor ein gewisser Calvus einen langweilig und ungetreu übersetzten Hippokrates geboten gehabt habe (die erste Gesamtübersetzung: Rom 1525), zur Übersetzung wenigstens eines Buches durchgerungen, und zwar des sechsten Buches der Epidemien, das am meisten von Fehlern gestrotzt habe, obwohl es für alle Ärzte eines der wichtigsten sei. Daher habe er, damit die Übersetzung des Calvus nicht die des Griechischen nicht Mächtigen hinters Licht führe, da viele sie für treffend hielten, das Buch getreu und gewissenhaft zu übersetzen begonnen und zu kommentieren, um seine Übersetzung zu rechtfertigen und die Nachlässigkeit des Calvus zu zeigen. Dabei habe er ihn zuweilen recht heftig angegriffen, in der Hoffnung, damit vielen zu nützen, damit sie dank dieser Mahnung sich hüteten, ohne Kenntnis der Medizin griechische Ärzte, vor allem den dunklen frühen Hippokrates, ins Lateinische zu übersetzen, da hier die falsche oder ungenaue Übersetzung eines Satzes, ja eines einzigen Wortes, nicht ohne Gefahr, sogar grosse Gefahr sei, da es, anders als in andern Künsten, um Menschenleben gehe. Weiter habe er mit den Angriffen auf Calvus den Irrtum jener aufzeigen wollen, die von der Überflüssigkeit von Griechischkenntnissen für Ärzte daherplapperten, da nunmehr ja sämtliche Schriften der griechischen Ärzte ins Lateinische übersetzt seien, wie wenn für alle feststehe, dass ein Übersetzer nirgends irren könne, obwohl doch bekannt sei, dass sogar diejenigen, die jetzt für die besten Übersetzer gälten, am schlimmsten phantasiert hätten, was er vielleicht in einem Büchlein hierüber bezeugen werde. Doch wie sehr er auch die Irrtümer des Calvus zum Nutzen anderer habe nachweisen wollen, dürften manche das nun aus Missgunst und Streitsucht geschehen sehen - zu welcher Stelle, ohne Nennung im Text - als Marginalie der Hinweis "Notatur Michael Villanovanus" beigedruckt ist (von Michael Servetus ist im selben Jahr 1537 in Paris eine Syruporum universa ratio erschienen, zuvor theologische Schriften in Hagenau). Aber das teile er mit vielen Gelehrten. Obwohl er in seiner ersten Übersetzung (Hagenau 1532) Calvus weit übertroffen habe, so dass keine neue anzufertigen gewesen wäre, habe er für den wegen der Fehler der Drucker nötigen Neudruck doch vieles zu ändern für nötig befunden, da er dort die hippokratische Kürze und die Wörter, hier eher die Macht der Wörter und den Sinn habe wiedergeben wollen. Bei einem Vergleich dürfte man das Werk kaum wiedererkennen. Zahlreiche Sätze habe er geändert, Kommentare erweitert. Schliesslich habe ihn die Hochschätzung der Übersetzung nicht nur durch die Ärzte, sondern auch durch andere Gelehrte zu dieser zweiten Ausgabe veranlasst, besonders durch ihren Philipp Melanchthon, der niemand, auch keinem Italiener und Franzosen nachstehe (dieser Satz ist, da Melanchthon auf dem Index prohibitorum librorum stand, im heutigen Basler Exemplar gestrichen), was sein diesem Werk vorangestellter Brief bezeuge (auch dieser ist formell gestrichen). Daher wolle er nicht mehr länger jenes Buch voller Fehler in den Händen der tüchtigen Männer sehen, sondern habe es sofort zum Druck in feineren Typen dem gebildeten und gewissenhaften Johannes Bebel übersandt, der es auf sich genommen habe, alle seine Schriften zu drucken (sie sind in der Folge denn auch mehrheitlich in Basel, bei Robert Winter, Oporin und vor allem bei Bebels Schwiegersohn und Nachfolger Isingrin erschienen). Er sei überzeugt, dass niemand den verstümmelten Kommentar Galens zu diesem sechsten Buch der Epidemien auf Lateinisch übersetzen werde, denn dies angemessen zu leisten, scheine ihm unmöglich. Um das Buch dennoch den Medizinern brauchbar zur Verfügung zu stellen, habe er die Arbeit unternommen, ohne Rücksicht auf jene barbarischen Ärztlein, denen nur arabischer Mist gefalle und die seine Werke, die jenen überall vertrieben, gewiss nicht gutheissen würden. Ihm widme er das Werk, da er ihm grossen Dank schulde. Denn als er ihn vor bald zwei Jahren durch den viel zu früh verstorbenen hochgelehrten Juristen und Rechtsreformer Johannes Apellus mehrmals mit verschiedenen Versprechungen an seinen Hof zu ziehen versucht habe, habe er ein Zeichen des Dankes verdient. Er hätte dies schon längst eingelöst, wenn nicht jemand es bösartig verhindert hätte. Zudem werde das Werk unter seinem Schutz vor Giftzähnen sicher sein, überrage er doch sowohl durch seine Frömmigkeit wie durch seine Liebe zu den Wissenschaften alle übrigen Fürsten Deutschlands bei weitem. Dass keiner die Gelehrten besonders schätze, sei allgemein bekannt, da sie an den Höfen zutiefst verachtet lebten. Eine Widmung würde man dort nicht anschauen, geschweige denn mit einem Geschenk beantworten. Gescheiter wäre es, jenen ein Hündlein zu schenken als ein Buch, das ihr Lob singe. Kräftige Jäger wünschten sie zu sein. Er aber lade Gelehrte aller Fächer freundlich und mit Belohnungen an seinen Hof ein und fördere sie dort grosszügig. Er wisse, dass es erfahrene Berater in allem brauche. Und wenn irgendmöglich, stehle er sich Zeit für die Wissenschaften, im besondern die Geschichte. Er scheine da Kaiser Aurelius Alexander (Severus) vor Augen zu haben, der zu allen Geschäften gelehrte und gebildete Männer wie Ulpian beigezogen, in seiner freien Zeit Platos Staat und Ciceros Pflichten gelesen, stets ein Buch bei Tisch gehabt habe. Möchten doch heute alle Fürsten Alexanders und seinem Beispiel folgen, die eher fein gekleidete und schmuckbehangene Adlige als Gelehrte zu Tische lüden, um mit ihnen über die Grösse der Becher, die Jagd und das Würfelspiel zu diskutieren. Hierauf rühmt Fuchs ganz besonders die Unbestechlichkeit Albrechts gegenüber auch dem Staat schädlichen Ohrenbläsern und wünscht sich, dass sich die Fürsten hierin Alexander Severus zum Beispiel nähmen und wie jener mit solchen verführen. Mit seiner Beredsamkeit komme er Peisistratos gleich, mit seiner Kriegskunst Hannibal, wie sein Grossvater Albrecht Achilles, sein diesem gleicher Vater Friedrich, sein einstiger Herr, ohne den Kaiser Maximilian keinen Krieg geführt habe. Die Übung habe er, wie sein Krieg gegen Polen gezeigt habe, in den Kriegen mit seinem Vater erworben, die Theorie bei der Geschichtslektüre. Hinzu komme seine Ausdauer in Anstrengungen, gleich Alexander dem Grossen. So beschäftige er sich nur selten und nur nach Erledigung aller seiner Aufgaben mit den Vergnügungen der übrigen Fürsten seiner Zeit, mit Jagd und Würfelspiel. Diese glaubten, es genüge, wenn sie ihre Geschäfte oft nichtsnutzen Ratgebern überliessen, die sie wie Narren und Hörige am Seil herumführten. Oft kämen schlechte Fürsten zu schlechten Räten. Er hingegen entscheide selber. Daher sein guter Ruf bei allen Gelehrten Deutschlands. Als deren einer widme er ihm sein Werk, als Zeugnis seiner Wertschätzung. Seine gnädige Aufnahme werde ihm zu Grösserem Mut machen.
In seiner inhaltlich kürzeren, nur durch ihre weitgehende Zweisprachigkeit um weniges umfangreicheren Vorrede, in der Fuchs immer wieder ausführlich Galen im Urtext zu Worte kommen lässt und danach jeweils übersetzt, behandelt er, worauf man sich auch hier durch Inhaltsmarginalien hinleiten lassen kann und worauf er zu Beginn hinweist, um das bisher aus Unkenntnis seines Zweckes und wegen seiner Knappheit vernachlässigte Buch den Ärzten seiner Zeit nahe zu bringen, Autor, Titel und Aufbau, um so die gerade hier wichtige Absicht des Autors zu zeigen. So zitiert er mehrere Aussagen Galens, dass die Bücher 2, 4 und 6 nach älteren Quellen von Hippokrates selber oder seinem Sohn Thessalos stammten, das 7. Buch unecht und spät, das fünfte von einem jüngeren Hippokrates, nur 1 und 3 gesichert. Dass Thessalos die Bücher 2 und 6 aus Notizen seines Vaters Hippokrates auf Blättern und Tafeln zusammengestellt habe. Dass die Bücher 1 und 3 für die Publikation verfasst seien. Daraus folgert Fuchs, dass es nicht von Bedeutung sei, ob Buch 6 nun von Thessalos oder von seinem Vater selber stamme. Sein Inhalt empfehle es ins Handgepäck der Ärzte. Der Titel könne eine Volkskrankheit bezeichnen, die mehrere zugleich an einem Ort treffe, jede beliebige allerdings, nicht einfach die Pest. Eine harmlose epidemische Krankheit sei eine Volkskrankheit, eine tödliche die Pest, wofür Fuchs wiederum Galen zitiert. Da in diesem Buch jedoch, anders als im ersten und dritten, kaum solche Krankheiten vorkämen, habe man gemeint, das Buch habe keinen eigenen Titel. Zudem sei die Art der Lehre hier aphoristisch, wie auch Galen zeige: es bestimme ganz kurz die Eigenheiten einer Sache. Im ersten und dritten Buch würden zuweilen auch die Örtlichkeiten beschrieben, wo eine Krankheit im Volk herrsche, daher die Formulierung des Titels, der nicht die Reisen des Hippokrates meine. Im sechsten Buch finde sich solches selten. Daher meine Galen, dem zweiten und sechsten Buch fehle der Titel. Aber man könne den genitivischen Titel auch von epidēmia, peregrinatio ableiten. Das sechste Buch enthalte solche und könne daher sechstes Buch der Reisen genannt werden. So habe es Philipp Melanchthon, die grosse Zierde unseres Deutschlands (was wieder zum Schutz vor der Inquisition durchgestrichen ist), in einem Brief an Peter Burcard nennen wollen. Doch der Titel sei unwichtig, wenn man nur die Absicht des Hippokrates richtig erfasse. Doch nicht nur dieses, sondern alle übrige (ausser 1 und 3) seien früher geschrieben, als Hippokrates noch Anschauungen aus Untersuchungen zu gewinnen gesucht habe, wie Galen bezeuge. Die früheren Epidemienbücher enthielten Beobachtungen aus Untersuchungen, als Hippokrates noch keine allgemeinen Lehrsätze aufzustellen gewagt habe, Notizen als Stützen des Gedächtnisses, zum Eigengebrauch, nicht zur Veröffentlichung bestimmt und nicht nach Abschluss der Behandlungen niedergeschrieben. Nichts habe die erste Formulierung (rhēsis: dictio) gemein mit der zweiten wie die dritte mit jenen. So enthalte das Buch auch keine Zusammenfassungen, sondern erste Skizzen, oft rätselhaft durch die Kürze der Andeutungen, so dass etwas zum richtigen Verständnis des Hippokrates zu fehlen scheine. Auch seien die Sätze oft nicht grammatikalisch richtig konstruiert, weshalb die alten Übersetzer überall so unterschiedliche Lesarten sich ausgesonnen hätten. Es verwundere nicht, dass Hippokrates in diesem Buch zuweilen die grammatischen Regeln vernachlässigt habe: es sei ein hypomnēma, ein Notizbuch zur Erinnerung an alte Beobachtungen aus dem Augenblick und sorglos hingeschrieben ohne vollkommene Formulierung und Ordnung der Einzelheiten. Und wieviel Dinge auch Dunkelheit in das Buch gebracht hätten, er habe sich bemüht, Licht hineinzubringen. Wenn er nicht überall sein Ziel erreicht habe, dürften ihm dies sogar halbwegs gerechte Richter verzeihen, da er sich als erster an das Buch gewagt habe, vor dem bisher nicht nur die Deutschen, sondern auch die Italiener zurückgeschreckt seien (dies stimmt und besagt doch nicht alles: schon 1527 war in Lyon eine lateinische Übersetzung mit Kommentar des Ioannes Alexandrinus erschienen, 1534 in Paris eine Übersetzung Herman Croesers der Bücher 1, 3 und 6).
Neuerwerbung von 1947: l r 346 (Vorbesitzer die Ärzte Jacobus Girbau, Joannes Pavera, Petrus Dowes, Franciscus Selva).
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: lr 346