GG 346
Pedacii Dioscoridae Anazarbei Simplicium medicamentorum, reique medicae Libri VI. Interprete Marcello Vergilio secretario Florentino. Quibus accessit, praeter pharmacorum simplicium catalogum, novus omnium fere medelarum sive curationum index. Basel: Andreas Cratander und Johannes Bebel August 1532. 8°.
1529 war bei Johannes Bebel nach zwei Drucken des Aldus Manutius von 1499 und 1518, gleichzeitig mit einer zweisprachigen Kölner Folioausgabe der erste Basler Druck der Sammlung sog. einfacher Heilmittel des Dioskorides griechisch erschienen (GG 345). Die erste neuzeitliche lateinische Übersetzung, diejenige des Venezianer Humanisten Hermolaus Barbarus (1453-1493), war erst lange nach dessen Tod 1516 in Venedig erschienen (nach dem Druck der mittelalterlichen lateinisch-alphabetisch geordneten Bearbeitung in Colle di Val d'Elsa von 1478), im selben Jahr in Paris diejenige des Freundes Guillaume Bude's und Leibarztes König Franz I. Jean de la Ruelle (1474-1537); 1518 war dann in Florenz bei den Erben Philippo Giuntas eine dritte Übersetzung des beliebten pharmakologischen Handbuchs des römischen Militärarztes aus Kilikien erschienen, aus der Feder des Florentiner Sekretärs und Professors Marcello Virgilio Adriani (1464-1521), im selben Verlag nochmals 1523. Die Übersetzung des Ruellius ist 1526 nochmals in einer unbedeutenderen Bologneser Druckerei, 1527 in Venedig und 1529 in Strassburg bei Johannes Schott, hier in einer grossen Ausgabe zusammen mit dem Kommentar Barbaros von Otto Brunfels herausgegeben, erschienen. Cratander und Bebel entschieden sich für die Übersetzung Adrianis und für das handliche Oktavformat, nachdem bisher alle lateinischen Drucke ausser Bologna 1526 und Venedig 1527 Folianten gewesen waren: für ein praktisches kleines Vademecum für den Arzt auf seinen Krankenbesuchen, auf die er natürlich weder eine griechische Ausgabe noch ein umfangreiches Kommentarwerk zum Nachschlagen mitnehmen wollte. Diesem Zweck sollte dann auch der - neben dem herkömmlichen Catalogus der behandelten Heilmittel - neuartige alphabetische Index der Bresten und Krankheiten mit den darunter jeweils aufgeführten Heilmitteln und -methoden, die man dann wieder im Catalogus nachschlagen konnte, dienen. Um Verwechslungen der beiden Register in der Eile vermeiden zu helfen, ist zudem der Catalogus oder Index der Heilmittel im Vorspann vor dem Text des Dioskorides, der Index der Krankheitsbehandlungen von den Druckern im Anschluss an diesen eingefügt. In seiner Vorrede an den Leser - den Medizinstudenten und vor allem den praktizierenden Arzt - führt Cratander (der nach den Druckersigneten auf Titel und Schlussblatt bei diesem Druck führend gewesen zu sein scheint) mit, nebenbei, einer erstaunlich frühen Erkenntnis der Unvollkommenheit jeder Textherstellung diese Überlegungen aus: Auf Wunsch zahlreicher studiosi der Medizin (was keineswegs nur Studenten sind), Dioskorides in Handbuchform und kleinerer Schrift (ohne die Ersteres natürlich nicht möglich wäre) zu drucken, damit er ihnen unterwegs nützlich sein könne, habe er/hätten sie (durch den auch bei einem einzigen Drucker üblichen Pluralis majestatis lässt sich nicht entscheiden, ob er hier jeweils nur in seinem oder in beider Drucker Namen spricht), nachdem er gerade in der Medizin schon zahlreiche Autoren mit grossen Kosten und vieler Arbeit herausgebracht habe (was eher auf Cratander als Bebel zutrifft), beschlossen, diese leicht mitnehmbare Dioskoridesausgabe ihm, dem Leser, anzubieten. Er weist darauf auf den Wert des Kompendiums hin, das schon Galen empfohlen habe. Er habe auf Empfehlung einiger Gelehrter die Übersetzung des Marcellus Vergilius gewählt; nicht dass er diejenigen des Hermolaus Barbarus und Johannes Ruellius verurteile, sondern weil Vergilius durch Beiziehung ältester griechischer Handschriften und Vergleich verschiedener lateinischer Übersetzungen kürzlich habe wiederherstellen können, was dieser mangels griechischer Handschriften (Ruelle), jener durch seinen unverhofften Tod (Barbaro) nicht habe ausführen können bzw. habe unverbessert lassen müssen. Allerdings habe auch dieser aufmerksame Übersetzer nicht alle Flecken ausmerzen können, was auch der grösste Gelehrte ohne den wirklichen Archetyp - das hiesse gewissermassen: die Handschrift des Dioskorides - gar nicht zu versuchen brauche. Wo er auf eine verderbte, lückenhafte oder zusammenhanglose Stelle gestossen sei, habe er sie dem Leser mit einem kleinen Stern (dem üblichen asteriscus) angegeben, ein Zeichen grösster Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit. Ebenso gälten die eingeklammerten Bezeichnungen in den Kapitelüberschriften allgemein als unecht und vom Text des Dioskorides zu trennen (S. 21 auch ein solcher Tilgungsvorschlag im Text). Schliesslich weist Cratander auf die beiden alphabetischen Indices hin, einen der sogenannten einfachen Arzneimittel (Gegensatz: die zusammengesetzten) und einen, der, nach Krankheiten geordnet, deren Heilmittel und -methoden aufführe, so dass sämtliche im Werk enthaltene Heilkunde und die Heilmittel für die einzelnen Krankheiten ohne Mühe aufzufinden seien. Der Leser solle sich nicht an unterschiedlichen Schreibweisen für gleiche Dinge stossen. Das finde sich bei den anerkanntesten Autoren, an die er sich halte. Wenn er in die Geheimnisse der Natur (secretiora naturae) einzudringen wünsche, möge er Dioskorides ohne zu zögern lesen.
Neuerwerbung 1954: 1 s 771
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: ls 771