GG 353

Paulou Aiginētou iatrou aristou, biblia hepta...

Pauli Aeginetae medici optimi, libri septem... Omnia haec, collatione vetustissimorum exemplarium, magna fide ac diligentia emendata & restituta, necnon aliquot locis aucta, ut hic liber plane nunc primum e tenebris erutus, in lucem prodijsse dici possit... Basel: Andreas Cratander August 1538. Fol.

1528 ist bei Aldus Manutius die griechische Erstausgabe des grossen Handbuchs der praktischen Medizin des bedeutenden alexandrinischen Arztes des 7. Jahrhunderts Paulos von Aigina erschienen, eine Ausgabe, die keinen guten Text bietet, was auch schon von den Übersetzern der beiden lateinischen Erstdrucke von Basel, Andreas Cratander und Johannes Bebel März 1532 (GG 351), Albanus Torinus, und Paris 1532, Johannes Guinterius Andernacus, bemerkt worden ist. Unser Druck, der zweite des griechischen originalen Textes, ist bis ins 19. Jahrhundert gültig geblieben. Paulos war zu seiner Zeit und im Mittelalter dann in arabischer Übersetzung vor allem als Praktiker berühmt; gleichzeitig mit der arabischen dürfte im 9. Jahrhundert auch schon eine lateinische Übersetzung entstanden sein. Den Lehren aus seinen Quellen Galen und Oribasius hat Paulus einige neue Erkenntnisse aus seiner Praxis beigesteuert. Herausgeber unseres Druckes ist der Basler Mediziner Hieronymus Gemusaeus; gewidmet hat er die Ausgabe, wie den 5. Teil der grossen Galenausgabe (GG 337) des selben Jahres, dem Bischof von Coutances Philippe Cossé, aus Basel, den 1. August 1538. Die Medizin sei unvergleichlich unter den Freien Künsten, beginnt er die Widmung, die sich zu einem Plaidoyer für die Lektüre in der Originalsprache mit Hinweisen auf die Schwierigkeit, fast Unmöglichkeit einer adäquaten Übersetzung auswächst, sie umfasse sie alle. Und er, Cossé, verstehe die Zusammenhänge und danach zu entscheiden. Das erstere bildeten Paulus Aegineta und die Männer, die durch ihren Einsatz seine fast göttlichen Schriftdenkmäler vor dem Untergang in dieser Zeit retteten. Wenn man diese Ausgabe mit ihrer Vorgängerin (s. oben) vergleiche, erkenne man den Unterschied, ebenso gross wie zwischen Hippokrates, Galen, diesem Paulus, sogar Avicenna und der ganzen Barbarenschule. Man müsse diese Kunst bei ihren Erfindern selber suchen: das seien die Autoren der griechischen Schule. Auch wenn den Meistern der arabischen Schule Urteilskraft in der Auswahl, jeder Fleiss in der Nachahmung zuzugestehen sei, so stünden sie doch so weit unter den Griechen, wie Aristoteles und Zenon über ihren peripatetischen und stoischen Nachfolgern, jeder geübte Künstler über den Angehörigen seiner Schule. Und wenn man die Werke der Araber auch kennen müsse, die Lehre müsse man bei denen holen, deren Forschungen jene übernommen hätten, womit sie ihre Kenntnis bis vor der jetzigen Generation ausgelöscht hätten. Die Araber hätten ihre Kenntnisse von den Griechen übernommen und den Lateinern als ihr Eigenes übergeben. Und es habe wirklich geschienen, dass es nichts gebe, was man nicht aus den Büchern der Araber lernen könne. Man habe sie nicht kritisch beurteilt sondern angebetet. Schon durch die mehrfache Übersetzung habe es zu Fehlern kommen müssen. Ein Vergleich mit den Griechen zeige, wie oft jene sich selber widersprächen und den Griechen, falsch, dumm, zweideutig, einfach unverständlich. Gleichgültig ob dies von den Übersetzern ins Latein oder schon von denen ins Arabische herrühre, man dürfe diese Texte nicht den Anfängern vorlegen, sondern erfahrene Männer müssten sie erst prüfen. Diese Ansicht gelte heute allgemein. Es brauche nun noch ein zweites, um die Kunst vor allem Unglück zu bewahren. Er habe es ihn schon wünschen hören und es dauere nicht mehr lange in seinem Frankreich, bis auch alle andern Autoren, besonders die ernsten Fächer, in ihrer Sprache gelesen würden. Dieser sein Wunsch habe ihn sehr erfreut und hoffen lassen, dass die Jugend auf seine und andere Stimmen hin sich dem Unterricht in den Gymnasien Frankreichs widme und eine neue Welt und ein neues Jahrhundert hervorbringe. Aber nun hoffe er es nicht mehr allein, sondern sei sich dessen gewiss, seit der französische König (Franz I.) mit dem Kaiser Frieden geschlossen habe. Es wäre somit überaus förderlich, und zwar für die ganze Menschheit, wenn die jungen Mediziner die klassischen Autoren (Classicos illos scriptores) in der Sprache läsen, in der die Medizin begründet, entwickelt und vollendet worden sei. Und das gelte ganz besonders für Hippokrates und Galen. Beim Lesen einer Übersetzung sei man nie vor Fehlern sicher, seien sie nun aus Eile, Unzuverlässigkeit, durch absichtliche Änderung, aus Unvorsichtigkeit des Übersetzers entstanden. Anderseits gebe es heute Leute, die durch die Kritisierung anderer, sogar solcher, deren Kenntnisse sie hoch achten sollten, sich Ruhm zu erwerben suchten. Es sei schliesslich überaus schwierig, vollkommen zu übersetzen; man könne kaum etwas so wiedergeben, wie dies der andere getan, in seinen Geist schlüpfen, bei allem jeden Gesichtspunkt beachten und berücksichtigen. Ein guter Übersetzer brauche Begabung, Unterricht von früh auf, die besten Lehrer. Er müsse richtig und falsch unterscheiden können und es für andere darstellen. Aus der Erkenntnis heraus, dass zum grossen Schaden der Medizin alles aus den arabischen Kommentaren geholt werde, bemühe man sich heute, die Jugend zu den Autoren selber zurückzuführen, und denjenigen, die keine griechische Schule besuchen könnten, Übersetzungen zu bieten. Doch richtiger sei, zu den Autoren selber zurückzuführen. Worauf Gemusaeus auf den Zusammenhang zwischen Schulunterricht und - als Folge - ungenügenden Übersetzungen hinweist, aber auch auf scheinbar geringe Fehler hochverdienter Übersetzer wie Hermolaus Barbarus, die einen Sinn völlig verändern könnten, sowohl bei Galen wie bei Paulus. Darum biete er diesen jetzt in seiner Sprache. Über seine Stellung in der Medizin sei zu sagen, dass sein Werk eine Epitome der ganzen Kunst sei, aus den besten älteren Autoren, besonders Galen und Oribasius, zusammengefasst. Deren Nutzen sei klar, zumal das menschliche Leben kurz sei. Nach Hippokrates und Galen sei Paulus als dritter zu studieren. Lächerlich die Leute, die, sobald sie ein Büchlein der sog. Praktiker in Händen hielten, voller Experimente, Zaubereien und Altweiberfabeln, glaubten, damit eine neue Welt geschaffen zu haben. - Bei den Arabern scheine Avicenna als erster den Stoff in Kapitel eingeteilt zu haben, doch nicht in der stoffgerechten Reihenfolge und viel zu weitschweifig. Bisher sei Avicenna an den Hochschulen vorgelegt worden, damit die Schüler das Wissen kapitelweise lernen könnten. Hierzu eigne sich Paulus viel besser, durch die richtige Anordnung und seine Knappheit. Das führt Gemusaeus nun in einzelnen Punkten auf fast vier Seiten aus, bis er nur zum Schluss nochmals kurz auf den Grund und die Wahl der Widmung zu sprechen kommt. Am Schluss des Bandes hat Gemusaeus mit kurzer Einleitung an den Leser Loci ex Paulo annotati, d.h. kurze Erläuterungen aus vorangehenden Ausgaben, zusammengestellt.

Exemplar L e I 5 Nr. 2 Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis, zusammengebunden mit der Hippokratesausgabe von Froben und Episcopius vom selben Jahr.

Im März 1543 ist bei Cratander nochmals eine Ausgabe erschienen, bzw. sind die Restexemplare der Ausgabe von 1538 mit einer neu gesetzten Lage D, auf der nun die Loci ex Paulo annotati, die sich zu einem selbständigen Heft und Druck ausgewachsen haben, weggelassen worden sind, in den Verkauf gelangt; so lässt wenigstens das Basler Exemplar L f II 14 Nr. 2, das mit Bonifacius Amerbachs Exemplar der nun selbständigen Annotationes zusammengebunden ist, annehmen.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Le I 5:2 | Lf II 14:2

Illustrationen

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Titelseite

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2ar: Vorrede des Herausgebers Hieronymus Gemusaeus, mit Widmung vom 1. August 1538 an Philippe Cossé, Bischof von Coutances, 1. Seite (von 10).

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6av: Vorrede, 10. Seite.

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1br: Beginn der Schrift des Paulus Aegineta.

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1bv: Inhaltsverzeichnis des ersten Buches.

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2br: Fortsetzung des Inhaltsverzeichnis und Anfang des 1. Buches des Paulus Aegineta.

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3Dv: Annotationes, 1. Seite (von 6).

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6Dr: Schluss der Annotationes und Kolophon.

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6Dv: Druckermarke von Cratander.

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Titelseite der 1543 als eigenständiger Druck erschienenen Annotationes (nun mit einem Umfang von 60 Seiten).

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Titelseite der 1543 herausgegebenen, teilweise neu gesetzten Ausgabe von 1538.

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3Dv: Kolophon der 1543 herausgegebenen, teilweise neu gesetzten Ausgabe von 1538.