GG 367
Artemidori Daldiani philosophi excellentissimi, De somniorum interpretatione, Libri quinque, Iam primum a Iano Cornario medico physico Francofordensi, latina lingua conscripti. Basel: Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius September 1539. 8°.
Erste lateinische Übersetzung des klassischen antiken Werkes über Traumdeutung, von Artemidor von Daldis, d.h. aus Ephesos, aber in Daldis (Lydien) lebend, aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts nach Christus. Der griechische Erstdruck war 1518 bei Aldus Manutius in Venedig erschienen (die nächsten griechischen Drucke erst 1603 in Paris und 1805 in Leipzig). Sofort nach unserem ersten lateinischen Druck (nochmals in Basel 1544, Nachdruck in Lyon 1546) erschienen denn auch die ersten volkssprachlichen Übersetzungen: 1540 italienisch in Venedig, 1555 französisch in Lyon, 1563 englisch in London und um 1570 vom Nürnberger Arzt, Mathematiker und Literaten Walter Hermann Ryff deutsch in Strassburg. Die Übersetzung ist ein Werk des aus Zwickau stammenden Arztes, Erforschers griechischer medizinischer Handschriften und Übersetzers Janus Cornarius; gewidmet hat er sie am 1. September 1538 aus Frankfurt, wo er damals als Stadtarzt tätig war, dem Leibarzt Kardinal Albrechts von Brandenburg Philipp Pucheymer und dem Leibarzt Philipps von Hessen Johannes Megobacchus (Meckback), zuvor Professor der Medizin in Marburg (1495-1555).
Ihm sei wohl bewusst, beginnt er die Widmung, dass man in ihrem unruhigen Jahrhundert nicht ein Werk dieses Inhalts erwarte, und ungünstig aufnehme, was er von Artemidor, einem deutlich fleissigen und klugen Philosophen, übersetzt habe. Hui, werde man rufen, Träume erzähle er ihnen, während sich die Besten bemühten, endlich eine echte Frömmigkeit und die Wahrheit des Evangeliums auf der Welt aufleuchten zu lassen. Wessen bedürfe es jetzt weniger, als Träume, leere Täuschungen, Nichtigkeiten den Lateinern mitzuteilen, dazu von einem Autor, der sogar in seiner Zeit den heidnischen Philosophen nicht als glaubwürdig gegolten habe. Dennoch scheine es ihm falsch, das herrliche Werk länger unbekannt bleiben zu lassen. Und wenn es unter ihren berühmten Namen erscheine, hoffe er, dass gewisse Laute schwiegen oder nach besserer Kenntnis wahrhaftiger zu sprechen lernten, da es keinen grösseren und schädlicheren Wahn gebe als leere Einbildung eines Wissens und ein nicht nur unpassendes, sondern sogar bösartiges Urteil über Unbekanntes. Dem verdanke man, dass unfähige Leute über die grössten Dinge, die Wissenschaften und die Religion, falsche Meinungen verbreitet hätten. Ihnen, die sich gegen solche Urteile zur Wehr setzen würden, widme er dieses Werk und möchte ihnen eine Einführung über die Träume vorausschicken. Dass die Traumdeutung eine nützliche Kunst und nicht als heidnisch und eitel zu verachten sei, sondern auch fromm von den Christen auszuüben. Dass man nur sachlich und nüchtern über Träume urteile. Wie Träume einem bekannt sein könnten, der nie einen wahren Traum gehabt habe, wie sie nur haben könne, wer frei sei von irrationalen Vorstellungen, unbelastet von Essen, Trinken oder überflüssiger Feuchtigkeit und nicht körperlichen Freuden hingegeben. Denn diese hätten nicht Träume (somnia), sondern Albträume (insomnia), die nicht Zukünftiges ankündigten, sondern die gegenwärtigen Verfassungen und Lüste des Körpers, die auch die Tiere kennten. Diese Unterscheidung sei nötig. So gehöre die Kunst der Traumdeutung zur Weissagung, während Albträume zu untersuchen Sache der Ärzte sei, die aus ihnen die Ursachen der Krankheiten erkennen könnten. Über die Träume habe Hippokrates ausführlichst geschrieben und die Alten hätten ihre Deutung mit Recht der Weissagung zugewiesen, mit mehr Recht als Opfer-, Leber und Vogelschau, nicht weniger als die Astrologie. Die vier Arten der Weissagung anerkenne auch Artemidor, alles andere als Betrug. Daher verstehe er eine Ablehnung der Traumdeutung nicht, zumal sie nicht nur in den Schriften der Heiden empfohlen, sondern auch in den heiligen Schriften als ein göttliches Gut verheissen werde. Worauf Cornarius Joël Kap. 11 zitiert und auf die Evangelien, Joseph bei Trogus und Josephus, Abraham bei Philo hinweist und Quintilian zitiert, dass auch Traumdeuter Wahrsager (coniectores) seien. Und aus der Sammlung vieler Überlegungen und Feststellungen sei schliesslich die Kunst entstanden und in ihr Artemidor der bedeutendste Autor, wie seine fünf Bücher zeigten. Daher habe sich ihre Übersetzung gelohnt. Lächerlich wer die Lektüre dieser Bücher als Gesprächsstoff für Hofdamen empfehle, aber nicht für Glauben und Wahrheit, da wahre Träume auf die Zukunft hinwiesen, ihnen zu vertrauen nicht Aberglaube, sondern Frömmigkeit sei. Allerdings sähen nur wenige, verstünden und beobachteten noch weniger und könnten nochmals weniger wahre Träume deuten und daraus sei die Verachtung der Kunst erwachsen. Er wolle nicht Beispiele hervorragender Staatsmänner oder Gelehrter anführen, die sich durch einen Traum hätten leiten lassen, nicht Ärzte, die bei Behandlungen ihren Träumen vertraut hätten. Deren kennten sie genug. In der Folge erzählt Cornarius den Traum des Hippokrates, der ihn geleitet habe, als er zu Demokrit gerufen worden sei, als Beispiel, wie nötig die Beobachtung und Deutung von Träumen und Albträumen für die Ärzte sei. Er hoffe, dass die Gelehrten dank der Schutzherrschaft der beiden angesehenen fürstlichen Ärzte seine Arbeit anerkennten, und wolle nicht einzelne wiedereingerenkte und geheilte Stellen vorlegen, wolle kein Lob ausser der Anerkennung durch die Gelehrten, dass die Einrenkungen für ihn keine geringere Arbeit gewesen seien als die Niederschrift dieser Stellen selber für Artemidor (ein Hinweis, der ähnlich - fast topisch - öfters in Vorreden von Herausgebern und Übersetzern erscheint).
Neuerwerbung um 1983 (ein Vorbesitzer: Marques de Astorga): Rb 520.
Das Basler Exemplar des seitengleichen Nachdrucks aus der selben Offizin vom Januar 1544 hat 1548 Heinrich Pantaleon erworben, dann 1645 Remigius Faesch aus der Bibliothek Maximilian Pantaleons: D F VIII 10.
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: DF VIII 10 | Rb 520