GG 373
Institouta Theophilou antikēnsōros.
Institutiones Iuris civilis in Graecam linguam per Theophilum Antecessorem olim traductae, ac fusissime planissimeque explicatae: nunc vero primum in lucem restitutae & recognitae, cura & studio Viglii Zvichemi Phrysij. Quarum eximiam utilitatem eiusdem praefatio ad Opt. Max. Imp. Carolum abunde declarat... Basel: Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius März 1534. Fol.
Als erster Druck griechischen Rechts in Basel erscheint, mit Widmung an und speziellem Privileg von Kaiser Karl V. gegen Nachdruck auf vier Jahre vom 1. Oktober 1533, hier der erste Druck der griechischen Bearbeitung der Institutionen Justinians durch einen der Mitarbeiter am Corpus iuris - Codex, Digestae und Institutiones - Justinians, Theophilos Paraphrastes bzw. Theophilus Antecessor, Lehrer der Jurisprudenz in Konstantinopel im sechsten Jahrhundert, von dem auch - fragmentarisch - ein Index zu den ersten neunzehn Büchern der Digesten erhalten ist. Herausgeber ist der junge niederländische Rechtsgelehrte Wigle Aytta aus Zwichem (Viglius Zvichemus, 1507-1577), der nach Studien in Löwen und Dôle, wo er Gilbert Cousin kennen lernte, 1529 in Valence in den Rechten doktoriert hatte, seit 1529 mit Erasmus befreundet ist, nach weiteren Studien in Bourges, Orléans und Paris 1531 Bonifacius Amerbach in Basel und Erasmus in Freiburg besucht hat, noch im Herbst 1531 nach Padua gezogen ist und dort von 1532 bis Oktober 1533 an der Universität Zivilrecht gelesen hat. Auf dem Heimweg in die Niederlande im Herbst und Winter 1533/34 hat er wieder Amerbach in Basel und seinen berühmten Landsmann Erasmus in Freiburg besucht, dem er am 17. Januar 1532 auch von einem Besuch bei den Nachfolgern seiner sparsamen Arbeitgeber von 1507/08, des Aldus Manutius und Andreas Torresanus Asulanus berichtet hatte.
Viglius resümiert in seiner 21seitigen Widmung an Karl V. von Padua, 31. Mai 1533, zunächst die Geschichte des römischen Rechts, das von den Zwölf Tafeln zu einer ungeheuren Menge von Konstitutionen und Kommentaren angewachsen sei, so dass Caesar, dann Augustus versucht habe, es ordnen zu lassen, dass es dann, durch die Kenntnis der griechischen Sprache und aller Wissenschaften bereichert Gordian wieder habe ordnen lassen, schliesslich die nun noch folgenden kaiserlichen Erlasse Justinian, während im Westen bis zum sächsischen Kaiser Lothar vor etwa 400 Jahren (Lothar III.: 1075-1137) nichts geschehen sei, dass das lateinische Zivilrecht nun in Italien wieder auferstehe, sich über ganz Europa ausbreite, überall Universitäten (gymnasia) entstünden, dass es aber wieder an der Zeit sei, dass Kaiser Karl als ein neuer Justinian eingreife, ordnen und Unnötiges zurückschneiden lasse, damit es nicht in Verruf gerate, so unübersichtlich sei es für die Lernenden und für die Prozesse geworden, auch durch Gleichgültigkeit von Druckern. Er rühmt die italienischen Bibliotheken, als Kostbarstes die Florentiner Pandekten (die Haloander für seinen Druck von 1531 hatte benützen können) und weist auf die bedeutendsten Rechtsgelehrten seiner Zeit hin: Alciat, Zasius, Budé und den zu früh der Wissenschaft entrissenen Haloander, der als erster die griechischen Pandekten, Codex und Novellen ediert und übersetzt habe. Möge ein anderer seine Ausgabe der Florentiner Pandekten vollenden (sie sind dann 1553 in Florenz erschienen, Bonifacius Amerbach hat den Druck noch im selben Jahr erworben). Viele Streitereien könnten aus den Quellen beigelegt werden, von denen erst wenige herausgegeben seien. Statt dessen suche man sich Tagesruhm aus immer wieder aufgewärmtem Kohl. Er gebe hier nun als erster die griechischen Kaiserlichen Erlasse (Institutiones) heraus und widme sie ihm als dem höchsten Gerichtsherrn. Die Kaiserlichen Erlasse, die einst Justinian den studiosi lateinisch zur Verfügung gestellt habe, sollten griechisch dem Kaiser gewidmet werden. Fürsten müssten philosophieren, da sei für die jungen Fürsten, seinen Sohn Philipp, das Recht die geeignetste Philosophie. Und der griechische Text kläre vieles im lateinischen; noch mehr, und mehr Leuten werde er nützen, wenn er einst auf lateinisch übersetzt werde (das ist sehr rasch geschehen: schon 1536 ist die erste lateinische Übersetzung in Antwerpen erschienen; weitere Drucke folgten in rascher Folge). Wichtig sei es, eine Kunst von Grund auf zu lernen. Da das menschliche Leben aber kurz sei, seien die Institutionen, die kurz zusammenfassten, was in Pandekten und Codex in ganzen Titeln und Büchern erklärt werde, dafür am geeignetsten. Als erster habe Angelus Politianus in seinen Miscellanea griechische Institutionen veröffentlicht und darauf hingewiesen, dass sie, für Fremde, die römischen Einrichtungen ausführlicher beschrieben als der lateinische Text (Florenz 1489). Da die Griechen sich aber immer bemüht hätten, den römischen Ruhm zu verdunkeln, und nur nicht lateinisch lernen zu müssen, hätten sie mit Erlaubnis Justinians das Corpus ins Griechische übersetzt, worauf die zusätzlichen Neuen Konstitutionen griechisch verfasst - und von einem Halbgebildeten ins Latein übersetzt worden seien. Von Justinians drei Rechtsschulen in Rom, Beiruth und Konstantinopel sei schliesslich Konstantinopel geblieben. Polizian habe das Interesse geweckt und auch viele Deutsche hätten nun nach den Quellen gesucht, Conrad Heresbach habe sich auf der Suche sogar nach Italien begeben, Scholien verfasst, warte aber mit deren Druck, da er keinen griechischen Text gefunden habe. Ihm habe, auf Empfehlung des Erasmus von Rotterdam, der berühmte Pietro Bembo in Padua eine Handschrift (exemplar) aus der Bibliotheca Marciana besorgt. Diesem verdanke nun nicht nur Venedig seine Geschichte, sondern auch sämtliche studiosi des Rechts diesen edelsten Schatz der Rechtsgelehrtheit. Eine zweite Handschrift (exemplar), die dann auch zahlreiche Verbesserungen der ersten ermöglicht habe, habe ihm Johannes Baptista Egnatius verschafft (seine Abschrift danach ist mit seinen Korrekturen erst nach Druckbeginn in Basel eingetroffen, wie wir aus einem Nachtrag der Drucker erfahren: s. unten; Giambattista Egnazio lehrte in Venedig 1496-1549 und war in der Offizin des Aldus Manutius als Korrektor tätig). Diese Institutionen hätten die von Polizian geweckten Erwartungen übertroffen, seien unverzichtbar für alle Lebenslagen. Die Übersetzung scheine von Theophilus zu stammen, der sie auch durch Erklärungen leichter verständlich gemacht habe, so dass auch Anfänger weniger Mühe damit hätten. Nach der Vorführung einiger Bespiele weist Viglius darauf hin, dass in seinen beiden Handschriften der erste Titel - über die Gerechtigkeit und das Recht - gefehlt habe, sei es aus Absicht des Theophilus oder Nachlässigkeit der Kopisten (librarii) und dass er ihn, der Vollständigkeit halber, griechisch übersetzt habe. Ihn könne man ersetzen, wenn man ein vollständigeres Exemplar finde, was es, besonders in Italien, gewiss noch gebe. Keine dieser Handschriften sei aber die Polizians gewesen, obwohl dieser eine gehabt haben müsse. Die Bembos sei von Kardinal Bessarion hinterlassen worden; in ihr seien die Titel lateinisch, die in der des Egnatius griechisch seien. Er habe es vorgezogen, erstere zu benützen, sei es da er sie zuerst bekommen habe, sei es weil er sie nach der sorgfältigen Abschrift nochmals durchgelesen und seine Abschrift mit diesem Archetyp nochmals verglichen habe, wobei ihm die Brüder Hieronymus und Marcus Agnino geholfen hätten. Alleine hätte er es neben seinen öffentlichen Vorlesungen nicht schaffen können. Die griechischen Titel habe er, damit man nichts vermisse, der Vorrede folgen lassen (dort finden sie sich synoptisch mit den lateinischen aufgelistet), die zum Auffinden geeigneteren bekannteren lateinischen im Text belassen. Ein Bild der figürlich beschriebenen Verwandtschaftsgrade, wie man sie den Jugendlichen verständlich mache, finde sich wie im lateinischen auch im griechischen Text nicht. Der umfassend gelehrte Bonifacius Amerbach habe ihm aus einem alten Band der griechischen Canones (den er auch 1561 Agylaeus für seine Ausgabe des Nomocanonus des Photius [GG 377] zur Verfügung gestellt hat), in dem dieser Titel der Institutionen enthalten sei, eine formula angeboten, die er in seine Ausgabe habe einfügen lassen (S. 168: Theodorus Balsamon, Commentarius in canones SS. Apostolorum et Conciliorum: heute Mscr. A III 6). Das dürfte etwa die von Justinian oder seinen Helfern vorgestellte Figur gewesen sein; die Bezeichnung als Baum oder Stamm dürfte von jüngeren Kommentatoren herrühren. Der Übersetzer werde in beiden Handschriften Theophilos genannt. Er habe einst gemeint, es sei der Theophilos, der mit Tribonian und Dorotheos die lateinischen Institutionen geschaffen habe. Wer es auch gewesen sei, er müsse nahe der Zeit Justinians gelebt haben. Die barbarischen Juristen würden den griechischen Text überflüssig finden. Doch die Griechen hätten unser früh übersetztes Recht kommentiert, als in Italien noch jahrhundertelang die langobardischen und andere barbarische Rechte gegolten hätten, die aus Pisa stammenden Florentinischen Pandekten seien erst 1036 geschrieben, während in Konstantinopel alle Wissenschaften, besonders die Jurisprudenz bis vor achtzig Jahren stets geblüht habe. So seien die Griechen hier keineswegs den Lateinern hintanzustellen. Wer wage es, Bessarion, Georgius Trapezuntius, Theodorus Gaza und Argyropulos zu verachten. Gewiss wären auch griechische Rechtsgelehrte erschienen, wenn unter ihren Griechischschülern sich einer um das Recht bemüht hätte. Dass die griechischen Scholien treffender und richtiger seien, könne er aus eigener Erfahrung sagen. In der Folge belegt Viglius dies mit Beispielen, u.a. mit Fehlern der lateinischen Interpreten, die erst Hermolaus Barbarus und Bartholomeus Socinus ausgeräumt hätten, setzt sich mit Lesarten Haloanders, der gordische Knoten gelöst habe, und des Accursius auseinander, weist die Bartolisten darauf hin, dass Bartolus, der sich sogar um das Hebräische bemüht habe, gewiss griechisch gelernt hätte, wenn er den jetzigen Nutzen geahnt hätte. Manche dürften eine lateinische Übersetzung wünschen, andern missfalle das ganze Bemühen, griechische Autoren ins Lateinische zu übersetzen, da dies zum Nachteil der schönsten Sprache geschehe. Wozu lerne man Französisch und Italienisch, wenn nicht für Geschäfte und Handel; wenn man die in der Muttersprache betreiben könnte, würde sich niemand die Mühe nehmen. Ebenso würde, wenn alle griechischen Werke ins Lateinische übersetzt würden, niemand mehr griechisch lernen. Doch es habe nicht jeder Zeit, griechisch zu lernen, vielen fehlten Lehrer; es gebe zwar Beispiele, dass jemand im Alter griechisch gelernt habe, aber es sei nicht jedermanns Sache, sich im Alter wie Cato und Augustin von seinen Geschäften weg wieder auf die Schulbank zu setzen. Er hätte gern diese griechischen Institutionen auch selber lateinisch erscheinen lassen, doch neben seinen Vorlesungen habe ihm die Zeit zum Übersetzen gefehlt. Er habe es darum wichtiger gefunden, dass sie zunächst griechisch erschienen, dass man sich nicht aus Bequemlichkeit zuerst auf die Übersetzung stürze. Die Jugend solle auch nicht auf eine Übersetzung warten, sondern anhand des griechischen Textes Sprache und Recht lernen. Er hoffe, dass das Griechische einst dem Rechtsgelehrten nicht weniger nütze als den Ärzten, Theologen und Philosophen, deren Fächer gewissenhaft griechisch behandelt seien. Er hoffe, dass bald auch die alten griechischen Kommentare zum Zivilrecht erschienen. Kein noch so guter Übersetzer gehe nirgends fehl. So werde man auch an Theophilus manches auszusetzen haben, manchen werde sein unreines Griechisch missfallen. So schrieben eben schon die ältesten Rechtsgelehrten von lēgata und inkolai. Es handle sich schliesslich um römisches Recht, was die Griechen entschuldige, zudem um eine Fachsprache. So träfe man auf den deutschen und französischen Gerichten auf Ausdrücke in der einheimischen Volkssprache; so hätten auch die Ärzte, die ihr Wissen aus griechischen und lateinischen Autoren hätten, die lateinische Sprache mit fremden Wörtern gefüllt. Schliesslich fänden viele lateinische Autoren es schön, wenn ihr Stil nach Griechischkenntnissen rieche. Viglius schliesst mit dem Hinweis, dass wohl kein studiosus seine Vorrede zu lang finden werde, nochmaliger Widmung, der Beteuerung, dass er diese Erstausgabe so getreu wie möglich nach den Handschriften gemacht und in der wohl führenden Offizin ganz Deutschlands schön habe drucken lassen.
Dem Impressum haben die Drucker eine Notiz an den Leser folgen lassen, in der sie darauf hinweisen, dass ihnen nach dem Beginn des Druckes eine zweite Abschrift des Viglius mit Korrekturen zugekommen sei, dass sie es darum für anständig hielten, seine Verbesserungen bis zu dieser Stelle hier aufzuführen. Daraus, dass die knapp zweiseitige Liste von Verbesserungen die Vorrede und die Seiten 1-96 umfasst, lässt sich ersehen, wie weit der Druck (und Satz) zu diesem Zeitpunkt gediehen war.
Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis: M d V 1 Nr. 1.
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Md V 1:1