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Sibylliakōn Chrēsmōn logoi oktō.
Sibyllinorum Oraculorum libri octo, multis hucusque seculis abstrusi, nuncque primum in lucem editi. Adiecta quoque sunt Lactantij excerpta de his testimonia, cum Annotationibus, per Xystum Betuleium Augustanum... Basel: Johannes Oporin März 1545. 4°.
1495 war ein erster Orakelspruch der Erythräischen Sibylle im Anhang an einen Sammeldruck mit den Idyllen Theokrits in Venedig bei Aldus erschienen, nochmals 1515 in einem Hesioddruck Giuntas in Florenz, den, zusammen mit dem Theokritdruck Giuntas vom selben Jahr, der Basler Drucker Johannes Herwagen besass und aus Strassburg nach Basel mitgebracht hat. Die Aldine besassen die Brüder Amerbach. Nach einer Handschrift der Augsburger Stadtbibliothek erscheint hier der erste Druck sämtlicher dieser Weissagungen der "Sibyllen": eine anonyme Sammlung von rund 4200 Hexametern aus älteren heidnisch-antiken, jüdischen und christlichen Prophezeiungsgedichten zusammengestellt. Der Herausgeber, der Dichter und Augsburger Schulrektor Sixt Birk, mit den Basler Druckern von seinen Basler Studien-, Korrektoren- und Rektorenjahren bekannt, lässt die griechischen Orakel in Basel drucken. In seiner Widmung vom 29. Oktober 1544 an die Brüder Thomas und Ambrosius Blaurer/(Blarer), Jurist und Bürgermeister bzw. Prediger und Reformator von Konstanz, preist er den "philophilus" Bonifacius Lycosthenes und seine "polyphilia", der ihm die Zuneigung der beiden Blaurer gewonnen habe, denen er hierfür die bisher verschollenen Orakel widme. Bei der Erklärung der Bücher De Divina institutione des Laktanz in seiner Schule, die voll seien von Zeugnissen der Sibyllinen, habe er vermutet, mit der Handschrift einen glücklichen Fund getan zu haben. Ein Vergleich der Zitate bei Laktanz mit der Orakelhandschrift habe zudem den christlichen Gehalt der Sprüche belegt sowie die Deutung der 4. Ekloge Vergils auf die Ankunft Christi, was Rom sich merken solle. Sie seien den jüdischen Propheten nahe, nüchtern Deuterinnen des Willens Gottes. Spätere dürften durch Übersetzung und Kommentar noch zu besserem Verständnis beitragen, wozu ihm Zeit und Kenntnisse fehlten. Er habe aus ihnen zusammengesucht, was zur Erklärung des Laktanz beitragen könne. So habe er dieser Ausgabe auch die Laktanzvergleiche beigegeben.
In einem Geleitbrief an Oporin, den dieser als Nachwort abgedruckt hat, weist Birk ähnlich darauf hin, dass ihm unter allen griechischen Handschriften die der Sibyllinen besonders gelegen gekommen sei, wegen des Nutzens für seine Laktanzerklärung in der Schule. Mit Recht, denn er habe fast alle die zahlreichen Zitate in irgendeiner Form in der Handschrift gefunden, doch die meisten korrekter. Welches Licht auf beide Quellen durch den Vergleich! Auch die von Aldus aus Eusebius getrennt gedruckten Akrosticha habe er gefunden, die bei Augustin lateinisch erhalten seien, weiter ein Zitat aus Sozomenos. Zuweisungen an die einzelnen Sibyllen enthalte die Handschrift nicht, die könne der Leser aber selber leicht feststellen oder dem Laktanztext entnehmen. Deshalb gebe er seine private Collatio als Annotationes bei; dem Text solle der Drucker hingegen marginal nur die Zahlenhinweise - indexartig - auf die Bücher des Laktanz und Augustins und die wenigen Marginalien der Handschrift beifügen. In einem kurzen Nachwort an den Leser fügt Betuleius bei, dass er mehr aus Zeitgründen nicht habe leisten können, dass er sich aber eine Übersetzung und Kommentare von anderer Hand erhoffe. Der Drucker gibt schliesslich noch lateinische Orakel zur Geburt Christi bei, die ihm sein Freund Gilbert Cousin - der ehemalige Famulus des Erasmus - aus einer alten Handschrift zugesandt habe.
A N V 63
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: AN V 63