GG 461

Sibyllina Oracula de Graeco in Latinum conversa, et in eadem Annotationes. Sebastiano Castalione interprete... Basel: Johannes Oporin August 1546. 8°.

Die von Betuleius von anderer Hand erhoffte Übersetzung folgt beim selben Drucker schon ein Jahr nach dem griechischen Druck. Sie stammt vom Theologen und Humanisten, Vorkämpfer der Toleranz Sebastian Castellio (Châtillon, 1515-1563), der seit 1544 in Basel lebt, hier aber erst 1553 eine Professur, für griechische Sprache, erhalten hat. Er widmet die Ausgabe im Mai 1546 Maurus Musaeus, d.h. Antoine Morelet du Museau (um 1500-1552), Sekretär König Franz I., als Anhänger der Reformation 1533-1537 im Exil in Basel, wo er sich 1546 als Gesandter Frankreichs am Nadelberg niederlässt. In der zwanzigseitigen Widmung verteidigt Castellio die Echtheit, Göttlichkeit der Sibyllinen gegen die Thesen christlicher Fiktion bzw. Unchristlichkeit. Für die Echtheit spreche auch, dass sie bis in tarquinische Zeit hinauf bezeugt seien, dann bei Cicero, Vergil, dessen 4. Ekloge nicht auf einen Sohn Pollios, sondern auf Christus weise. Die Orakel zeigten nun Vergils Quelle. Als Fälschungsanreiz läge zudem anderes näher: z. B. die verlorenen Komödien Menanders und lateinische Übersetzungen Ciceros. Auch Varianten in den Zitaten bei Laktanz und andern wiesen auf hohes Alter der Quelle hin. So habe er erfahren und mitteilen wollen, wo sich Handschriften befänden und habe von Betuleius, der Oporin die griechische Abschrift gesandt habe, erfahren, dass er eine Handschrift in der Augsburger Bibliothek gefunden habe, unter Büchern, die der Rat kürzlich in Venedig von einem Griechen gekauft habe. Die Handschrift sei jungen Datums, schön, aber orthographisch mangelhaft geschrieben. Weiter besitze der Gelehrte Marcus Antonius Antimachus in Ferrara (Marcantonio Antimaco, Humanist und Dichter, lehrte in Mantua und Ferrara) eine Handschrift. Dieser habe sie mit dem Druck Oporins verglichen und Oporin Verbesserungen gesandt, die er für seine Übersetzung benützt habe. Eine weitere Handschrift besitze ein gewisser Ranconetus, den er, Musaeus, kenne. Hier muss es sich um den bedeutenden Juristen und Staatsmann Aimar de Ranconnet handeln, der 1559 als Vorkämpfer der Gewissensfreiheit in der Bastille gestorben ist. Ranconnet möge dasselbe tun wie Antimaco und Oporin Verbesserungen senden. Diese Handschriften in drei verschiedenen Ländern zeugten ebenfalls für das Alter der Orakel, ihre Besitzer bürgten dafür. Seine Übersetzung sei zwar metrisch, doch nicht weniger wörtlich als eine Prosaübersetzung. An einigen Stellen habe er den Text verbessern können, an andern Lücken belassen oder Teilübersetzungen in Prosa bieten müssen. Hier mögen seine Annotationes weiterhelfen.

Von diesem Druck besitzt die Basler Bibliothek 5 Exemplare. Das Exemplar FNP VII 54 Nr. 2 hat Castellio Martin Borrhaus (Cellarius), seit 1544 Professor für Altes Testament in Basel geschenkt. Das Exemplar B c VII 136 (Nr. 1) hat der Freiburger Philologe Johannes Hartung 1549, im Jahre seiner Apolloniusübersetzung, erworben (1662 Remigius Faesch).

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc VII 136:1 | FNP VII 54:2

Illustrationen

Buchseite

Titelseite

Buchseite

Vorrede des Herausgebers Sebastian Castellio an Maurus Musaeus, datiert von Basel, Mai 1546, 1. Seite (von 20)

Buchseite

Anfang der 'Oracula sibyllina'