GG 466

Athanasii Magni Alexandrini episcopi, graviss. scriptoris, et sanctiss. martyris, Opera, in quatuor Tomos distributa: quorum tres sunt a Petro Nannio Alcmariano, ad Graecorum exemplarium fidem iam primum conversi, exceptis paucis antehac imperfectis ab eo denuo plenius & latinius redditis: Quartus, Latina multorum interpretatione fere totus seorsum emissus, nunc in unum digestus & concinnatus... Basel: Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius September 1556. Fol.

Die erste griechische Gesamtausgabe der Schriften des Athanasius ist erst 1601 in der Officina Commeliniana in Heidelberg erschienen, nach Handschriften in Basel, Cambridge und der Palatina, der erste Einzeldruck einer Schrift 1570. Eine erste lateinische Gesamtausgabe war schon 1519 in Paris erschienen, zusammengestellt aus zuvor einzeln erschienenen Übersetzungen des Christophorus Porsena, Ambrosius Monachus, Angelo Poliziano. Nachdrucke erschienen 1520, ebenfalls bei Jean Petit in Paris, 1522 in Strassburg, 1532 in Köln, 1533 in Lyon. Athanasios (295-373) ist der berühmteste der Bischöfe Alexandrias, der bedeutendste Gegner des Areios. Zahlreiche Jahre war er in seinem Kampf für die auf dem Konzil von Nikäa festgelegten Glaubenssätze von der Wesensgleichheit des Sohnes mit Gottvater gegen die Arianer gezwungen, im Exil zu leben. So sind auch die meisten seiner Schriften apologetischen und dogmatischen Inhalts, vor allem gegen die Arianer gerichtet. Sein schwieriger Stil hielt im 16. Jahrhundert viele von seiner Lektüre ab. 1556 erscheint hier bei Froben und Episcopius eine teils völlig neue, teils nach einer Handschrift durchgesehene Übersetzung, der einzig im vierten Band von den Druckern für unechte Schriften alte Übersetzungen beigegeben worden sind. Übersetzer ist der Löwener Lateinprofessor, Nachfolger des Goclenius am Collegium Trilingue seit 1539, Petrus Nannius (Pieter Nanninck, 1500-1557). Dank eines im Original verschollenen Briefes des Nannius an Episcopius, der 1621 in Harderwijk, 1987 nochmals von uns in Schlettstadt veröffentlicht worden ist, vom 13. Februar wohl des Jahres 1552 und anderer Briefe von 1550 und 1551 lässt sich die recht langwierige Entstehung der Ausgabe ein Stück weit rekonstruieren. Der Auftrag zur Übersetzung dürfte vom Mitarbeiter der Offizin Sigismund Gelenius, der selber schon eine Übersetzung des Athanasius begonnen hatte, über den Herausgeber u.a. von deren Augustinausgabe von 1542, den Löwener Augustiner Diakon und Bibliothekar Maarten Lips, an Nannius gelangt sein. Nannius hatte die Übersetzung, die dann auch noch 1601 der griechischen Erstausgabe beigegeben wird, den Druckern schon für März 1551 versprochen gehabt, schiebt im Sommer 1551 wie noch im Februar 1552 andere Arbeiten zu Gunsten des Athanasius auf. Nannius, der selber griechische Handschriften, u.a. eine des Athanasius, besessen hat, übersetzt den schwierigen Text u.a. nach einer entgegen seiner Klage immerhin sauber lesbaren Handschrift des 14. Jahrhunderts aus dem 1525 säkularisierten Basler Predigerkloster, die schon Johannes Reuchlin bis zu seinem Tode 1522 ausgeliehen hatte (wie eine Handschrift des Neuen Testaments seit 1488), die dann wohl Erasmus für seine Proben im Anhang an seine zweite Chrysostomus-Ausgabe vom März 1527 (GG 397), schliesslich Gelenius für die Anfänge seiner Übersetzung verwendet hatte und die 1559 mit den übrigen Basler Klosterbeständen in die Bibliothek der Universität gelangt und wohl bei dieser Gelegenheit neu gebunden worden ist. Die Übersetzung dürfte dann erst zur Zeit der Niederschrift der Widmung des Nannius vom 20. August 1555 an seinen langjährigen Förderer und Mäzen, den Bischof von Arras (wo er ihm, zusätzlich zu einer jährlichen Pension, ein Kanonikat beschafft hat) und Kaiserlichen Rat Antoine Perrenot de Granvelle, vollendet worden sein, woran auch Krankheit mitschuldig gewesen sein dürfte.

Er habe endlich, beginnt Nanninck seine Widmung, Athanasius und alles, was unter seinem Namen überliefert sei, ins Lateinische übersetzt, was schon von sehr vielen versucht, jedoch bis dahin von niemand vollendet worden sei. Viele habe der Nutzen der Werke eingeladen, alle die Mühe abgeschreckt, um nur diejenigen zu nennen, die in seinem oder im vorangegangenen Jahrhundert gelebt hätten: Johannes Reuchlin und Angelus Politianus hätten nach einer kleinen Schrift aufgegeben, länger habe Erasmus es ausgehalten, bis er von den griechischen Handschriften (exemplaribus) im Stich gelassen worden sei. Sigismund Gelenius, als Genosse und Teilhaber an dieser Arbeit vorgesehen, habe das Übrige, was er begonnen habe, ihm zurückgegeben. Was hochgelehrte und fleissige Männer dieser Arbeit entfremdet, was ihn als viel schwächeren dabeigehalten habe: erstens uralte Handschriften (exemplaria) mit ungewohnten Abkürzungen, die, mit einer einzigen Silbe für ein ganzes Wort, den Sinn zu verstümmeln geschienen hätten. Ausserdem hätten durch das Verlöschen der Buchstaben bald Silben, bald ganze Wörter gefehlt. Mit der Entzifferung der Buchstaben und dem Nachschlagen der Abkürzungsverzeichnisse (in literis compendijsque abbreviationum cognosce- dis) sei ihm fast ein Jahr dahingeflossen, mit grosser Verzögerung durch die recht mühsame Entzifferung und fast ebenso schwierigen Stil. Athanasius habe seine eigene Schreibweise, brauche Wörter, die nur seiner Zeit, weder vor- noch nachher, bekannt gewesen seien, z. B. Bezeichnungen von Ämtern und unübliche geographische Begriffe. Vergil solle sich vom Plan eines Gedichts über die römische Geschichte wegen der barbarischen Eigennamen um der Süsse der griechischen Wörter willen derjenigen Troias zugewandt haben; nicht anders habe wohl Polizian, als er gesehen habe, dass er in den Schriften des Athanasius nichts von seiner eigenen Art bewahren könne, von den weiteren, um seinen Stil nicht zu verderben, die Hände gelassen. Auch der Inhalt übertreffe alles an Gewicht, Erhabenheit, Genauigkeit. Die meisten seiner Schriften handelten von der Dreieinigkeit, einer für den menschlichen Geist gänzlich unerklärbaren Sache. Worauf Nannius sich mit dessen Theorie befasst und auf die praktische Unübersetzbarkeit ins Lateinische u.a. durch sich nicht deckende Mehrdeutigkeiten der Wörter in den beiden Sprachen hinweist (z. B. logos als animi cogitatio, ratio, Verbum), wodurch die Übersetzung entweder zu einer Verarmung oder einer lästigen unscharfen Breite führe, zumal die Ausdrücke rituell und geheiligt seien. Oft lasse sich eine ungenaue Wiedergabe oder eine für den Leser unangenehme Tautologie nicht vermeiden. Wenn Athanasius rhetorischen Schmuck wie (Johannes) Chrysostomus, poetische und dithyrambische Sprache wie der Nazianzener (Gregor) verwendet oder Philosophisches wie Basilius eingefügt hätte, wäre alles anziehender. Aber er sei diesen Künsten ebenso fern wie der Häresie. Er habe die himmlischen Mysterien nicht mit ägyptischen, heidnischem oder exotischen Mitteln ausschmücken wollen, sondern nur das Evangelium verkünden. Schon der Ketzer Arius selber sei schwer verständlich, umso schwieriger, wenn Athanasius seine Vergehen darstelle, vieles davon zweideutig, und der Übersetzer Zweideutiges zweideutig, Dunkles dunkel, Rätsel durch Rätsel wiederzugeben versuche. Noch grössere, unlösbare Schwierigkeiten böten die falschen und unechten Bücher, von denen Athanasius mehr als jedem andern Autor zugeschrieben würden. Sie versuchten, die selben Stoffe und die Dreieinigkeit wie Athanasius zu behandeln, doch ohne Geist und Bildung. Sie verwirrten die Dinge, dass man sich wie im alten Chaos vorkomme. Als Erasmus auf diese Bastarde gestossen sei und nichts Besseres mehr erwartet habe, habe er die Last erschöpft und angeekelt abgelegt, nicht willig, weiter Eicheln zu fressen. Was ihn bei der schweren täglichen Arbeit gehalten habe: der Nutzen des Werkes, kein rhetorisches Spiel, kein theatralischer Auftritt, kein leeres Waffenklirren ohne Feind, sondern standhafter blutiger Kampf gegen die Feinde Christi, die sich als christomachoi bekannt, sich die Juden verbündet und die höchsten Herrscher Constantius, Julian, Valens als Führer gewählt hätten: gegen den arianischen Antichrist, der den ganzen Orient verwüstet, den Aberglauben der Türken gezeugt und Griechenland zum Untergang seines Reiches wie der Religion vom Westen getrennt habe. Hätte es doch viele Athanasii gegeben und gäbe es sie auch jetzt! Grossenteils sei jene Zeit heute wiedergekehrt. Es gebe die Memnonianer, die Davidiker, die Schwenckfeldianer, nicht weniger verbrecherisch und verführerisch als die Arianer. Er habe den Griechen Athanasius für Lateiner übersetzen wollen, damit er seine Zeit lehre, welche Schliche die Häretiker anwendeten, mit welchen Antisynoden sie die wahren Synoden bekämpften, die Fürsten zu gewinnen suchten, und welche Heilmittel dagegen anzuwenden seien. Denn was sich vereinzelt bei den Kirchenhistorikern finde, bei Eusebios, Nikephoros, Theodoret, Sozomenos, finde sich hier vollständig und zuverlässiger. Daneben habe ihn sein Ehrgefühl trotz Krankheit und Müdigkeit bei der Arbeit gehalten und der Vertrag, den er mit den Froben abgeschlossen habe, besonders die nicht geringe Anzahlung, die zur Verstärkung der Verpflichtung geleistet worden sei. Nicht leicht sei es zuweilen gewesen, ihm das ewige Denkmal seines Dankes zu vollenden; doch gegen sein Lebensende hin sei ihm keine Wahl geblieben (Nannius ist denn auch zwei Jahre nach der Niederschrift dieser Widmung mit erst 57 Jahren gestorben). Athanasius allein vermöge das zu bezeugen, er allein werde von allen seinen Arbeiten übrig bleiben, als Denkmal seiner Dankbarkeit gegenüber dem Bischof. Womit Nannius zu einem Preis Perrenots ausholt. Darum solle, was das Buch betreffe, dieses auch in Zukunft in einer neuen Auflage nicht, wie das oft geschehe, ohne die Widmung erscheinen, wenn die Drucker nicht zugleich die Veranlassung ihres Buches verletzen wollten. Er habe daher alles übersetzt, auch manches, das zuvor schon andere übersetzt gehabt hätten, und das in drei Klassen geteilt: die Predigten mit den inhaltsverwandten Briefen, die Synodalschriften mit den zugehörigen Briefen, die unterschobenen Schriften, die er für unecht halte. Diese seien von unterschiedlichem Wert. Er habe sie erstens übersetzt, weil immer etwas von Athanasius darin stecke und manches, das in den echten Schriften untergegangen sei; zweitens um nicht von Halbwissern angeklagt zu werden, er habe kostbarste Schätze weggelassen. Er habe den einzelnen unechten Schriften sein Urteil beigefügt, doch ohne Streit anzetteln zu wollen. Es habe ihm genügt, sie vom echten Werk zu trennen. Wer wolle, könne sie in eine der andern Klassen überführen. Die echten Schriften habe er möglichst getreu übersetzt; wo die Würde, Kraft, Anmut eines Satzes habe bewahrt werden können, in gleicher Wortfolge, Satzperiode (commata) für Satzperiode, Satzglied (cola) für Satzglied, Satz (periodi) für Satz. Bei den unechten habe er dazu weniger Sorge getragen. Wozu hätte er deren Stottern auch nachbilden sollen? Vielmehr habe er sie um einiges würdiger und anmutiger gestaltet. Er habe drei Handschriften (exemplaria) verwendet: als erste die des Basler Predigerklosters - so alt, dass die Buchstaben an vielen Stellen geschwunden seien - die Johannes Reuchlin an erster Stelle verwendet habe; die zweite habe dem berühmten sprachenkundigen Juristen und Demosthenesübersetzer Justinus Gobler gehört, auch diese mit wenig Fehlern, doch durch Abkürzungszeichen, die er sonst nirgends gesehen habe so schwierig, dass er eher aus den Sätzen die Wörter als aus den Wörtern die Sätze habe erraten müssen. Die dritte habe dem gelehrten englischen Übersetzer Johannes Christopherson gehört; diese sei sowohl verbessert als auch leicht lesbar gewesen und habe mit ihren ausgeschriebenen Wörtern den Übersetzer nicht so aufgehalten. Diese drei berühmten Männer (neben Gobler und Christopherson ist für die Basler Handschrift wohl an Bonifacius Amerbach als deren Vermittler zu denken) hätten ihm ihre Handschrift für viele Jahre geduldigst geliehen und er dürfe ihre Güte nicht unerwähnt lassen. Es gebe noch andere gemeinhin unter dem Namen des Athanasius laufende Schriften, die von verschiedenen Übersetzern ins Lateinische übertragen worden seien, die die freundlichen Drucker Froben und Episcopius überallher zusammengesucht und in einem vierten Band vereinigt hätten, damit nicht etwa Athanasius Zugeschriebenes der Ausgabe fehle. Dieser vierte Band ist getrennt paginiert und könnte somit auch schon vor Abschluss der Übersetzung des Nannius vorausgedruckt worden sein. Der dritte Tomus mit den von Nannius als unecht beurteilten Schriften ist auf S. 527 wie zuvor der zweite auf S. 303 nur durch eine kurze Überschrift gekennzeichnet; weder in dieser noch in ihren eigenen Titeln sind die Schriften hier für unecht erklärt. Als Übersetzer sind im vierten Band genannt Valentin Ampelander zur ersten Schrift (der Berner Valentin Rebmann wurde 1557 Pfarrer von Frauenkappelen, 1563 Professor für Griechisch in Bern), Erasmus von Rotterdam zu den beiden Briefen an Serapion (aus Frobens Chrysostomusausgabe von 1527) und der damals schon in Bern wirkende Theologe Wolfgang Musculus (schon im Titel genannt) zur "vor einigen Jahren übersetzten, hier zum erstenmal gedruckten" Synopsis "des Athanasius" zum Alten und Neuen Testament. Der Widmung folgend ist das - heute als nicht von ihm stammend erkannte - "Symbolum S. Athanasii de Fide Catholica, vulgo in Ecclesia receptum, incerto interprete", das sogenannte Glaubensbekenntnis des Athanasius, abgedruckt. Die Basler Handschrift hat heute die Signatur A III 4.

Das Basler Exemplar F J VII 7 stammt, als Geschenk der Frobeniani (was ebenfalls auf die oben vermutete Vermittlung der Basler Handschrift spricht), aus dem Besitz Bonifacius Amerbachs.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: FJ VII 7

Illustrationen

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Titelseite mit Besitzervermerk von Bonifacius Amerbach

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Vorrede des Herausgebers Petrus Nannius an Antonius Perrenottus (Antoine Perrenot de Granvelle), Bischof von Arras, datiert von Löwen, den 20 August 1555), 1. Seite

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Vorrede, 2. Seite

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Vorrede, 3. Seite

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Vorrede, 4. Seite

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Vorrede, 5. Seite. Das 'Symbolum Athanasii de fide catholica'

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Inhaltsverzeichnis aller 4 Bände

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Anfang der 'Oratio contra idola'

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Kolophon

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Druckermarke der Officina Frobeniana

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Auszug aus der Athanasius-Handschrift: UB-Signatur: Mscr. A III 4