GG 30

Valentinus Curio Lectori. En tibi lector studiose Strabonis geographicorum commentarios, olim ut putatur, a Guarino Veronense, & Gregorio Trifernate latinitate donatos, iam vero denuo a Conrado Heresbachio ad fidem Graeci exemplaris, autorumque, qui huc facere videbantur, non aestimandis laboribus recognitos. Nos, quo hoc opus, & eruditum, & iuxta necessarium in nostra officina felici palingenesia renasceretur, neque sumptibus pepercimus, neque diligentiae. Basel: Valentin Curio März 1523. Fol.

1469 war der erste lateinische Druck des einzigen erhaltenen Werks des griechischen Geographen und Historikers Strabo aus Amasea (ca. 63 v. - 19 n. Chr.) in Rom bei Conrad Sweynheym und Arnold Pannartz erschienen. Nachdrucke erschienen 1472 in Venedig, 1473 bei Sweynheym und Pannartz selber, 1480 in Treviso, deren zwei 1494 in Venedig, herausgegeben von Antonio Mancinelli, weiter je einer 1496, 1502 und 1510 in Venedig und 1512 in Paris. Als Übersetzer werden Guarinus Veronensis und Gregorius Typhernas genannt, Guarinus für die Bücher 1-10, Gregorius für 11-17. Guarino von Verona (um 1370 - um 1460) war 1403 einer der ersten Italiener, die zur Erlernung des Griechischen nach Konstantinopel - er zu Manuel Chrysoloras, den er zuvor in Italien kennengelernt hatte - gezogen sind. Er hat zahlreiche Handschriften mitgebracht und in der Folge in Verona, Florenz, Venedig und Ferrara Griechisch gelehrt. Gregorio Tifernate (Città di Castello um 1415 - Venedig 1466) hat in Neapel, Rom, Mailand, Paris, Mantua und Venedig Griechisch gelehrt. Hier erscheint zum erstenmal eine neue Übersetzung, der erste lateinische Druck seit dem Erscheinen des griechischen Erstdrucks 1516 in Venedig bei Aldus Manutius (der nächste wird erst 1549 erscheinen, auch in Basel [GG 289]). 

Der Übersetzer Conrad Heresbach hat ihn seinem rheinischen Landsmann und Freund Johann von Flatten, Propst von Kranenburg (bei Kleve) und Scholaster, d.h. Vorsteher einer geistlichen Schule, von St. Marien in Aachen gewidmet, aus Freiburg, 15. März 1523. Conrad Heresbach (oder Hertzbach, 1496-1576) war nach Schulunterricht bei Johannes Murmellius in Münster und Studien in Köln und Frankreich, Tätigkeit als Korrektor bei Johannes Froben 1520 im Jahre 1521 Professor für Griechisch an der Universität Freiburg geworden, promovierte 1522 in den Rechten in Ferrara. Nach seiner Rückkehr 1522 nach Freiburg wurde ihm eine gewünschte Erhöhung seines Gehalts abgeschlagen. Er nahm darauf eine Stelle als Erzieher des gerade siebenjährigen Prinzen Wilhelm von Jülich und Kleve an und war vom 1. September 1523 an, bald auch als Rat des Herzogs, in Kleve tätig, mit diesem übereinstimmend in seiner vermittelnden Haltung zwischen altgläubiger (mit Reformen) und protestantischer Kirche und Humanismus. 1522 hatte er noch brieflichen Kontakt mit Erasmus von Rotterdam, der im Herbst 1523 ebenfalls Flatten einen Druck - eine Ausgabe von Ciceros Tusculanen - gewidmet hat. Flatten (auch Vlatten) hatte Erasmus wohl 1520 in Löwen kennengelernt, dann, während Freiburger Studien, in Basel besucht, und in seinem Brief an Flatten, der 1524 ebenfalls Rat des Herzogs von Kleve wird, von ca. Oktober 1523, dem Widmungsbrief zu den Tusculanen, beklagt Erasmus den Verlust durch den Weggang Heresbachs: er habe noch keinen vollkommeneren jungen Mann kennengelernt was die Kenntnis beider Sprachen betreffe, seinen frohen Geist, sein freundliches Wesen und seine Korrektheit. Heresbach weist in seiner Widmung zunächst darauf hin, dass der Anstoss zu dieser Ausgabe vom Drucker Curio gekommen sei - wohl in dessen Programm der Drucke griechischer Autoren für den Unterricht als Ergänzung zu seiner Ausgabe des Dionysius Periegetes vom September 1522; mit Heresbach wiederum dürfte Curio aus dessen Korrektorenzeit bei Froben (1520) bekannt gewesen sein, da er dessen Kollege bei Cratander war: Viele, besonders aber der Drucker Valentin Curio, selber gebildet und durch seine Arbeit ein überdurchschnittlicher Förderer der Bildung, schliesslich auch er als unablässiger Kampfrichter seiner Studien hätten von ihm immer wieder verlangt, die Geographie Strabos wenn nicht von neuem zu übersetzen, was er mit gewissem Recht abgelehnt habe, so doch den Studiosi nach Vergleich mit einer griechischen Vorlage etwas verbessert vorzulegen (was im Trend der Zeit - dem Verlangen, nach dem Erscheinen der griechischen Originaltexte, nach zeitgemäss neuen oder der gründlichen Verbesserung der alten Übersetzungen - lag), da sie bis dahin voller Fehler sei, dass sie, beinahe wie jener teutonische und unechte Autor, nicht ohne Widerwillen gelesen werden könne. Obwohl er dies wegen seiner privaten und öffentlichen Arbeiten und vor allem der Eile der Klepsydra der Pressen entsprechend kaum leisten könne, teils wie Dornen, die mehr Ärger als Dank brächten, scheue, habe er dennoch auf Bitten Valentins (Curios) und von Freunden und vor allem auf sein Drängen hin, der mehr als an allen andern Studien an den kosmographischen Schriften Strabos Freude gehabt habe, was er an übrigbleibenden Stunden habe stehlen können, gerne Strabo gewidmet. Bei der Durchsicht und dem Vergleich mit einem griechischen Exemplar (es dürfte sich nicht um eine Handschrift, sondern ein Exemplar der Aldina von 1516 gehandelt haben) habe er bemerkt, dass die ersten Bücher, abgesehen von ihrer Verderbtheit, auch wenig glücklich übersetzt seien, die späteren jedoch nicht ebenso. Das habe ihm bestätigt, dass das Werk nicht allein von Guarinus von Verona, dem es zugeschrieben werde, oder durchaus von ihm, aber nicht ohne tüchtige Hilfe (ouk aneu thēseōs) übersetzt worden sei (in den vorangehenden Drucken ist immerhin für die Bücher 11-17 immer Gregorius Tifernas neben ihm genannt). In den meisten späteren Büchern scheine ihm die Übersetzung irgendwie nach Gazeus zu schmecken (Theodorus Gaza; die lateinische Übersetzung von dessen griechischer Grammatik hat Heresbach gleichzeitig mit der Arbeit am Strabo für Curio ergänzt). Dies obwohl manche sie Gregorius Trifernas zuschrieben. Die ersten schienen allzu ängstlich Wort für Wort, ohne grosse Geläufigkeit in beiden Sprachen, übersetzt, so dass es nicht verwundere, wenn sie bisher nicht ohne Anstösse hätten gelesen werden können. Daher habe er es zur deutlicheren Wiedergabe des Sinnes zuweilen auch gewagt, den Kontext neu zu formulieren oder nach der griechischen Vorlage zu ändern, zuweilen am Rand den originalen Text und seine Übersetzung beizufügen (solche Stellen finden sich praktisch auf jeder Seite, besonders umfangreich z. B. auf S. 136 und 140). Wenn er das nicht überall mit gleichem Fleiss getan habe, so liege das an der griechischen Vorlage; es gebe wohl keinen zweiten Druck des Aldus, der so verderbt sei. Dazu seien zahlreiche Lücken gekommen, fehlende Wörter, aber auch ganze Sätze. Obwohl er manches hier von anderswoher ergänzt habe, aus Stephanus (Byzantius, in Venedig 1502, Florenz 1521 erschienen), Plinius, Herodot, habe er das meiste doch dem Leser zu mutmassen (coniectanda) gelassen. Die Gedichte Homers, die Strabo besonders gewissenhaft ausschreibe, habe er jeweils angegeben, als Nachschlagewerk für die Homerliebhaber mit Angabe des Wortlauts und der Bücher (z. B. S. 408/409; die Verse wurden damals fast allgemein noch nicht gezählt). Jedoch auch zum richtigen Verständnis Strabos sei das wohl nötig, zumal man wisse, dass er sein Werk nach Homers Regeln habe bauen wollen und nichts zur Kenntnis der Örtlichkeiten ausgelassen habe. Doch das habe Strabo nicht ohne Beispiel getan, da alle antiken Autoren ihre Schriften mit Zeugnissen Homers belegt hätten als dem Vater aller Gelehrsamkeit. Aus diesem Grund habe er auch ganze griechische Gedichte seiner Übersetzung beigegeben, da sie in ihrer Sprache mehr Anmut und Erhabenheit zeigten und bei einem Vergleich leichter verständlich seien (z. B. S. 330/31, 405). Ausserdem habe er zusammenfassende Einleitungen der Bücher (librorum argumenta; jeweils nur wenige Zeilen), eine Biographie des Autors (folgt auf die Widmung; sie behandelt, nach dem traditionellen Schema, Herkunft, Bildung, wobei besonders auf seine Reisen und Autopsie des Behandelten hingewiesen wird, und seine Lebenszeit; als Quellen nennt Heresbach Suidas, wo sich fast nichts finde, Stephanus Byzantius und Strabo selber) und ein Verzeichnis der namentlich von Strabo zitierten Autoren beigefügt. Schliesslich habe er die geographischen Namen und sonst Merkenswertes am Rand beigeschrieben, was leicht zu einem Index vereinigt kaum schlechter sein dürfte als der des Mancinellus (in der Ausgabe Venedig 1494; Curio hat auch den Index selber noch angefertigt oder in seiner Offizin anfertigen lassen und ihm eine kurze Vorrede beigegeben, in der er noch schärfer auf die Prahlerei Mancinellis und die verschiedenen Fehlerarten in seinem Index hinweist). Und niemand verdiene die Widmung mehr als er, für seine Wohltaten, seine Würde und seine Sprachkenntnisse. Darum sei ihm auch der Fürst gewogen. Wenn das Werk aber nicht zu seinem Ruhm beitrage, so solle er daran denken, dass er es sich nicht hierzu vorgenommen habe, sondern um dem hartnäckigen Drängen Curios, seiner selbst und der Studiosi zu willfahren. Der Widmung vorangeschickt ist ein längeres Epigramm des Freiburger Kollegen Heresbachs auf dem Lehrstuhl für Poesie (seit 1516, bis zu seinem Tod 1528) Philippus Engentinus (Engelbrecht aus Engen) "In Strabonem iam recens castigatum" auf Strabo, der die Welt vom Ganges bis Gades, vom Boreas bis zum Nothus behandelt habe, Heresbach und Curio. Bemerkenswert ist eine kurze Bemerkung Curios zwischen Autorenverzeichnis und Index: Er habe die Widmungsbriefe des Guarinus und des Bischofs von Aleria (des Herausgebers des Erstdrucks) weggelassen, um Papier zu sparen, da jener nur Schmeicheleien an den Papst (Nicolaus V. ) und dieser giftigste Beschuldigungen des Georgius Trapezuntius enthalte (diesen hat Curio ja ebenfalls gerade gedruckt).

Für die Titelseite seiner Straboausgabe hat sich Curio eine freie Abwandlung der Titeleinfassung Urs Grafs für Frobens Adagiadruck von 1515 mit antiken Autoren und einem Garten mit Quelle bei dem Metallschneider Jacob Faber und Hans Holbein bestellt. Die Einfassung zeigt an den Seiten und oben wieder griechische und römische Autoren im Dialog, oben zu Seiten Salomos nun Philosophen; unten in ganzer Breite die Dichterkrönung Homers durch die Musen am Kastalischen Quell. Die Einfassung des Widmungsanfangs (mit Säulen und u.a. Samson und dem Löwen), die Einfassung des Strabo-Textbeginns, sowie einige Einzelleisten in unserm Druck dürften Werke des Strassburger Künstlers (also Landsmanns Curios) Hans Wechtelin sein. W 145.

Das Exemplar B c II 115c Nr. 1 stammt, zusammengebunden mit dem 1530 in Paris "sub scuto Basiliensi" erschienenen Druck der Erdbeschreibung Pomponius Melas, aus dem Besitz des Basler Theologen Martin Borrhaus. Ein zweites Exemplar im Frey-Grynaeum: Frey-Gryn. L II 11 Nr. 2.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc II 115c:1 | Frey-Gryn L II 11:2

Illustrationen

Buchseite

Titelseite mit der Darstellung von griechischen und römischen Autoren, darunter die Dichterkrönung Homers durch die Musen

Buchseite

Epigramm des Freiburger Philologen Philippus Engetius auf Strabo, den Übersetzer Conrad Heresbach und auf Valentin Curio

Buchseite

Vorrede des Übersetzers Conrad Heresbach mit Widmung an den Freund Johann von Flatten, Freiburg, 15. März 1523, 1. Seite

Buchseite

Vorrede des Übersetzers Conrad Heresbach, 2. Seite

Buchseite

Vorrede des Übersetzers Conrad Heresbach, 3. Seite

Buchseite

Anfang von Strabons Geographica

Buchseite

S. 140: Am Rand Originaltext und Alternativübersetzung

Buchseite

S. 330: zweisprachige Zitate aus Euripides' Bacchen

Buchseite

S. 408: zweisprachige Zitate aus Homers Odyssee

Buchseite

S. 566: Kolophon

Buchseite

S. 567: Druckermarke