GG 89
Loukianou hapanta.
Luciani Samosatensis Opera, quae Graece extant, omnia, in duos tomos concinne digesta, quorum elenchos suo quenque loco reperies. Omnia multo quam ante, tum ex diversorum codicum collatione, tum doctissimorum hominum recognitione, castigatiora. Loukianou eis tēn heautou biblion. Loukianos tad' egrapse... Basel: Michael Isingrin 1545. 2 Bde. 8°.
Verhältnismässig spät erscheint die erste griechische Gesamtausgabe Lukians bei einem Basler Drucker, nach Ausgaben in Florenz bei Lorenzo de Alopa von 1496, in Venedig 1503 und 1522 bei Aldus Manutius, bei Johannes Secer und Peter Braubach in Hagenau (1526 bzw. 1535) und einem textlich erneuerten Venezianer Druck von 1535 bei Lucantonio Giunta. Herausgeber bei Isingrin ist Jean Ribit, Freund und Nachfolger Conrad Gesners auf seinem Lehrstuhl an der Akademie von Lausanne im Jahre 1541, von dem u.a. auch ein Band vor allem lateinischer, aber auch griechischer und französischer Briefe in Paris erhalten ist. Im selben Jahr erscheinen von ihm in der zweisprachigen Xenophonausgabe des Albanus Torinus bei Brylinger (GG 145) drei Xenophonübersetzungen.
Seine hier vorliegende Lukianausgabe ist für junge Griechischschüler bestimmt. In seiner Vorrede an die philhellenischen Jünglinge dankt er zunächst Gott für die Wiederherstellung der Sprachen in seiner Zeit. Man müsse den Spender bitten, dass man das göttliche Gut nützlich zu gebrauchen lerne. Er möchte, so gut er könne, andern den Weg dazu zeigen. Vor allem müssten die Menschen Gottes Werke betrachten und ihn dafür loben. Auf dieser Grundlage werde alles einen Gewinn abwerfen. Bei Lukian wolle er keineswegs seine Gottlosigkeit billigen, sondern nur auf den Nutzen aus seinen Werken hinweisen. Frömmigkeit lerne man nur aus den göttlich inspirierten Schriften, alle übrigen müsse man an ihrem Massstab messen, billigen oder ablehnen, ganz besonders Lukian, dessen Schriften besonders gottlos zu sein schienen. Doch da auch das schlechteste Buch noch etwas nütze, müsse das auch bei ihm der Fall sein: die Reinheit seiner griechischen Sprache, seine Beachtung des Attizismus. Dies bezeugten Thomas Magister (Thessalonike/Konstantinopel um 1300; seine Eklogai aus dem Attischen waren 1517 in Rom, 1524 und 1525 in Venedig und 1532 in Paris erschienen), Tzetzes (der erste Druck einer Schrift des Johannes Tzetzes: 1537 seine Hesiodscholien), die Zeitgenossen Budaeus und Erasmus, alle seine Übersetzer, die Universitäten. Paris lege ihn als griechische Schullektüre vor, ebenso Löwen, Britannien, wo auch Übersetzungen publiziert worden seien. An den deutschen Universitäten sei er grossenteils übersetzt worden, in Italien zuerst gedruckt. Noch in seinen kleinsten Werken und Werkteilen finde sich der attische Witz. Reichtum und Mannigfaltigkeit zeigten schon seine Werktitel; oft enthielten sie sogar Verschiedenes, brächten seine Schriften mehr als einen Nutzen. Sämtliche Philosophie sei in ihnen behandelt. Die Grammatik lerne man aus ihnen ohne jede Schädigung der Frömmigkeit. Im folgenden gibt Ribit u.a. Beispiele für die Behandlung veralteter und gebräuchlicher Wörter, eigentliche und übertragene Verwendung in besonderen Dialogen, allerlei über die Geschichtsschreibung als eine Aufgabe des Grammatikers. Lobreden auf diese gebe es aber schon genug. Er verbessere geradezu die Geschichtsschreibung und sei ein Meister des Dialogs, der Dialektik, ohne die man sie nicht schreiben könne. Über seine Rhetorik brauche man gar nicht zu reden: Lobreden, Tadel, Verteidigungen, Prunkreden. Dann die Physik: Beschreibungen, Vergleiche. In der Ethik stelle er die verschiedenen Sitten vor Augen, nicht ohne schärfsten Tadel für die Laster. Er verspotte leere Einbildungen und die Christen verspotteten zu Recht, was die übrigen Sterblichen töricht bewunderten. Spott über Aberglauben aber sei nichts anderes als Frömmigkeit. Anwenden müsse man die Beredsamkeit ehrenhafter als der, dessen Gedanken man tadle, am fruchtbarsten im Lob Christi. Doch über den Nutzen, den man weltlichen Büchern entnehmen könne, gebe es schon die gelehrte Abhandlung des Basilius, auf die er hier verweise. Vieles nütze aber auch dem Verständnis der heiligen Schriften, so Äusserungen über Athleten, über den unbekannten Gott der Athener. Schliesslich weist Ribit noch auf die Schriften mit musikalischem und geographischem Inhalt hin. In Kenntnis all dessen lege ihnen Michael Isingrin diese Schriften Lukians zum allgemeinen Nutzen in brauchbarer Form vor.
Im Anschluss an diese Vorrede des Pädagogen folgt eine kurze zweite Vorrede des Druckers, die uns zeigt, wie noch während des Druckes an der Herstellung des Textes gearbeitet wurde. In ihr weist Isingrin den Leser, der über die umfangreiche Liste der castigationes - Verbesserungen des Textes - erschrecken könnte, darauf hin, dass es sich nicht um Druckfehler handle, sondern um abweichende Lesarten. Als man in der Edition dieses Werkes nach der einen und andern Vorlage, die man zur Hand gehabt habe (exemplaria: hier gewiss Drucke, vier Gesamtdrucke waren ja schon zuvor erschienen, dazu solche einzelner Werke), schon recht fortgeschritten gewesen sei, der Meinung, da Lukian immer im Unterricht verwendet worden sei, ihn korrekt drucken zu müssen, da sei er doch auf einige verderbte Stellen gestossen: er habe die Arbeit unterbrochen und im Griechischen besonders erfahrene Freunde gebeten, nach alten Vorlagen, so sie solche besässen, und eigenem Urteil seine Bemühungen zu unterstützen, damit er hier reiner und feiner erscheine. Alle hätten sofort nach bestem Vermögen, was sie aus gewissenhafter Lektüre oder auch aus Vergleich verschiedener Vorlagen (codicum, auch hier wohl Drucke) bemerkt hätten, freigiebig beigetragen. Das habe er, auch wenn es wenig sei, für wert gehalten, ihm, dem Leser, mitzuteilen.
Erstbesitzer wohl Heinrich Pantaleon, dann sicher Maximilian Pantaleon, wie der Eintrag Remigius Faeschs auf der Titelseite, dass er die Ausgabe 1645 Ex biblioth. Pantal. sibi leg. erhalten habe, zeigt (Schmutzblatt herausgeschnitten): B c VI 153/154.