GG 145
Xenophontis philosophi ac historici excellentissimi Opera, quae quidem extant, omnia, tam Graeca quam Latina hominum doctissimorum diligentia, partim iam olim, partim nunc primum latinitate donata, ac multo accuratius quam antea recognita... Basel: Nicolaus Brylinger 1545. Fol.
Erster griechischer Xenophondruck in Basel, fünfter insgesamt nach dem ersten Gesamtdruck bei Philippo Giunta in Florenz von 1516, einer Aldina von 1525, einem Druck der Erben Giuntas von 1527 und einem unsorgfältigen Nachdruck hiervon in Schwäbisch Hall durch Peter Braubach mit Widmung Philipp Melanchthons an den Vorkämpfer konfessioneller Toleranz am Hofe Franz I. Antoine Du Bellay von 1540. Zugleich ist unser Druck aber auch der erste zweisprachige, nachdem allein lateinische "Gesamtausgaben" im 15. Jahrhundert bei Guillaume Le Signerre in Mailand und Bemardino de Vitalibus in Venedig, 1502 in Bologna, 1511 in Lyon und der erste wirklich als Gesamtausgabe ansprechbare Druck 1534 bei Andreas Cratander in Basel (GG 144) erschienen waren. Anders als 1534 ist hier der Herausgeber genannt, der Basler Arzt, Dozent der Medizin an der Universität und Leibarzt verschiedener Fürsten der Umgebung Basels Albanus Torinus. Er hat die Ausgabe aus Montbéliard - wo er am Hofe des Herzogs von Württemberg wirkte - am 23. August 1545 einem mit Basel engverbundenen französischen Reformierten gewidmet: Antoine Morelet de Muscau, Herrn von Marche-Ferrière. Dieser war 1534 nach Basel geflüchtet, 1535 hier Bürger geworden, 1537 von Franz I. amnestiert, war er zur Zeit unserer Widmung seit 1543 französischer Gesandter bei der Eidgenossenschaft; 1546 erwarb er in Basel den Sitzenhof, den heutigen Rosshof. Im Jahr unseres Druckes hat auch ein anderer französischer Glaubensflüchting in Basel, Sebastian Castellio, ihm seine Ausgabe der Oracula Sibyllina (GG 460) gewidmet.
Eingangs seiner Widmung preist Torinus, nach Tradition, sämtliche Tugenden Morelets, nicht zuletzt die als Mäzen, dem er Xenophon widme, den anmutigen Literaten (Orator) und edlen Philosophen, einen Vertreter jener alten, vor allem der sokratischen Philosophie, der nun wie wiedergeboren (veluti renatus) um vieles reiner und vollständiger als bisher in seiner Sprache und lateinisch herauskomme. Er wisse, dass er Neigung zur alten Philosophie habe. Deshalb habe er ihm etwas aus dem Vorrat seiner Werke als Zeugnis seines Eifers für ihn schenken wollen, doch seien diese im Strom der Arbeit bisher unvollendet geblieben. So widme er ihm ungeduldig ein fremdes, sende ihm Xenophon voraus. Im folgenden referiert Torinus Quintilians und Ciceros positive Urteile über Xenophon als Philosophen bzw. als anmutigen attischen Redner, im genauen Ausdruck (rei proprietate) und im Reichtum seines Stils (varietate lectionis). Kurz erkläre er emsthaft die Lehren des Sokrates. Er eigne sich von allen heidnischen Philosophen am besten zur Lektüre für Christen, soweit die menschliche und heidnische Lehre mit der himmlischen Gemeinsamkeiten habe, als Mahner zu den Tugenden, Warner vor den Lastern. Er erscheine nun ausgefeilter und reiner beim Basler Drucker Nicolaus Brylinger, der seine Offizin mit grossem Aufwand kürzlich neu eingerichtet habe (insgesamt hat Brylinger in Basel von 1537 bis zu seinem Tod 1565 gedruckt) und mit Autoren schmücken wolle, die nicht nur bildeten, sondern auch besserten (hier lehnt sich Torinus schon, wie noch deutlicher im folgenden, an die Vorrede Cratanders von 1534 an). Zu diesen gehörten die Philosophen und Historiker. Wenn der Leser den vorliegenden Druck gut aufnehme, werde er alle guten Autoren mit gleicher Gewissenhaftigkeit drucken. Er wisse. dass Morelet zwischen all seinen Aufgaben sich Ruhe für diese Lektüre nehmen werde. Wenn die jetzigen Fürsten ihn, nach dem Beispiel des Scipio Aphricanus, läsen oder wenigstens durch die Lehrer ihren Söhnen zu lesen gäben, dann würde die Jugend nicht vor Trägheit und Faulheit zum Schaden ganz Deutschlands zugrunde gehen.
Die Ausgabe enthält, abgesehen von den griechischen Texten sämtlicher Werke, gegenüber ihrer nur lateinischen Vorgängerin von 1534 auch neue Übersetzungen in Erstdruck: diejenige der Reitkunst von Joachim Camerarius, Poroi, Hipparchikos und Symposion vom Lausanner Philologen Jean Ribit (im selben Jahr erscheint bei Isingrin sein griechischer Lukian), diejenige des Staats der Athener von Sebastian Castellio, der seit diesem Jahr in Basel philologisch tätig ist. Da einzig diese Schrift - die letzte im Band - Marginalien zur Überlieferung erhalten hat, vermuten wir, dass Castellio auch schon hier bei der Edition mitgewirkt hat.
Der Name eines zeitgenössischen Besitzers J. H... ist wegradiert, ein weiterer weggeschnitten; zahlreiche Anfänger-Randnotizen, u.a. wohl von J. H...: Bc I 111
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Signatur: Bc I 111