GG 90

Loukianou Hapanta.

Luciani Samosatensis Opera, quae quidem extant, omnia, Graece & Latine, in quatuor Tomos divisa... Una cum Gilberti Cognati Nozereni, & Ioannis Sambuci Annotationibus utilissimis... Basel: Heinrich Petri März 1563. 8°. 4 Bde.

Die ersten griechischen Drucke des erhaltenen Gesamtwerks Lukians von Samosata, des griechischen Philosophen - als der er in der Tradition galt - und grossen Spötters der griechischen Kaiserzeit, waren in Italien erschienen: Florenz 1496, Venedig 1503 und 1522. 1526 und 1535 waren zwei Ausgaben in Hagenau gefolgt, 1535 wiederum eine in Venedig, 1545 die erste Basler Ausgabe bei Michael Isingrin (GG 89), nachgedruckt 1555 von Jacob Parcus (Kündig). Die hier vorliegende dritte Basler Ausgabe ist zugleich die erste zweisprachige überhaupt, nachdem 1538 und 1543 in Frankfurt, 1546 in Paris und 1549 in Lyon die ersten vollständigen lateinischen Übersetzungen erschienen waren, nach über vierzig lateinischen Auswahldrucken - darunter zahlreichen mit den Übersetzungen des Erasmus - zwischen ca. 1470 und 1536. Diese neue Zweisprachigkeit ist kaum Zufall, sondern wohl vom Herausgeber Marcus Hopper und vom Kommentator Gilbert Cousin für den einen Zweck ihrer Ausgabe, Schülern zu dienen, bewusst gewählt. Cousin, ehemaliger Famulus des Erasmus, ist nun, mit engen Kontakten zu Basel, in seiner Vaterstadt Nozeroy in Burgund als Privatlehrer tätig.

So lesen wir denn auch in der Vorrede Marcus Hoppers an den Leser, dass Lukian zwar - trotz scharfer Zensur von Kritikern - keiner Empfehlung bedürfe, dass sich aber die vorliegende Ausgabe durch zwei Dinge empfehle: die neue Einteilung des Gesamtwerks und die gelehrten neuen Kommentare. Das Werk Lukians werde von Schülern wegen der eleganten Sprache wie der Geschichten gelesen und mitherumgetragen. Einbändig (wie bisher in Foliodrucken) wäre es in einem für diese transportierbaren Format (Oktav) unzumutbar dick geworden. Darum habe man es in vier Bände geteilt und in jeden Band Dialoge jeder der vier Arten aufgenommen: Götter-, See-, Toten- und übrige Gespräche. Abweichungen kämen vor, jeweils mit Absicht. Zu den Annotationes des Cognatus folge dessen eigenes Vorwort, doch müsse er ihn ausdrücklich loben: er sei zur Förderung der Wissenschaften geradezu geboren, Autoren zu entdecken und zu publizieren. Zuweilen zeige er auch seine eigenen Musen, wie im vergangenen Jahr in drei Bänden. Ausserdem sei auch noch sein in allen Lagen praktisch hilfreicher Charakter zu rühmen.

Die Annotationes, führt sodann Cognatus in seiner Widmung an Johannes de Plana, Rat Herzogin Annas von Lothringen, aus, die er während seiner Anwesenheit in Nozeroy geschrieben habe, sollten dem Nutzen der Studiosi dienen. Doch die - offenbar vom Adressaten in einem Brief oder mündlich gewünschte - Verteidigungsrede für Lukian könne er ihm im Augenblick nicht senden; zu ihrer schriftlichen Ausarbeitung habe er im Moment keine Zeit. Sobald wie möglich wolle er sie aber für ihn ausarbeiten und ihm zusenden. Zeit und Studium würden sie vollenden. Immerhin folgt noch, als erste der verschiedenen Lobreden und Lobgedichte auf Lukian, ein dreiseitiges Elogium Cousins auf den Autor. Den Abschluss der Lobgedichte auf Lukian bildet dann aber noch - nicht ganz unpassend bei der gewissen Eitelkeit Cousins - ein Gedicht auf Lukian, Erasmus und Gilbertus Cognatus aus der Feder des Schulmeisters zu St. Peter in Basel Jacob Härtlein, den Cousin 1557 hier kennen gelernt haben dürfte. Es folgt ein Index, der zeigt, welche Dialoge in dieser unkonventionell angeordneten Ausgabe in den einzelnen Bänden enthalten sind. Ein ausführlicher Personen- und Sachindex für die einzelnen vier Bände schliesst den vierten Band.

Die Übersetzungen, aus früheren Drucken übernommen, stammen von ganz verschiedenen Autoren, von Morus, Erasmus und Pirckheimer. Der Übersetzung des 'Tyranicida' durch Erasmus ist, sicher von Cousin veranlasst, des Erasmus eigene "Antwort"-Declamatio beigegeben.

Über die Umstände der Entstehung dieses Druckes und das damals schon seit einigen Jahren recht engen Verhältnis zwischen Cognatus und Petri - sein zweiter, 1543 geborener Sohn Heinrich Adam, der spätere Professor der Rechte, Basler Stadtschreiber und Historiker, war schon, wohl um 1555/56, sein Schüler in Nozeroy gewesen, und auch die 1538 bzw. 1545 geborenen Heinrich und Melchior dürften dies gewesen sein - über diese Umstände gibt uns ein Brief Cousins vom 23. Oktober 1562 aus Nozeroy einigen Aufschluss. Der zweitjüngste Sohn Sixtus, ein Jahr nach Sebastian 1547 geboren, weilte bei Cousin zum Unterricht, wo seine Fortschritte sich offenbar in bescheidenerem Rahmen hielten. Den Kommentar zum Lukian sandte Cousin portionenweise nach Basel, klagte aber gleichzeitig über ein zu langsames Fortschreiten des Druckes "wie das einer Schildkröte". Als philologischer Betreuer, d.h. als Herausgeber und Korrektor, hat offenbar Cousins früherer Drucker Oporin mitgewirkt, denn Cousin bittet Petri, Oporin anzutreiben. Lukian sei ein hervorragender Autor, nach allgemeinem Urteil der Gelehrten; Petri werde grössten Dank, nicht zuletzt auch von ihm, verdienen. In Frankreich werde im Augenblick nichts gedruckt, was er für sein Geschäft ausnützen solle. Er sende ihm verschiedene Bücher mit: einen in Venedig gedruckten Sallust mit Kommentaren Vallas, des Leonicenus und Soldis, zwei Pariser Cicero-Kommentare, zwei griechische Cicero-Übersetzungen Theodoros Gazas. Die Bücher möge er behalten, so lange er wolle. Er habe ihm schon früher alles Seine gebracht und verwende nun sein Vermögen, um nicht für sich, sondern für ihn und die Seinen, sogar alle Interessenten (d.h. dann die Nutzniesser der neuen Drucke) Bücher zu kaufen. Für seine Büchersendung danke er. Sixtus erfreue sich bester Gesundheit. Er folge immer noch demselben Lehrgang: in der griechischen und lateinischen Literatur und besonders in der französischen Sprache gebe er sich Mühe, so gut er könne, freilich nicht so weit er es wünsche. Schwach seien nämlich noch Ausdruck und Gedächtnis. Diese scheine er bei seinen Söhnen bisher vernachlässigt zu haben. Über den Parömiographenband möge er entscheiden; der grösste Teil sei fertig.

Dann kommt Cousin auf die Unruhen in Frankreich zu sprechen, die aus Unglauben, Sittenlosigkeit, Gottesverachtung entstanden seien. Besser als in Trient sich mit Nichtigkeiten zu beschäftigen wäre es, Tag und Nacht über Abhilfe hierin nachzudenken; zu schreiben, statt Luxus zu treiben; Männer hierin zu unterstützen.

Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis: B c VI 160-163

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc VI 160 | Bc VI 161 | Bc VI 162 | Bc VI 163

Illustrationen

Buchseite

Titelseite

Buchseite

Vorrede an den Leser vom Herausgeber Marcus Hopper, 1. Seite

Buchseite

Vorrede an den Leser vom Herausgeber Marcus Hopper, 2. und 3. Seite

Buchseite

Vorrede an den Leser vom Herausgeber Marcus Hopper, 4. Seite (li); Widmung an Johannes de Plana, Rat der Herzogin Anna von Lothringen, von Gilbert Cousin, datiert Nozeroy, 31. Dez. 1563, 1. Seite (re)

Buchseite

Widmung an Johannes de Plana, Rat der Herzogin Anna von Lothringen, von Gilbert Cousin, datiert Nozeroy, 31. Dez. 1563, 2. und 3. Seite

Buchseite

Anfang von 'De somnio' mit vorangestellter Inhaltsangabe (argumentum)

Buchseite

Letzte Textseite des 4. Bandes mit Kolophon

Buchseite

Druckermarke von Heinrich Petri