GG 99
Plutarchi Chaeronensis Moralia, quae usurpantur. sunt autem omnis elegantis doctrinae Penus: Id est, varij libri: morales, historici, physici, mathematici, denique ad politiorem litteraturam pertinentes & humanitatem: Omnes de Graeca in Latinam linguam transscripti summo labore, cura, ac fide. Guiliel. Xylandro Augustano interprete: cuius nunc demum etiam Annotationes locupletissimae (si rem spectes) una eduntur... Basel: Thomas Guarin August 1572. 8°. 3 Bde.
Zwei Jahre nach der Folioausgabe seiner Übersetzung der sog. Moralia Plutarchs (GG 98) lässt Xylander bei Guarin im Schutz des Privilegs von 1570 eine verbesserte Neuauflage, nun in drei handlichen und kostengünstigen Oktavbänden, mit Annotationes - Textkritik und Erklärungen - folgen, in deren neuer zusätzlicher Vorrede (neben der von 1570) er auch auf die Vorgeschichte seiner griechischen Ausgabe der Moralia, die 1574 als sein letztes grosses Werk folgen wird (GG 101), zu sprechen kommt, nachdem er ihre Textvorlage schon um 1567 abgeschlossen hatte.
Zu Beginn dieser Vorrede an den Leser vom 12. August 1572 weist er darauf hin, dass er die Übersetzung dieses zweiten Bandes der Schriften Plutarchs vor gut fünf Jahren begonnen habe (d.h. 1567; 1561 war seine Übersetzung des "ersten" Bandes, der Vitae, erschienen). Zu jener Zeit habe der Basler Drucker Eusebius Episcopius auch an einen neuen Druck des griechischen Textes gedacht (ihr letzter griechischer Druck, erst der zweite Gesamtdruck nach der Aldina von 1509 überhaupt, war 1542 bei Hieronymus Froben und seinem Vater Nicolaus Episcopius erschienen [GG 97]). Und da er gern für ihn den Text verbessert hätte, habe er von ihm eine Handschrift und ein Exemplar der Aldina erhalten. Doch jene Handschrift enthalte nur den kleineren Teil der Texte der Aldina und es fehlten gerade die Schriften, die am fehler- und lückenhaftesten überliefert seien, was er in seinen Annotationes hin und wieder beklage. Man habe aber schon damals (1567) die griechische Ausgabe erwartet, die schliesslich an der Frankfurter Frühlingsmesse dieses Jahres aus der Offizin des um die besten Autoren hochverdienten Genfer Druckers Henricus Stephanus im Handel erschienen sei (diese griechisch-lateinische Ausgabe von 1572 war die erste Gesamtausgabe der Vitae und Moralia zusammen). Daher habe er, obwohl er in seiner Arbeit gut vorangekommen sei und dabei auch keine fremden Hilfsmittel verachtet habe, dennoch jene Ausgabe schon im voraus verschlungen und die Freude vorausgenommen gehabt, die er von ihr für seine Verbesserung des Textes erwartet habe. Doch sein griechischer Text, wie er ihn verbessert habe, liege nun, weniger nach seinem Plan als nach dem Willen anderer (wohl des Episcopius), immer noch ungedruckt und zwei Jahre seien seit dem Druck seiner Übersetzung schon vergangen (bei Guarin im Herbst 1570). Er habe damals Gründe gehabt, mit der Ausgabe zu eilen, aber er bereue sie auch heute nicht. Erstens: wenn jene griechische Genfer Ausgabe seinen Erwartungen einigermassen entsprochen hätte, hätte er damals die seine zu lange aufgeschoben, da er sie dann kaum vollständig nach jener hätte ergänzen oder verbessern können, so genau umschreibe ihr Autor das Verbot, das Buch, auch wenn man es für teures Geld gekauft habe, zu benützen. Wohl aus Furcht vor Plagiatoren - wenn er die hasse, sei er mit ihm einig. Da nun aber seine Ausgabe jener um anderthalb Jahre vorausgegangen sei, werde wohl niemand ihn verdächtigen, sie benützt zu haben. Und, offen gesagt, sei jene Ausgabe auch kein Tabu (ouden ēieron). Er achte fremde Arbeiten keineswegs für gering, doch nehme er auch die eigenen vor Verleumdungen ein wenig in Schutz. Der von ihm verbesserte griechische Text, den er, wie gesagt, mit einiger Hilfe der Handschrift des Episcopius hergestellt habe, sei also noch nicht veröffentlicht, werde aber zur passenden Zeit, wie er es für würdig halte, erscheinen (versucht er mit diesen Äusserungen nicht auch ein wenig, Episcopius zum Druck zu veranlassen?). Inzwischen könne man für die Schriften, deren Übersetzung ihm Stephanus zu seinen Lebzeiten für seine Ausgabe gestohlen habe, durch einen Vergleich mit dessen griechischem Text feststellen, was für Fehler er ausgemerzt und was für Lücken er ergänzt habe, die sich in jenem griechischen Text noch fänden. Es wäre leicht, hier Beispiele anzuführen, doch überlasse er das den studiosi. Wer die Annotationes lese, werde genug Anhaltspunkte finden. Wenig hätte er aus jener Ausgabe, die nun vorher erschienen sei, in die seine, oder wenigstens in die Annotationes, übernehmen können. Aber das könne auch jeder selber bei einem Vergleich für sich vornehmen. Das sei wohl jedem erlaubt. Schliesslich habe er auch seine Arbeit der Öffentlichkeit nicht länger vorenthalten wollen und auch für sich schauen müssen. Viele hätten sie erwartet und er habe sie dank fremden Publikationen und privater Hilfe verbessern und ergänzen können. Verändert sei sie vor allem durch die hinzugekommenen Annotationes, mit denen er wohl dem ganzen Werk einen Gipfel aufgesetzt habe. Aus Zeitgründen habe er sie seinerzeit der vorhergehenden Ausgabe nicht mehr beigeben können, doch auf eine bessere Ausgabe gehofft. Zu ihrem Vorteil, denn er habe sie in der Zwischenzeit nicht unbedeutend verbessern können. Er belege in ihnen seine Übersetzung, verbessere den griechischen Text, schlage Konjekturen vor, die die Gelehrten annehmen oder ihrerseits nochmals verbessern könnten. Auch gäben sie Auskunft, warum er manches anders als hochverdiente frühere Gelehrte, Turnebus, Budaeus, Junius, Erasmus übersetze. Er habe viele dunkle Stellen erklärt, sich aber grösster Knappheit beflissen. Schliesslich solle der Leser seinem Buch das hinzufügen, was die Ausgabe des Stephanus an Beachtenswertem gebracht habe. Wenn seine Übersetzung und seine Annotationes öfters mit einer Lesart des Stephanus und dessen Annotationes übereinstimmten (was er hin und wieder bemerkt habe), so habe man auf keiner Seite auf ein Plagiat zu schliessen, denn seine Annotationes seien lange vor dem Erscheinen jener Ausgabe geschrieben worden und Stephanus hätte seinerseits dann vieles nach seiner Übersetzung verbessern können (d.h. nach deren erster Ausgabe von 1570). Abweichende Lesarten habe er sich schliesslich schon seit Jahren notiert. Sein Stolz sei, als erster Plutarch vollständig übersetzt und nun auch annotiert zu haben (die Vitae hatten schon gleich 1561 Annotationes erhalten gehabt). Fragmente und andere Verbesserungen spare er für ein andermal auf, hoffe aber, sie bald zu publizieren. Die Leser möchten Kurfürst Ludwig danken, dank dessen Grosszügigkeit er diese Arbeit habe vollenden können.
Ex libris Academiae Basiliensis: B c VII 165-167; ein zweites Exemplar im Besitz des Frey-Grynaeums: Frey-Gryn. J VII 13.
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Bc VII 165 | Bc VII 166 | Bc VII 167