GG 101
Ploutarchou tou Chairōneōs philosophōn te kai historikōn exochōtatou Mikta syngrammata, Ēthika tois pollois legomena.
Plutarchi Chaeronensis Philosophorum & Historicorum principis Varia scripta, quae Moralia vulgo dicuntur, vere autem Bibliotheca & Penus omnis doctrinae appellari possunt. Incredibili cura ac labore, & fide summa, multa mendarum millib. expurgata, Indicib. locupletisz. instructa, a Guil. Xylandro Augustano: & inclytae ac florentiss. Basileae honoris gratia dedicata... Basel: Eusebius Episcopius und Erben des Nicolaus Episcopius jr. 1574. Fol.
Im März 1561 war zugleich bei dem aus Basel übergesiedelten Heidelberger Typographus Academiae Ludwig Lucius und bei Johannes Oporin in Basel eine kommentierte lateinische Übersetzung der Vitae Plutarchs vom Heidelberger Professor graecarum litterarum (seit Herbst 1558), später für aristotelische Philosophie, auch für Mathematik Wilhelm Xylander erschienen, nach dem Tod Oporins 1570 in Basel bei Thomas Guarin eine erste Ausgabe seiner Übersetzung der sog. Moralischen Schriften (GG 98), eine zweite, nun mit Kommentar, im August 1572 beim selben Drucker (GG 99). Zwei Jahre später gibt er diese nun auch griechisch heraus, bei Eusebius Episcopius, mit feierlicher Widmung an die Universität und mit ihr die Stadt Basel, dementsprechend seinem Porträt auf der Rückseite des Titels mit Geleitgedicht des aus Marburg stammenden Basler Professors für Poetik Theobald Müller (Mylius; immatrikuliert 1568/69, 1581 Schulrektor in Frankfurt). Xylander (1532-1576) hatte sich als Baccalaureus der Universität Tübingen dank Unterstützung aus Augsburg am 20. Juli 1557 in Basel immatrikuliert, nachdem er schon 1556 - Brotberuf des Studenten - zwei byzantinische Erstausgaben für Oporin besorgt hatte. Im Herbst 1558 hatte er dann, auf Empfehlung u.a. des Thomas Erastus, die Professur für Griechisch in Heidelberg erhalten. Schon um 1567 hatte Xylander die Druckvorlage zu unserer Ausgabe erstellt gehabt, u.a. nach einer griechischen Handschrift, die ihm Episcopius - mit der Aldina zusammen - zur Verfügung gestellt hatte; doch in Erwartung einer Ausgabe von Henri Estienne hatte Episcopius den Druck offenbar zurückgestellt, wie wir der lateinischen Ausgabe von 1572 entnehmen können.
Xylanders Widmung von Heidelberg, 14. August 1574, an die hohen, durch Frömmigkeit, Weisheit und Tugend hervorragenden Burgermeister und Rat des berühmten und in wahrer Freiheit blühenden Staats Basel, mit feierlicher Unterschrift des untertänigsten Wilhelm Xylander aus Augsburg, öffentlichen Lehrers der Aristotelischen Logik an der Universität Heidelberg, wächst sich, nach den fachlichen Details, in ihrem zweiten Teil zu einer Dankes- und Lobrede auf Universität, Drucker und Stadt Basel aus. Er widme ihnen seinen Plutarch und bitte sie, nach dem Brauch, seine Verehrung für ihre Stadt in ihrer gütigen Weise anzunehmen. Lob, um goodwill zu erlangen, halte er hier nicht für nötig; ihm falle es leichter zu verehren und zu bewundern, als zu lobpreisen. Und wozu brauche man das in aller Welt besungene Basel noch zu rühmen? Aber um ihren Ruhm nicht bösartig zu schmälern zu scheinen, da er ihn nicht gebührend zu preisen verstehe, wolle er kurz, was Aeschylus von Amphiaraus, die Athener von Aristides, andere von Cato dem Zensor gesagt hätten, ohne Schmeichelei von den Herren Basels singen: sie wollten nicht die Besten scheinen, sondern sein, hätten jeder eine tiefe Furche in ihrer Brust, woraus ihre erhabenen Pläne keimten (in metrischer Übersetzung der Verse 592-94 aus den Sieben gegen Theben für die Basler Behörden, die ja nicht unbedingt die Sprache des Aeschylus verstanden). Das solle ihm genügen. Grund dieser Widmung sei die Bedeutung Plutarchs, die er aber schon genügend in den Vorreden und Annotationes zu seinen Übersetzungen herausgestellt habe. Wie verderbt aber seine Schriften, die er ihnen hier widme (den andern Band mit den Vitae wolle er, mit Gottes Hilfe, ebenfalls zu seiner Zeit verbessert herausgeben - er ist in den letzten zwei Jahren seines Lebens nicht mehr dazu gekommen) bisher gewesen seien, könne man am besten bei einem Vergleich seiner Ausgabe mit allen andern erkennen, auch dass seine Formulierung des Titels keineswegs überheblich sei. So dürfe er diesen Plutarch durchaus den seinen nennen: er habe Tausende von Fehlern (wie im Titel gesagt) berichtigt. Da ihm dabei keine Handschriften geholfen hätten (die des Episcopius enthalte nämlich nicht einmal die Hälfte des Werkes und es fehlten gerade die dunkelsten und verderbtesten Teile), habe er sich notgedrungen ganz auf seine Gewissenhaftigkeit verlassen müssen. Er habe sich bei den unterschiedlichsten Autoren umsehen, die unterschiedlichsten Abhandlungen sämtlicher Gebiete der Philosophie durchgehen, die verschiedenen Übersetzungen abwägen, sich mit vielfältigsten Mutmassungen auseinandersetzen müssen. Dies mit Freuden, da er sich gleichsam schicksalhaft Plutarch verbunden sehe. Nachdem er als erster sämtliche erhaltenen Schriften ins Lateinische übersetzt gehabt habe, habe er ihm und der Öffentlichkeit auch die Verbesserung der griechischen geschuldet. Die Buntheit und Anmut des Werkes habe ihn dabei erquickt. Und da er einen grossen Ertrag daraus gezogen, dürfe es auch den Lesern Nutzen bringen. Diesen diene er, indem er ihnen den Stoff in einem reichhaltigen Index gleichsam vorgekaut in den Mund reiche (die Indices sind auch im Titel speziell hervorgehoben). Einen grossen Nutzen bringe die Ausgabe denen, die sich der Literatur richtig widmeten, d.h. indem sie das Griechische mit dem Lateinischen zusammen läsen. Wenn sie diese verbesserten Texte zusammen mit seiner Übersetzung und den Annotationes seiner späteren Ausgabe (1572) zusammen läsen, würden sie sich ohne grosse Arbeit inhaltlich und sprachlich sehr bereichern. Eine reiche Saat, geradezu ein Füllhorn sei das Werk, für alle Interessen, alle Lebenslagen; zur Ernte lade der mit grossem Aufwand erstellte Index. Was kein Vater, kein Lehrer, kein Freund bieten könne, das böten alles diese Bücher mit ihrem Index. Die Zitate anderer Autoren habe er alle am Rand ausgewiesen (teilweise mit genauesten Stellenangaben), damit man den Text Plutarchs mit ihnen vergleichen könne. Ein anderer Katalog weise die von Plutarch als Zeugen erwähnten Autoren aus; mit dessen Hilfe könne man Fragmente vieler sonst verlorener Philosophen, Historiker und Dichter finden. Er habe im Text nicht zu ändern gewagt, dafür in den Indices seine Lesart vorgeschlagen. Ein umsichtiger Leser werde erkennen, dass er sich mehr um ihn als um seinen Ruhm gekümmert habe, und diese seine Arbeiten dankbar begleiten, was ebenso für die ehrenvollen, durch ihre Werke berühmten Dichter gelten solle. Sie hätten für einen zuverlässigen und schönen Druck dieser Arbeit weder mit Aufwand noch mit Sorgfalt gegeizt. Dass das, was er hier Basel widme, sein sei, habe er gezeigt, obwohl man ihm auch nichts vorwerfen könnte, wenn er etwas Fremdes mit seiner Vorrede oder seinem Kommentar herausgäbe und widmete, wofür es Beispiele bedeutendster Männer gebe; es genüge (um bei Basel zu bleiben) das des grossen Erasmus von Rotterdam. Viele Rechtschaffene wüssten, dass er sich Plutarch nicht durch Erdauern, sondern durch Plackerei und Aufwand zu eigen gemacht habe und dass alles, was ihn empfehle, sein sei, er da niemand etwas schulde. An sie gehe dieses Geschenk in dankbarem Gedenken an ihre Wohltaten; er habe nie an jemand anders gedacht. Denn er habe etwa zwei Jahre bei ihnen gelebt, in täglichem Umgang mit Gelehrten und Ungelehrten, und die Ehre, die die Universitäten für fleissige Pflege der Philosophie gewährten (Magisterium oder Doktorat) mit hoher Auszeichnung seines Namens erlangt (das Magisterium am 9. Februar 1558). Er gestehe, dass die berühmte Universität ihrer Schule (Universitatem scholae vestrae), in deren Obhut er sich einst begeben habe, es in nichts ihm gegenüber habe fehlen lassen. Er habe auch seine Frau in Basel gefunden und beschlossen gehabt, sein Brot in Basel zu verdienen, und ein Haus gemietet. Diese Pläne habe er dem göttlichen Willen hintangestellt und sich unmittelbar nach der Verlobung, noch vor der Heirat aus Basel nach Heidelberg begeben, wohin er nichtsahnend nach einem Plan Gottes berufen worden sei. Er habe den Vorstehern dieser Universität (schola) die Treue geschworen und sei zur Hochzeit nach Basel zurückgekehrt. Seither lehre er schon fast sechzehn Jahre in Heidelberg und bereue es nicht. Jetzt aber sei es an ihm, ihnen und durch sie ihrem Staat seine Ergebenheit und seinen Dank zu zeigen. Fast alle seine Arbeiten seien in ihrer Stadt erschienen und man dürfe den Gelehrten glauben, dass er der Stadt keine Schande gebracht und ihren Ruhm, den sie durch den Buchdruck geniesse und mehre, mit seinen Büchern nicht gemindert habe. Auch dafür danke er Basel ewig, dass es ihm nicht nur eine Gattin und durch sie Kinder geschenkt habe, sondern sich auch nicht gescheut habe, seinen Öllampenfrüchten Hebammendienste zu leisten. Deshalb möchten sie dieses Unterpfand seines Dankes, seiner Verehrung im Namen der Bürgerschaft und Stadt Basel gütig von ihrem Xylander entgegennehmen. Er zweifle nicht, dass ihre Bürger, vor allem die berühmte Schar der Gelehrten ihrer Universität (Academia), die sich um ihn in edelster Weise verdient gemacht habe, seine Empfindung für ganz Basel, zumindest aber diesen Versuch gutheissen würden und dass alle Fremden sie für den Nutzen dieses Geschenkes hochschätzten und lobten. Er bitte sie, wie er diese Arbeit Basel gewidmet habe, seinen Eifer gutzuheissen und ihn als einen der Ihren anzunehmen.
Exemplar aus Besitz des Basler Mathematikers Daniel Huber: B c II 102
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Bc II 102
Illustrationen
Vorrede von Xylander "an die hohen, durch Frömmigkeit, Weisheit und Tugend hervorragenden Burgermeister und Rat des berühmten und in wahrer Freiheit blühenden Staats Basel", Heidelberg 12. Aug. 1574, 1. Seite mit feierlicher Unterschrift des untertänigsten Wilhelm Xylander aus Augsburg, öffentlichen Lehrers der Aristotelischen Logik an der Universität Heidelberg