GG 102

Vitae Graecorum Romanorumque illustrium, autore Plutarcho . Habes hic Lector, omnium quos summis felicissimisque temporibus Graecia, quos Latium principes viros tulit, eminentissimarum in rebus omnibus gerendis virtutum speciosissimos flores, illustrissima exempla, historiae veteris sine dubio medullam, ex graeco fonte summa vigilantia repurgatum exemplar, exordijs, epilogisque omnibus qui desiderabantur, supra mendas innumerabiles, restitutis: tum autores lucis maioris gratia commode saepe accitos: ad haec huius demonstrativae orationis locos sparsim sic annotatos, ut non solum percipere rectius faciliusque tantum autorem, sed etiam in dicendo virtutes huius imitari studiosi possint... Basel: Johannes Bebel März 1531. Fol.

Ende März 1529 war Simon Grynaeus, gleichzeitig mit Sebastian Münster (auf den Lehrstuhl für Hebräisch), aus Heidelberg von Johannes Oecolampad an die nach der kirchlichen Reform wieder eröffnete Basler Universität als Professor für Griechisch berufen worden, am 8. Mai war er angestellt worden und am 3. Juli hatte er hier schon sein erstes Kolleg über die Rhetorik des Aristoteles begonnen. Im Mai/Juni 1531 wird er, auf Handschriftensuche und zu theologischen Gesprächen - u.a. mit dem König - mit Johannes Bebel nach England reisen. Zuvor erscheint bei Bebel im Mai auch noch seine grosse griechische Aristotelesausgabe mit Erasmus (GG 112). Ein volles Pensum für den Drucker - und für Grynaeus, wie seine Vorrede an den Leser vom März des Jahres zeigt. Wir können aus ihr ermessen, welche Mühe sorgfältige Neuausgaben mit sich bringen konnten, lernen Bedingungen kennen, unter denen die Herausgeber und die vom Buchhandel und den Messen abhängigen Drucker zuweilen zu arbeiten hatten (Termine!) und bekommen Einblick in die Entstehung eines Neudrucks, eines Druckwerks der Zeit überhaupt. Die lebendige Darstellung aus der Rückschau erinnert an des Erasmus Schilderung der Niederschrift und Drucklegung seiner Adagia bei Manutius 1508. 

Grynaeus beginnt seine Vorrede mit einer Rechtfertigung, dass er mit der Ausgabe nicht die Arbeit anderer - seiner Vorgänger - herabmindern wolle. Doch er habe gesehen, dass ein Teil des Werkes Plutarchs durch die Sorglosigkeit der Drucker verderbt gewesen sei, und habe die Fehler, die sich durch mehrmalige Abschrift eingeschlichen hätten, mit Hilfe des griechischen Textes verbessern wollen, kaum ein ehrgeiziges Vorhaben; mehr hätten seine andern Tätigkeiten nicht erlaubt. Die - wie er, selber mehr den griechischen als den lateinischen Plutarch benützend, gemeint habe: geringfügigen - Fehler der Übersetzer habe er ohne viel Aufwand tilgen zu können gehofft. Als daher der Drucker schon lange zugeredet und ihm einen schönen und sorgfältigen Druck versprochen habe (nitidamque scripturam & accuratam nobis pollicenti), habe er leicht (und, wie sich zeigte, und er dann wenige Zeilen später gesteht: leichtfertig) zugesagt. Beim Vergleichen habe er sofort gesehen, in welche Schwierigkeiten er sich eingelassen habe. Er habe ein Werk vorgefunden, das Männer unterschiedlichster Bildung geschaffen hätten: einer habe zwar Latein, aber kein Griechisch, ein anderer Griechisch, aber kein Latein können, ein dritter beides gleich wenig, keiner habe wirklich übersetzen können. Daraus ersehe man die Mühe, die er - wie jeder andere auch - gehabt habe, aus diesen ungleichen Texten, an Kopf und Fuss verderbt, an unzähligen Stellen verstümmelt, eine Einheit zu schaffen. In einigen Viten sei kaum ein Satz richtig wiedergegeben gewesen, so dass sie vielleicht gar zur Schändung der angegebenen Namen Übersetzern unterschoben oder von solchen bewusst unter falschen Namen publiziert worden seien. Doch ohne eigenen Vertrauens- und des Druckers Bebel finanziellen Verlust habe er auch nicht zurücktreten können. Zwei Schwierigkeiten hätten ihn besonders bedrängt: dass die Arbeit habe vollendet werden müssen - und die Druckerregeln dürfte der Leser kennen - und dass in einer zu bestimmt bemessenen Zeitspanne des Druckers jeder Fehler entfernt, jeder Knoten habe gelöst werden müssen, da er gleichermassen Plutarch und Bebel verpflichtet gewesen sei, und der eine Eile, zuweilen mit Vorwürfen, der andere Genauigkeit und Sorgfalt verlangt habe. In der knappen Zeit habe er auch nie jemand zu Rate ziehen können, alles aus dem Augenblick heraus bewerkstelligen müssen. Und er wäre der Arbeit erlegen, wenn nicht der begabte junge Hieronymus Agninus (ein Schüler des Grynaeus aus Heidelberg, auf der Durchreise nach Italien: s. unten) fast am ganzen Werk tapfer mitgearbeitet hätte. Denn kein Zeitraum sei für ihn vorgesehen gewesen, gleichzeitig habe der Drucker gesetzt und er verglichen, gleichzeitig sei begonnen und vorangearbeitet worden, bei jenem der Druck und bei ihm die Herstellung des Textes vollendet worden (wozu noch am Abend jeweils die Korrekturlesung des am Tage gesetzten Textes gekommen sein dürfte). Fehler habe er trotz der Bedrängnis, wenn er sich nicht wegen der Eile täusche, keine hineingebracht, einige allerdings aus dem selben Grund stillschweigend übergangen, unzählige aber ausgemerzt. Die Einleitungen, in denen Plutarch eher Gemeinplätze behandle, die von den Übersetzern öfters ausgelassen worden seien, habe er ergänzt. Die vergleichenden Nachworte, nach denen die Vitae parallelae benannt seien, die die Übersetzer wohl wegen ihrer Schwierigkeit ausgelassen hätten, habe er beigefügt, 600 Lücken von bis zu zwölf Zeilen ergänzt (und, was er hier nicht, aber der lange Titeltext erwähnt: er hat marginal Quellenhinweise für den Leser beigegeben). Die Viten des Marius, Timoleons, Othos und Galbas hätte er mit weniger Arbeit neu übersetzen als verbessern können, wenn nicht die Arbeitsweise des Druckers (der er auf dem Fusse habe folgen müssen), von der Mitte (d.h. der Mitte einer Lage) rückwärts schreitend und wie Wegelagerer von verschiedenen Seiten zugleich hereinstürzend, es verboten hätte, der Reihe nach zu arbeiten. Die Vita des Agesilaos, die vorher nicht enthalten gewesen sei (denn die bisher mitgedruckte sei - und das hat sich bewahrheitet - ein Werk Xenophons) habe er ganz übersetzt, genauestens und unter Wahrung jeder Redeweise, ausser wo die lateinische Sprache dem entgegengestanden sei. Die Titel habe er, soweit nicht gänzlich falsch, belassen. Ihn dauere, dass dem gebildeten Philelphus ein solches Unrecht geschehen sei, weshalb er diejenigen Viten, die auch verbessert seiner nicht würdig seien, dem Leser anonym übergebe. Einige würden dem Tudertinus zugeschrieben: ein Teil zeige die Sorgfalt eines gebildeten Mannes, ein anderer nur die Dummheit eines Dilettanten, so dass sie kaum von Tudertinus seien (Antonio da Todi, 15. Jh., ausser diesen Übersetzungen von ihm nichts bekannt). Seine Leistung, d.h. die Unterschiede gegenüber den vorangehenden Drucken, könne der Leser selber feststellen. Dank verlange er keinen, auf solchen könne man bei derlei Arbeit nicht ausgehen. Anderseits habe er öfters Gelehrte, die sich auf Plutarch nach den bisherigen Übersetzungen beriefen, bei Fehlern ertappt. Doch er wolle die Studien fördern, nicht andere anklagen. Er habe auch nichts dagegen, wenn jemand die von ihm übernommene Aufgabe noch sorgfältiger angreife. Wenn einer allein alles übersetze, werde er das Werk, auch wenn an vielen Stellen nicht besser, so doch einheitlicher werden lassen; aber er zweifle daran, dass einer das fertig bringe. Doch sei es wie es wolle, er empfehle dem Leser die Geschichte Plutarchs. Neben den Topoi jeder Geschichtsempfehlung führt Grynaeus hierfür - bemerkenswert - als erstes an, dass Plutarch als Grieche auch die römische Geschichte und Sprache beherrscht habe. 

Schon 1535 hat Bebel die Vitae nochmals, nun ohne die nicht mehr aktuelle Vorrede, gedruckt, inhaltlich unverändert, aber papiersparend mit leicht vergrössertem Satzspiegel. Der junge Hieronymus zum Lamp (Agninus, *1508) aus Frankfurt, hatte sich im Dezember 1528 mit seinem Brudes Marcus in Heidelberg immatrikuliert und hat sich im Oktober 1530 mit diesem und dem Nachfolger auf dem griechischen Lehrstuhl des Grynaeus in Heidelberg Johannes Senf (Sinapius) über Strassburg, Schlettstadt (Rhenanus) und Basel nach Italien aufgemacht; offenbar ist zumindest er einige Monate in Basel bei seinem ehemaligen Professor geblieben. Nach Studien in Padua hat er in Ingolstadt in den Rechten promoviert und ist Stadtadvokat von Frankfurt geworden. Sinapius hat dem Druck ein lateinisches Epigramm auf die Augiasstallausmistung des Simon (Grynaeus) auf der Titelseite beigesteuert.

Ex libris Bibliothecae Basiliensis Universitatis: B c I 88

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc I 88

Illustrationen

Buchseite

Titelseite mit Epigramm auf Simon Grynaeus von Johannes Senf (Sinapius)

Buchseite

Vorrede vom Herausgeber Simon Grynaeus an den Leser, 1. Seite

Buchseite

Vorrede vom Herausgeber Simon Grynaeus an den Leser, 2. Seite

Buchseite

Vorrede vom Herausgeber Simon Grynaeus an den Leser, 3. Seite

Buchseite

Vorrede vom Herausgeber Simon Grynaeus an den Leser, 4. Seite

Buchseite

Anfang der 'Vita Thesei'

Buchseite

Letzte Textseite mit Kolophon

Buchseite

Druckermarke von Bebel