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Aristotelis philosophorum principis Octavus Topicorum liber, absolutam quandam disputandi methodum continens, doctissimisque annotationibus D. Simonis Grynaei illustratus. Una cum epistola nuncupatoria Sebastiani Lepusculi Basiliensis, in qua aeditionis huius ratio redditur, simulque Academiae Basiliensis institutum obiter indicatur. Basel: Hieronymus Curio 1545. 8°.
Typus omnium praeceptorum Aristotelicorum, quae in octavo libro Topikōn interroganti & respondenti dantur, miro compendio a D. Simone Grynaeo concinnatus. Basel: Hieronymus Curio 1545. Fol.
Nur wenig ist über die wissenschaftliche Tätigkeit des vierten Professors der griechischen Sprache an der Basler Universität nach Simon Grynaeus, Johannes Oporin und Marcus Hopper Sebastian Lepusculus (1501-1576) bekannt; einige Bücher aus seinem Besitz besitzt die Basler Bibliothek. 1542 hatte Lepusculus (Häsli) die Professur für Logik erhalten, die er als Professur für Organon ausgeübt habe, 1549 diejenige für Griechisch, 1556 dann als Nachfolger Sebastian Münsters und Simon Sulzers diejenige der hebräischen Sprache. Daneben versah er Pfarrstellen. Hier gibt er seine Kollegnachschrift von Vorlesungen seines Lehrers und ersten Vorgängers Grynaeus heraus, seine andern beiden Publikationen sind erweiterte Neuausgaben von Werken seines Vorvorgängers und Lehrers der Hebraistik, Münster: 1559 eine Neuausgabe von dessen hebräisch-lateinischer Ausgabe des Joseph ben Gorion, 1562 von dessen Dictionarium Trilingue. Seine Skrupel als Herausgeber - oder gar Autor - zeigen sich auch in Äusserungen in dieser Widmung an den Augsburger Syndikus - Stadtschreiber - Claudius Pius Peutinger, datiert aus seinem "musaeum" in Basel vom 12. November 1544, in der er über die Ausgabe Rechenschaft gibt, dabei von den Basler Studien berichtet, und zuletzt eine Beschreibung der Vorlesungstätigkeit an der Basler Universität und dem ihr inkorporierten Pädagogium bietet. Weiter weist er auf die engen Verbindungen der Augsburger Bürger mit der Basler Universität hin. In der Tat gehört Augsburg zu den Städten, aus denen, natürlich nach Basel und Zürich, mit Strassburg, Bern und Konstanz, die doch alle bedeutend näher liegen, im 15. und noch ganzen 16. Jahrhundert am meisten Studenten die Basler Universität besucht haben. Mit Claudius Pius Peutinger (1509-1551), dem ältesten Sohn des berühmten Augsburger Humanisten und Stadtschreibers Conrad Peutinger, dürfte Lepusculus, der dann 1546-1549 selber als Prediger in Augsburg gewirkt hat, von dessen Basler Studium von 1524 (s.u.) her befreundet sein. Während für Aristoteles die logischen Schriften keine bibliographische Einheit gebildet hatten, die Analytik (heute Logik) für ihn nicht eine Wissenschaft, sondern eine propaideia gewesen waren, wurden bald die Kategoriai, die Hermeneutika, die Topika und die beiden Analytika zum sog. Organon zusammengefasst. Das 8. Buch der Topik, d.h. der dialektischen Technik, enthält praktische Ratschläge über die Stellung und Anordnung der Fragen und über die Rechte und Pflichten des Antwortenden im Dialog, bzw. im 16. Jahrhundert in der Disputation.
Wie die Disputationen, beginnt Lepusculus, die die Studenten (studiosi) untereinander hielten, entweder der Übung oder der Wahrheitsfindung halber stattfänden, so müssten die Disptuanten ohne bestimmte Richtlinie (ratio) unweigerlich vom Wege abkommen und bei den Zuhörern Gelächter ernten. Hierzu habe Aristoteles eine grossartige, überaus nützliche und notwendige Methodik verfasst - wie sehr viel in den Wissenschaften als erster - und diese im 8. Buch der Topik festgehalten. Diese Lehren dienten aber nicht nur den Disputanten, sondern auch dem Unterricht. Das zeige sich an den Werken Platos, die man mit ihnen, gleichsam als Kommentar, verstehe. Sodann habe Simon Grynaeus dieses achte Buch der Topica, damit ihnen seinerzeit als Studenten (studiosi) nichts fehle, in der Basler Universität gewissenhaft erklärt und mit Beispielen aus Plato, Cicero und andern guten Autoren erläutert. Auch aus heiligen Schriften habe er, den Studenten (candidati) der Theologie zuliebe, Beispiele beigefügt. Das sei kurz vor seinem Tod (1.8.1541) geschehen. Er sei nicht des Aberglaubens gewesen wie heute manche Stündeler, sogar Abergläubler, die es für eine Todsünde hielten, aus Aristoteles, dem Fürsten der Philosophie, auch nur das Geringste zu lehren oder zu lernen, sondern darauf bestünden, aller Unterrichtsstoff sei den Büchlein derer zu entnehmen, die in diesem Jahrhundert Einführungen für die Anfänger geschrieben hätten. Lächerlich, wie wenn jene ihre Büchlein veröffentlicht hätten, um damit Aristoteles aus den Schulen der Christen zu verbannen. Sie begriffen nicht, was jene mit ihren Lehrbüchern (compendijs) gewollt hätten, nichts anderes, als mit diesen ersten Schritten in den Wissenschaften den jungen Anfängern den Weg zu öffnen, damit sie nicht unvorbereitet sich auf die Aristoteleslektüre stürzten. Hierher passe, worauf der hochgelehrte Philipp Melanchthon in seinem kleinen Handbuch der Dialektik hinweise (Compendiaria dialectices ratio, Leipzig 1520, Basel 1521, Köln 1522): Aristoteles müsse sich in den Händen aller Studenten befinden, und zu dessen Studium (lectionem) habe er mit seinem kleinen Kommentar den Weg öffnen wollen. Soweit Melanchthon. Warum solle es nicht erlaubt sein, die Schriften der Philosophen und anderer - heidnischer - Autoren, zum Ruhme des heiligen Namens Gottes, zu benützen, wo doch die Israeliten zum Bau des Tempels des Herrn die Hilfe der Ägypter genützt hätten. Er anerkenne die Theologie als Königin aller Wissenschaften. Doch folgten die Theologen der Lehrmethode des Aristoteles, die Gott zum Nutzen geschenkt habe, nach Möglichkeit. Ohne sie könne man weder heilige noch profane Literatur unterrichten. Da komme ihm der Satz des Grynaeus in dessen Vorrede zu den fünf Begriffen des Porphyrius in den Sinn, dass uns die Schrift eines Gottlosen um Christi willen dienen möge (Erinnerung aus einer Vorlesung des Grynaeus? In seiner Vorrede zum Organon, dem die Isagoge des Porphyrius vorangestellt ist, von 1536 wie in den Aristoteles-Gesamtausgaben findet sich diese - allerdings ganz der Einstellung des Grynaeus entsprechende - Äusserung nicht). Während der Vorlesungen des Grynaeus über dieses Buch der Topica habe er, nach bestem Vermögen, in Bienenart soviel er habe können diese Scholien aus seinem Mund gesammelt. Und er habe keine Vorlesung verpasst. Dafür könne er, wenn nötig, höchst glaubwürdige Zeugen beibringen: den gewissenhaften Professor der Mathematik Vitus Ardisaeus (Veit Ardüser aus Graubünden, immatrikuliert 1537, Professor der Mathematik 1542-1556), den Basler Schulmeister Marcus Hopper, nun aus seinem Dienst befreit und zu einem Professor der Basler Universität gewählt (immatrikuliert 1533/34, 1541-1544 Schulmeister an der Lateinschule auf Burg, 1544 Professor der griechischen Sprache, später auch der Logik, nach 1549 Professor der Physik, dann der Institutionen, Herausgeber im Verlag seines Schwiegervaters Heinrich Petri), Philipp Bächi (aus Freiburg i. Br., immatrikuliert 1537/38, 1542 in Wittenberg, 1545 in Leipzig, 1553 Lizentiat der Medizin und Professur für Griechisch, für Logik in Basel), einen Neffen des Breisachers Johannes Gast (Diakon zu St. Martin in Basel 1529-1552, bekannt durch sein Tagebuch), und viele andere. Als dieser kleine Kommentar des Grynaeus zu Ende geführt gewesen und der heilige Mann im Herrn dahin gegangen sei, habe er diese Kollektaneen sich immer wieder vorgenommen und von Mal zu Mal mehr Freude daran gehabt. Sie wären ihm wie ein Schwanengesang vorgekommen. Er habe sich überlegt, sie durch eine Ausgabe auch andern studiosi zugänglich zu machen, es aber nicht überstürzen wollen. Als jedoch nach drei Jahren immer noch niemand diese Hinterlassenschaft des seligen Grynaeus publiziert gehabt habe, habe er es als seine Pflicht und wertvoll angesehen, sie herauszugeben, nicht ohne Vorbild. Man besässe heute viele gute Autoren, profane und heilige, dank ihrer Schüler und Hörer. Er habe dennoch hierin nichts unüberlegt gemacht, habe es erst gelehrten und frommen Männern mitgeteilt. Viele unter diesen hätten ihn fast unanständig wie Aufseher zu dem Werk gedrängt und ihm schliesslich die Zusage entrungen. Dann habe er einen Patron und Mäzen gesucht, dem er nach Sitte der alten und der gegenwärtigen Autoren seinen Erstling widme, und da sei er gleich zuerst auf ihn gekommen, in Erinnerung an ihre alte Freundschaft von ihrem gemeinsamen Theologiestudium unter Johannes Oecolampad und in Gedanken an die Stadt Augsburg, die Königin unter den Städten Schwabens, in der er ruhmvoll als Syndikus wirke. Und da bemerke er, dass sein Basel seinem Augsburg immer bestens gesinnt gewesen sei, besonders deutlich in der letzten Zeit: Johannes Oecolampad, Urbanus Rhegius, Bonifacius Wolfhard seien getreue Hirten der Augsburger Kirche gewesen, Sixt Birck noch jetzt ein hervorragender Bildner ihrer Jugend (der Basler Reformator Oecolampad war aus Augsburg nach Basel gekommen, Urbanus Rhegius aus Langenargen - 1489-1541 - der spätere Reformator Niedersachsens, war im Juli 1520 als Nachfolger Oecolampads aus Konstanz zum Domprediger berufen worden; den dafür verlangten Grad eines Doktors der Theologie erwarb er noch vor Amtsantritt am 27. September in Basel; Wolfhard aus Buchen/Würzburg hatte sich im Winter 1517/18 in Basel immatrikuliert, war als Kaplan zu St. Martin Mitarbeiter Oecolampads, dann des Musculus in Augsburg; in diesen Kreis gehört auch Claudius Peutinger: er findet sich nicht in der Basler Matrikel; Oecolampads Schüler dürfte er 1524 gewesen sein, da er am 17. August dieses Jahres durch Guillaume Farel einen Gruss an Wolfhard nach Montbéliard gesandt hat; am 18.10.1525 schreibt Oecolampad an Wolfhard nach Strassburg, dass er sich bei Claudius Peutinger in Augsburg für ihn eingesetzt habe; der Augsburger Sixt Birck/Betuleius, Dramatiker und Philologe, war, nach Studien in Erfurt, Tübingen und Basel - ab WS 1523/24 - hier Schulmeister und 1537 Professor für Oratorik, seit 1538 Schulmeister und -rektor in Augsburg). Und die seien alle mit Doktors- und Magisterkränzen aus der Basler Universität wie aus einem Trojanischen Pferd hervorgegangen. Jetzt sei Wolfgang Musculus zu einem ihrer Kirchenväter gewählt worden, der kürzlich mit dem Kommentar zum Matthaeusevangelium ein Muster seiner Gelehrsamkeit und seiner Frömmigkeit geboten habe (der Lothringer Musculus war 1531 Nachfolger des Urbanus Rhegius in Augsburg geworden; nach Auflösung des Schmalkaldischen Bundes musste er dann 1548 Augsburg verlassen und wurde, nach kurzen Aufenthalten in Zürich, Basel und Konstanz 1549 Professor der Theologie in Bern; sein Matthaeuskommentar war 1544 in Augsburg erschienen, dann mehrmals in Basel von 1551 an). Und dessen Kollege Michael Cellarius sei berühmt für seine Standhaftigkeit. Ebenso Caspar Huoberinus (der seit 1525 in Augsburg wirkende Prediger, 1528 Teilnehmer der Disputation von Bern). Und unter den so zahlreichen berühmten Gelehrten ihrer Stadt anerkennten viele die Basler Universität als ihre Amme. Die übrigen, denen das nicht zuteil geworden sei, schickten ihr Kostbarstes, ihre Zöglinge und ihre kleinen Schützlinge (clientulos) hierher. Dazu gehöre zu vorderst der Bürgermeister Georg Herward (der protestantische Bürgermeister Augsburgs zur Zeit des Schmalkaldischen Krieges) der schon sechs oder mehr Jahre den begabten Martin Ostermuncher mit einem Stipendium studieren lasse (in Basel immatrikuliert 1543/44, dann 1545 in Tübingen). Dann Georg von Stetten (wohl er immatrikuliert in Basel 1533/34, dann 1535 in Tübingen), dessen gleichnamiger Vater ihrem frommen Bürger Jacob Braun ein sechsjähriges Theologiestudium ermöglicht habe (in Basel immatrikuliert 1543/44: hier wie bei Ostermuncher zeigt die sechsjährige Dauer, dass der Besuch mehrerer Universitäten bei den Stipendien eingeplant ist). Weiter die kaiserlichen Räte Anton Fugger und Johann Baumgartner, gütige Förderer der Wissenschaften, die jetzt viele Gelehrte gefeiert hätten. Schliesslich unter andern Augsburger Patriziern Andreas und Paul Rhemus, von denen ersterer mit ihm zusammen Johannes Oecolampad erfolgreich zum Präzeptor gehabt habe (Andreas Rem war offenbar der Sohn des 1537 gestorbenen Grosskaufmanns Andreas Rem, den dieser durch Vermittlung des Urbanus Rhegius 1524 zur Erziehung zu Oecolampad geschickt hatte, wie dem Brief des Rhegius an Oecolampad vom 21. Oktober 1524 zu entnehmen ist; Paul Rem ist 1535/36, ein Adam Rem 1540/41 in Basel immatrikuliert). Dazu gehörten verdientermassen die Brüder Johann und Paul Hainzel (ersterer 1535/36 in Basel, 1538 in Tübingen immatrikuliert, Paul Hainzel 1540/41 in Basel), Johann Baptist Schenck (in Basel immatrikuliert 1540/41, in Leipzig 1542-47), Johann Herrbrot (wohl aus der Patrizierfamilie der Herwart/Herbort; ein Jacob Herbort in Basel 1535/36 immatrikuliert: dieser gemeint?). Von denen hätten einige ihr Pflichtgefühl und ihren Lerneifer gegenüber den Manen ihres verstorbenen Präzeptors (Grynaeus) genügend bezeugt und anerkennten mit ihm zusammen Grynaeus als diesen. Von vielen habe er die Namen vergessen, doch auch die Rechtsgelehrten (iuris civilis studiosi) Rechlinger (aus der Augsburger Patrizierfamilie Rehlinger) und der Augsburger Stadtschreiber (1536-1548) Georg Frölich gehöre zu ihnen (seine deutsche Übersetzung des Stobaeus - aus dem Latein - ist 1551 bei Oporin in Basel erschienen [GG 311]). Glücklich die Stadt Augsburg, in der so viele Kirchen- und Staatsmänner einmütig für Christus zusammenwirkten, zum Besten des Volkes, wie der Herr die Brüder Moses und Aaron als Staatsmann und Priester nebeneinander eingesetzt habe. Und mit einem hebräischen Psalmenzitat wünscht Lepusculus (der ja auch Schüler und später Nachfolger Sebastian Münsters gewesen ist), dass ihnen Gottes Hilfe erhalten bleibe, ohne die alles nichtig sei (die glückliche Kooperation durch Vermittlerpersönlichkeiten fand keine vier Jahre nach dieser Widmung nach dem Schmalkaldischen Krieg 1548 in Augsburg ein jähes Ende). Darum widme er ihm zum Dank für Wohltaten dieses Büchlein, das im Hintergrund mehr biete, als es auf den ersten Blick verspreche, als Erinnerung an seinen Lepusculus. Zum Schluss wolle er ihm kurz die Einrichtung der Basler Universität (institutum scholae nostrae Basiliensis) beschreiben, damit sie umso frohgemuter ihre Söhne, Zöglinge und Schützlinge zur Ausbildung in Wissenschaft und Frömmigkeit schickten: zuerst seien gelehrte Männer gewählt worden, die die Jünglinge prüften, bevor sie den Klassen zugeteilt würden, damit sie sich die Vorlesungen nicht nach ihrem Gutdünken aussuchten. Die Universität sei in drei Klassen geteilt, deren erste im Augustiner Pädagogium (in den Räumen des ehemaligen Augustiner-Eremiten-Klosters) gleichsam die Mitte bilde zwischen der (Primar)-Schule (ludus trivialis) und der Universität (academia). Hier würden ständig vier Vorlesungen gehalten: in der ersten kämen die Regeln der Grammatik, in der zweiten ein lateinischer Autor: Terenz, Cicero, Vergil usw., in der dritten die griechische Grammatik, in der vierten ein griechischer Autor wie Lukian, Homer; einmal in der Woche übten sich die Schüler im Schreiben, sei es eines Briefes oder von Gedichten, um sich die Versmasse einzuprägen; am Sonntag werde der Katechismus behandelt. Die Zweitklässler hätten das Pädagogium hinter sich, bewürben sich um den ersten "Lorbeer" (das Baccalaureat), für den anderthalb Jahre festgelegt seien. Auch hier seien vier Stunden für Vorlesungen vorgesehen: eine Einführung in die Dialektik mit z. B. Caesar oder Philipp Melanchthon, dann des Aristoteles Schrift peri hermēneias und die ersten sechs Kapitel des ersten Buches der ersten Analytik mit Repetition durch die Studenten; ebenso ein griechischer und ein lateinischer Autor; die Progymnasmata des Aphthonius, von Cicero De inventione, die Topica und die Partitiones; etwas Arithmetik und die Sphaera. An den Samstagen übten sie sich abwechselnd in Disputationen und Deklamationen; am Sonntag wiederum Katechismus. Schliesslich habe auch die dritte Klasse vier Stunden Vorlesungen: erstens Organum des Aristoteles, Rhetorik, Physik, Mathematik; Ethik. In der Dialektik würden die zwei Bücher der zweiten Analytik gelesen, 13 Formen der Elenchi in anderthalb Jahren und als Vorbereitung für später in die Syllogismen der ersten Bücher der Resolutiones eingeführt. In der Physiologie die vier Bücher der Physik, De anima, De coelo und De mundo; das werde einmal in der Woche repetiert. In der Mathematik würden die sechs Bücher Euklids gelesen, der Gebrauch des Astrolabiums, die Planetentheorien. An den Samstagen wechselten auch hier Übungen in Disputationen und Deklamationen miteinander ab. Diese Stufe führe zum Magisterium, für das anderthalb Jahre festgesetzt seien. Sodann habe es in der Theologie, der ersten unter den Fakultäten, zwei Ordinarien, deren einer hebräisch das Alte, einer griechisch das Neue Testament, wöchentlich abwechselnd, lese: Dr. Wolfgang Wyssenburg und Martin Cellarius (Borrhaus). Recht läsen Dr. Bonifacius Amerbach, eine Zierde ganz Deutschlands, Dr. Johann Huldrych Zasius und der Lizenziat Johannes Sphyractes, Medizin der die drei Sprachen beherrschende Dr. Sebastian Sinckeler und Dr. Albanus Torinus, dessen umfassende Bildung zahlreiche dank ihm lateinisch redende griechische Autoren bezeugten. Philosophie schliesslich lese Dr. Johannes Huober, ein berühmter Basler Philosoph und Arzt. Die Professoren der hebräischen, griechischen und lateinischen Sprache seien Sebastian Münster, Johannes Hospinian und Huldrych Hugwald. Die vier Vorsteher der Basler Kirche seien Dr. Oswald Myconius, Dr. Wolfgang Wyssenburg, Dr. Marcus Bersius, Dr. Jacob Truckenbrot. Er sehe voraus, dass es Leute geben werde, die diese seine Bemühung um seinen Lehrer in den Schmutz ziehen würden, vorbringen, dass er mit dieser Edition den Namen des Grynaeus mit Schmach bedecke. Er hätte das Werk mit einer Vorrede des Autors herausgeben müssen. Wenn sie eine hätten, könnten sie es tun, er habe drei volle Jahre auf sie gewartet. Und wenn man nichts unvollendet veröffentlichen dürfe, hätte man auch die Aeneis Vergils dem Vulkan opfern - d.h. verbrennen - müssen. Diese Klagen seiner Neider würden ihn aber nicht abhalten, sondern eher anspornen, auch das Übrige, was er von Grynaeus bei sich habe, im Druck zu veröffentlichen (wenn es die Erben erlaubten): seine Hermogenesvorlesung, die über Römer- und Korintherbriefe, Anfangsgründe der Rhetorik, dann aber auch Vorlesungen Johannes Oecolampads zum Alten und Neuen Testament, schliesslich solche des Arztes und Philosophen Hieronymus Gemuseus zur Philosophie, z. B. zur zweiten Analytik des Aristoteles, zur Schrift von der Seele, zu denjenigen über den Atem, das Gedächtnis, zu den ersten vier Büchern der physikē akroasis, zum ersten über die Glieder der Tiere, zur Beweisführung des Seins. Das werde er vielleicht, so Gott wolle, zu seiner Zeit veröffentlichen. Und dieses Büchlein möge der gelehrte Empfänger der Widmung gegen die Zoili in Schutz nehmen.
Ein solcher Zoilus hatte schon während des Druckes die Veröffentlichung überhaupt zu verhindern gesucht: Thomas Grynaeus, ein Neffe des Simon Grynaeus, in Bern Dozent für Griechisch und Latein (1536-1546, nach Studien in Heidelberg), hatte am 26. Oktober 1544 Bonifacius Amerbach in einem empörten Brief gebeten, die Publikation noch zu verhindern oder wenigstens zu verbessern; Lepusculus veröffentliche die Vorlesung seines Oheims in einer dessen unwürdigen Fassung, die nur Gelächter und Schande bringen werde, sprichwörtlich eine lächerliche Maus, Kohle statt eines Schatzes. Nochmals am 4. November versichert er Amerbach, nach A. Hartmann und B. R. Jenny, "er habe Lepusculus niemals zur Herausgabe des Kommentars ermuntert, um so weniger, als jener anlässlich einer Musterung der Hinterlassenschaft seines Oheims nicht das geringste über einen solchen Plan habe verlauten lassen. Auf jeden Fall hätte Lepusculus vor der Publikation seine oder Amerbachs Zustimmung einholen müssen. Er selbst besitzt wertvolle Arbeiten seines Oheims über das Abendmahl und zum Römerbrief, würde sie aber nie zu veröffentlichen wagen, ohne sich zuvor mit seinen Freunden und Lehrern darüber beraten zu haben". Dazu ist zu sagen, dass Lepusculus, nach seiner Vorrede wie nach der hier erwähnten Musterung zu urteilen, gewiss von seinem Plan gesprochen haben dürfte, vor allem aber, dass er nicht aus diesem Nachlass, sondern nach einer eigenen Nachschrift, die er wohl hatte vergleichen wollen, publiziert hat, und das, wie wir dem Kommentar zur dritten Klage des Grynaeus an Amerbach vom 12. November entnehmen können, nach einer Nachschrift, die "wenn auch nicht ganz wörtlich, so doch mit vollem Verständnis" angefertigt worden war, wie ein Vergleich mit der Publikation der selben Vorlesung nach dem Manuskript des Simon Grynaeus durch seinen Stiefsohn Isaak Keller (Cellarius) bei Oporin von 1556 (GG 131) zeige. In diesem dritten Brief schlägt er Amerbach, da der Druck nicht habe verhindert werden können, vor, während des Vergleichs des Druckes mit dem Manuskript, wozu er eine Abschrift (oder das Manuskript selber? - exemplar) an die Witwe geschickt habe, den Verkauf zu verbieten. Er wundere sich, dass Lepusculus von seiner Zusage gesprochen habe (offenbar im Gespräch mit Amerbach, wovon dieser dann nach Bern geschrieben hätte). Amerbach habe zu recht sichergestellt, dass Lepusculus nichts Weiteres publiziere oder dem Leser verspreche, was er in der Vorrede getan haben solle (wo er es aber vom Einverständnis der Erben abhängig gemacht hat). Wenn alle kleinen Schriften vereint publiziert werden könnten, würde er Amerbach hierin zustimmen. - Offenbar hat Amerbach eine solche Publikation vorgeschlagen, daneben aber die Publikation des Lepusculus - besser dies als gar nichts - durchaus nicht verurteilt. Lepusculus hat von Grynaeus, aber auch von Gemusaeus und Oecolampad, in der Folge nichts mehr publiziert.
B c VII 53 Nr. 1
Als Faltblatt zu dieser Ausgabe gehören dürfte, auch wenn weder vom Drucker im Titel noch von Lepusculus in der Widmungsvorrede erwähnt, die auf zwei Grossfolioblättern gedruckte und so zusammengesetzte tabellarische Übersicht über den Stoff des kommentierten 8. Buches der Topica, in der Zusammenstellung des Grynaeus. Das Basler Exemplar ist völlig getrennt vom Kommentar erhalten in einem Sammelband mit Drucken verschiedensten Inhalts, Druckorts und -datums von 1519 bis 1569 (aus diesem Jahr die Artis typographicae Querimonia des Henricus Stephanus mit im Anhang griechischen und lateinischen Grabepigrammen auf gelehrte Drucker: Aldus Manutius, sieben Pariser Drucker, unter ihnen Robert Estienne, und... Johannes Oporin und Johannes Froben als einzige fremde Nordländer). D F IV 12 Nr. 6
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Bc VII 53:1 | DF IV 12:6