GG 148

Xenophontis oratoris et historici, propter summam eius eloquentiam, doctissimorum omnium iudicio longe clarissimi, opera, quae quidem graece extant omnia, eademque eruditissimorum virorum labore in Latinam linguam conversa: ac nunc primum diligenti cura, & maximo labore de integro recognita, & in lucem edita... Basel: Nicolaus Brylinger 1555. Fol.

Waren die vorangegangenen Basler Xenophondrucke von einem führenden Philologen seiner Zeit - Castellio bei Isingrin 1553 - oder zumindest von einem erprobten Herausgeber - Albanus Torinus 1545 bei Brylinger (GG 145) - besorgt worden, so ist hier 1555 ein noch nicht einmal ganz 21jähriger Basler Schulmeister neben seinem Amt für den Drucker tätig: der wohl nicht zur Druckerfamilie gehörige Johannes Petri ist im Oktober 1534 in Basel geboren, hat sich hier 1547/48 an der Universität immatrikuliert, ist 1548 Baccalaureus und 1550 Magister artium geworden. 1550 auch ist er wegen frühzeitiger Heirat gegen den Willen seiner Eltern seines Stipendiums verlustig gegangen und hat er die schon erhaltene Summe zurückzahlen müssen. Seit 1552 ist er Schulmeister zu St. Peter. Aus andern Drucken sind von ihm zwei lateinische Carmina bekannt: auf den jungen Horazio Curione (*1534) als Beispiel für die Jugend in dessen Übersetzung von De amplitudine misericordiae Dei des Marsilio Andreasi von 1550 bzw. auf Heinrich Pantaleon und seine Chronographia ecclesiae Christianae in deren Druck vom August 1551. 

Seine Xenophonausgabe hat er auf Empfehlung u.a. wiederum Pantaleons von Basel aus am 26. August 1555 dem Bischof von Basel Melchior von Liechtenfels - die Basler Bischöfe residieren seit 1527 in Pruntrut und sind für Basel seit der Reformation von 1529 weder politisch noch kirchlich mehr zuständig - gewidmet. Zu Beginn der Widmung weist er - topisch - auf den Nutzen des Studiums der Philosophie (sapientiae) und der Kenntnis der Geschichte hin; ohne sie könne der Geist sich nicht erheben. Der Gebrauch der Rede unterscheide die Menschen von den Tieren; hier unterscheide nochmals die Überlegung vor einer Rede und die Vermeidung unüberlegten Handelns; dazu brauche es die Sittenlehre bzw. die Ausbildung zu klugem Handeln. Von den drei Teilen der Philosophie habe Sokrates die Natur und die Metaphysik (die res occultae) beiseite gelassen und sich dem gewöhnlichen Leben zugewandt, den Tugenden und Lastern, der Philosophie, die nicht aufwendige Künste lehre, sondern die bessere, zur Staatsführung, zur Hauswirtschaft und zur Heerführung (man merkt: Petri hat seine Vorlesungsnachschriften wieder hervorgeholt... ). Nach einem Lob der Philosophie, die sogar die Angst vor dem Tode nehme, wie Sokrates und Theramenes und viele andere bei Xenophon zeigten, möchte Petri zum Lob der Geschichtsschreibung nur darauf hinweisen, dass derjenige irre, der sie zugunsten der heiligen Schriften hintanstelle, da richtig betriebene Studien der humanitas die heiligen Schriften sehr erhellten. Deren Lektüre ohne Kenntnis der Sprachen und der Philosophie führe in die Irre. Für Xenophons Stil und seine Bedeutung für Philosophie und Geschichte führt Petri darauf die üblichen antiken Zeugen an: Cicero, Quintilian und Scipio Africanus bei Cicero. Als Historiker sei er laut Quintilian glaubwürdiger als Heliodor, Philostrat, Herodot, Theopomp, die der Dichtung nahe stünden. Was die Verbesserung des Textes der Ausgabe betreffe, so habe er sich, soweit es ihm die harte tägliche Arbeit in der Schule ermöglicht habe, bemüht, dass das Griechische fehlerfrei gelesen werden könne und das Latein verbessert und verfeinert erscheine. Er habe überall Fehler im Griechischen und in der Übersetzung gefunden und zu ihrer Verbesserung auch andere Vorlagen (exemplaria - das heisst: neben dem ihm zur Durchsicht vorgelegten vorangehenden Foliodruck des selben Druckers von 1545, mit dem der neue aus praktischen Gründen seitengleich gesetzt zu werden hatte). Bei der Suche nach einem Schutzherrn hätten ihm der Rektor der Basler Universität Johannes Huber, Seiner Hochwürden hervorragender Leibarzt, und der Arzt und Verwandte Heinrich Pantaleon ihn empfohlen. Sie hätten ihm seinen Ernst im Handeln, seine Freundschaft gegen alle und seine Liebe zu den literati gerühmt. Er habe ihnen entsprechen müssen. Gott möge ihm langes Gedeihen geben und dass er seine Untertanen so regiere, dass Gottes Ruhm und deren Wohlergehen gefördert werde. - 

Für den Oeconomicus hat Petri aus der Ausgabe Castellios bei Isingrin von 1551 (GG 147) die Übersetzung des Strebaeus/Straebeus (Jacques-Louis d'Estrebay) anstelle der alten des Volaterranus mit kurzer Begründung - Ungenauigkeit der des Volaterranus - übernommen (die Vorrede des Übersetzers, die Isingrin 1551 und 1553 noch abgedruckt hat, ist weggelassen).

Das Basler Exemplar B c I 112 Nr. 1 hat sich, zusammen mit dem astronomischen Sammeldruck Herwagens von 1549 (Hyginus u.a.), 1564 ein SLVP einbinden lassen; der Einband zeigt die Stempel (u.a. Wappen) Hans Cantzlers in Wittenberg (vom selben Besitzer: Thukydides 1540 und Herodot 1557); danach im Besitz Remigius Faeschs.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc I 112:1

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Widmung an den Bischof von Basel Melchior von Liechtenfels, 26. August 1555, 1. Seite

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Widmung an den Bischof von Basel Melchior von Liechtenfels, 26. August 1555, 2. Seite

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Anfang von Xenophons Disciplinae Cyri regis Persarum