GG 168
Poetarum omnium seculorum longe principis Homeri Ilias, hoc est, de rebus ad Troiam gestis descriptio, iam recens Latino carmine reddita, Helio Eobano Hesso Interprete. Iacobus Micyllus Lectori: Maeoniden Latia memorantem praelia voce... Hessus habet... Basel: Robert Winter September 1540. 4°.
Nach sechs griechischen Gesamtausgaben der Epen Homers von Florenz 1489 bis Venedig 1537, je zwei Drucken in Löwen 1523 und 1535 und in Strassburg 1525 und 1534 und dem ersten griechischen Basler Druck bei Herwagen 1535 (GG 167), einem griechischen Einzeldruck der Ilias in Rom 1517, zwei lateinischen Gesamtausgaben von Antwerpen 1528 und Venedig 1537 mit deren Nachdrucken in Paris und Lyon von 1538 und mindestens neun lateinischen Einzeldrucken der Ilias vor allem in der Übersetzung Lorenzo Vallas seit Brescia 1474 in Brescia 1497, Venedig (1502), Paris (1511), Leipzig (1512), Köln (1522, 1524, 1527) und Lyon (1538: Übers. Andreas Divus) erscheint hier bei Robert Winter, veranlasst und wohl auch betreut von dessen Schwager Johannes Oporin, die erste Übersetzung in lateinischen Hexametern, aus der Feder eines der besten neulateinischen Dichter deutscher Zunge, Lehrers der Poetik in Nürnberg, zuvor und danach wieder seit 1533 Professors der lateinischen Sprache in Erfurt, seit 1536 der Geschichte in Marburg Helius Eobanus Hessus (1488-1540), im Jahr seines Todes. Sie ist in Basel und Ingolstadt, vor allem aber in Paris, bis Ende des Jahrhunderts mehrmals nachgedruckt worden.
Eobanus hat sie in einer mehrseitigen lateinischen Elegie in Marburg am 15. März 1540 dem Antwerpener Patrizier, Kaufmann und Staatsmann - und ebenfalls neulateinischen Dichter - Caspar Schetus Corvinus gewidmet. Gaspar Schets, Herr von Grobbendonck (1513-1580) hat nach Studien in Marburg und Erfurt - woher die Freundschaft mit Eobanus rühren dürfte - mit seinen Brüdern die Geschäfte seines Vaters übernommen, wird dann 1555 Faktor Philipps II., 1564 Generalschatzmeister der Niederlande, besass auch eine bedeutende Sammlung antiker Münzen und Medaillen. In seiner Widmung weist Eobanus zuerst kurz auf die Rettung Homers durch Peisistratos hin, darauf, dass kein Römer ihn zu übersetzen gewagt habe, dass auch er schon das Werk, erschrocken über seinen Umfang, beiseite gelegt habe. Doch sechs Jahre später hätten ihn seine Freunde gedrängt, seine Musse wieder Homer zu widmen, vor allen andern Oporin; und Oporin allein verdanke man nun die Übersetzung in lateinischen Versen, Oporin schenke ihm den römischen Homer durch seine Vermittlung. Sein Werk sei es auch, dass er fehlerlos erscheine (dies dürfte sich zuerst auf Hinweise zum richtigen Verständnis, vor allem aber auf eine Betreuung in der Offizin beziehen). Und wenn sich jemand für den übersetzten Homer interessiere, dürfe er sagen, er sei ein Chimerinon, d.h. ein Werk Robert Winters, d.h. des Schwagers Oporins. Als drittem gebühre ihm, Schets, Ruhm: trotz seines Reichtums werde er mehr noch für seinen Geist berühmt sein. Wenn dem Reichtum oft Vergnügung folge, die den Künsten schade, so würden wahre Freuden die Musen gebären, ohne Massen, und beständiger als der härteste Stahl. So wären ohne Homer auch Troia für immer begraben, Achill und Ulysses unbekannt. Er baue nicht allein auf seinen stolzen Reichtum, sondern er folge den Musen, dichte feinstens schon in seiner Jugend. Wer so Chariten und Musen pflege, werde auch nach seinem Tode weiterleben. Und durch diese Ilias werde sein Ruf noch grösser werden, nicht durch ihn, sondern durch Homer. Ihm werde es die römische Welt danken, die nicht gänzlich griechisch habe reden wollen, nicht weil die Gesetze der griechischen Sprache der Jugend unbekannt wären, sondern weil es den Studien nütze. Zudem könne, wer griechisch könne, auch lateinisch und lese Homer lieber in seiner eigenen - lateinischen - Sprache als ihn in der fremden satzweise zu buchstabieren. Das Griechische bewege mehr die Sinne und das Latein klinge weniger gut, dennoch sei es wertvoll, dass die Knaben Griechisches lateinisch lesen könnten. Aber er hoffe, dass auch Gelehrte es guthiessen; gute griechische Werke gut zu übersetzen sei lobenswert. Die lateinische Ilias sei durch notwendige Umschreibungen umfangreicher als die griechische geworden, schuld sei die Armut des Lateins, und manches habe ungewohnt übersetzt werden müssen. Und wenn auch Vergil manches treffender ausgedrückt habe, bringe das Homer nicht um seinen Ruhm. Wie in alten Kirchen vieles erfreue und die Figuren die Blicke fesselten, so seien auch Homers schlichte Wiederholungen zu bewundern, nicht zu tilgen. Diese reine Gestalt habe zum Alter gepasst, die spätere Zeit sei geschickter geworden, und nicht nur Vergil habe aus Homer geschöpft. Welche Beredsamkeit, welche Gewalt, ein Meer, ein Wasserfall, ein Meteorsturz könne nicht mächtiger sein. Nun möge er, Schets, als Schutzpatron wirken. Deutschland werde die lateinische Ilias empfangen und darin sein Lob sehen dürfen; vielleicht würden auch die Nachbarn sie lesen, und er werde in alle Zukunft geehrt sein. -
Als Anhang ist dem Druck nach dem Impressum denn auch noch eine achtzehnseitige lateinische Elegie des Caspar Schetus Corvinus, mercator Antverpianus, Helio Eobano Hesso - an Eobanus - beigegeben.
Exemplar Ex libris Universit. Basil.: B c IV 121
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Bc IV 121