GG 169

Poiēseis Homērou amphō hē te Ilias kai hē Odysseia, hypo te Iakōbou tou Mikyllou kai Iōacheimou Kamerariou, spoudaiōs pros tēn nyni ekdosin paraskeuastheisai.

Opus utrumque Homeri Iliados et Odysseae, diligenti opera Iacobi Micylli & Ioachimi Camerarii recognitum.

Prophyriou (!) philosophou homērika zētēmata. Tou autou Porphyriou peri tou en Odysseia tōn nymphōn antrou.
Porphyrij philosophi Homericarum quaestionum liber. Eiusdem de Nympharum antro in Odyssea opusculum... Basel: Johannes Herwagen 1541. Fol.

Schon in gut fünf Jahren muss Herwagens erste Homerausgabe mit den Scholien des Didymus (GG 167) ausverkauft gewesen sein, denn schon nach sechs Jahren erscheint bei ihm ein neuer Druck, verbessert durch den Heidelberger Professor für Griechisch, Nachfolger des Simon Grynaeus, Jacob Micyllus (Molseym, Strassburg 1503 - Heidelberg 1558) und seinen Tübinger Kollegen Joachim Camerarius, der verschiedene Ausgaben mit Basler Druckern zusammen veranstaltet hat. Camerarius hat die Ausgabe - ungewöhnlich ohne Orts- und Datumsangabe - dem Kurfürsten Markgraf Joachim von Brandenburg dem Jüngern gewidmet. 

Über Homer hätten schon viele geschrieben, beginnt er die Widmung, und dass man immer wieder Neues sagen könne, beweise seine Grösse. Wozu aber sogar Isokrates sich unfähig gefühlt habe, dazu sei er noch weniger imstande. Beklagen aber müsse er die träge Vernachlässigung der Studien, der Künste und Wissenschaften in diesem Jahrhundert, deren Urquelle die Schriften dieses Dichters seien. Das selbe Schicksal wie in seinem Leben scheine ihn auch jetzt zu verfolgen, ihn, der arm und heimatlos gewesen sein soll, dessen Bücher verstreut und verachtet und erst, wie Plato berichte, von Hipparch (Ende 6. Jh.) oder, wie andere sagten, von Peisistratos selber (dem Vater Hipparchs, unter dessen Herrschaft Athen im 6. Jahrhundert zu seiner ersten kulturellen Blüte kam) geordnet und an den Tag gebracht worden seien. Darauf hätten sich nicht nur Schulmeister, sondern sogar Könige um seine Erklärung bemüht, jeder kenne ihn, und seine Gedichte umfassten sämtliche Fragen der Philosophie. Als aber die Barbarei ausgebrochen sei, sei er vergessen im Schmutz gelegen, wie wenn er nie geblüht hätte. Jetzt aber, da die Wolken sich lichteten, Lehre und Bildung wiedererschienen, irre er wie damals umher, bettle um Gunst, Nahrung und Beschäftigung mit ihm. Viele ermunterten die Jugend, sich mit dem Vater aller Lehre und Humanität zu befassen, fänden aber taube Ohren. Ein Homer in Lumpen interessiere niemanden, nun da die meisten anderen Studien in hellstem Glanz strahlten. Wen zögen seine Unfähigkeit und seine Irrtümer an? Aber auch seinerzeit habe es lange bis zu seinem Ruhm gebraucht. Es habe immer einige gegeben, die seine Schriften behütet hätten. So gäbe es auch jetzt, da die meisten ihn verachteten, einige, die ihn gern aufnähmen und pflegten, die die Bildung mehrten. Für diese sei der Dichter nicht nackt, sondern strahle er wohlgekleidet. Auch jetzt kämpften Männer wie einst Herkules gegen die Ungeheuer ihrer Zeit, wie die Fürsten Sachsens mit ihrer Förderung der Künste und Wissenschaften, und er, Joachim, worauf er, Camerarius, für ihn und viele andere zu sprechen kommen wolle. "Denn das sei die Art dieser Schreiben, die die Wissenschafter ihren Schriften und den Ausgaben von solchen anderer voranstellen, damit diese dennoch, wenn sie auch namentlich an Einzelne gesandt werden, allen Liebhabern der Bildung und Lehre zum Lesen und Kennenlernen vorliegen." So würden die - in den Widmungen - Gelobten auch zu Vorbildern für andere. Wie die Markgrafen immer äusserst tapfer und gebildet (humanissimi) gewesen seien, so fänden die Musen in ihm einen hervorragenden Verteidiger und Verehrer. Überall würden die Studien wieder ergriffen, doch er, ein tapferer Krieger, bemühe sich als Septemvir des Reiches (als einer der sieben Kurfürsten) ganz besonders um sie. Als Krieger ohne Bildung wahre man dem Staat keine Würde, bringe den Seinen keinen Nutzen. Die göttlichen Führer Epaminodas, Alexander, Africanus (Scipio), Mathias (Corvinus) hätten das Schicksal ihres Staates mit ihrem persönlichen Leben verknüpft gehabt. So sei dieser mit ihrem Tod untergegangen. Ein Krieger könne von einer Gladiatorenschule ausgebildet werden, der Ursprung der Könige, d.h. aller Fürsten, aber sei, nach Hesiod, in Jupiter, d.h. ein Geschenk des gütigen Gottes. Das zeige sich bei ihm in der Berufung der Gelehrten. So habe er kürzlich mit seinen Männern, u.a. dem jungen Gelehrten Georgius Sabinus, sich unterhalten und von seinen Plänen zur Erhaltung und Förderung der Künste und Wissenschaften vernommen und da beschlossen, sie durch jede mögliche Empfehlung bekannt zu machen (Georg Schuler, 1508-1560, hatte seine Bildung bei Melanchthon in Wittenberg erhalten; bedeutender neulateinischer Dichter; Schwiegersohn Melanchthons; 1538 von Joachim II. auf den Lehrstuhl für Rhetorik in Frankfurt an der Oder berufen). Daher widme er ihm Homer, den Ursprung und das Haupt aller Künste und Wissenschaften, als Sitz für die Musen seiner berühmten Akademie (Universität Frankfurt), um vieles geeigneter und passender als eine ansehnliche Truhe voller Gold und Edelsteine. Er wisse, dass die Gelehrten diese neue Ausgabe wegen ihrer Verbesserungen schätzen würden. Das Hauptverdienst hieran habe sein Freund Jacob Micyllus, der unzählige Fehler der vorangehenden Ausgabe (Herwagen 1535) verbessert habe; aber auch er habe einiges beigetragen, vor allem in den kurzen, aber, wie er meine, wertvollen und nützlichen Scholien (kurz im Verhältnis zu neueren Kommentaren, immerhin noch umfangreicher als der Text selber). Wenn er auch oft hoffe, dass jene ausführlicheren und reicheren noch irgendwo erhalten seien, so habe er doch festgestellt, dass auch diese einiges erklärten und sich zuweilen sogar durch ihre Kürze empfählen (hiermit muss Camerarius die Scholien - parekbolai - des Eustathius von Thessalonike aus dem 12. Jahrhundert gemeint und somit schon vor ihrem Erstdruck von ihnen gewusst haben, der erst 1542-1550 in Rom bei Antonio Blado in drei Textbänden mit Scholien und Homertext mit insgesamt fast 2600 kleingedruckten Folioseiten und einem vierten Textband erschienen ist - und bald darauf in Basel nachgedruckt wurde (GG 175) ). Und Beifall und Wohlwollen verdiene Herwagen, der in diesen Zeiten der Missachtung der Ausbildung und der Wissenschaften, des Abirrens der Jugend vom Weg der Ehre, der Achtung und der Bildung, nicht aufhöre, mit seiner Arbeit und auf seine Kosten Bücher herauszugeben, von denen man eher Ruhm von der Nachwelt als Gewinn in der Gegenwart erhoffen könne.

Über den ersten Basler Druck von 1535 hinaus hat diese typographisch oft abweichend, doch für die Ilias durchgehend, für die Odyssee bis S. 194 seitengleich gesetzte zweite Ausgabe einen lateinisch-griechischen Wort- und Eigennamenindex erhalten sowie im Anhang, aus dem kleinen Römer Erstdruck von 1518, aus dem Scholiendruck des Aldus von 1521 oder Rihels in Strassburg von 1539, auf den Seiten 285-237 (richtig 307) zwei Homerschriften des Porphyrius, darunter die berühmte über die Nymphenhöhle der Odyssee. Neu sind auch abweichende Lesarten marginal angegeben. In der lateinischen Fassung des Titels ist die zuerst bei Lucantonio Giunta (Venedig) 1537 auftauchende Form Odyssea für Ulyssea übernommen, die seit dieser Ausgabe sich allgemein durchgesetzt hat (z.B. auch in der griechischen Ausgabe Paris 1541).

Aus Besitz des Martin Borrhaus: B c II 72

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc II 72

Illustrationen

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2Ar: Vorrede des Joachim Camerarius an den Kurfürsten Markgraf Joachim von Brandenburg den Jüngern, 1. Seite.

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2Av: Vorrede des Joachim, 2. Seite.

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3Ar: Vorrede des Joachim, 3. Seite.

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3Av: Vorrede des Joachim, 4. Seite.

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4Ar: Vorrede des Joachim, 5. Seite.

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4Av: Vorrede des Joachim, 6. Seite.

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1ar: Beginn der Ilias mit den Scholien des Didymus.

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8Lr: Druckermarke von Johannes Herwagen am Ende der Ilias.

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Titelseite der Odyssee mit der Druckermarke von Johannes Herwagen.

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2aar: Beginn der Odyssee mit den Scholien des Didymus.

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C†5r: Kolophon

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C†5v: Druckermarke von Johannes Herwagen.