GG 174
Heraclidis Pontici, qui Aristotelis aetate vixit, Allegoriae in Homeri fabulas de dijs, nunc primum e Graeco sermone in Latinum translatae: Conrado Gesnero medico Tigurino interprete. Adiecimus quoque libellum eiusdem Graecum, ut conferri a studiosis possit: una cum alijs Lectu dignissimis... Basel: Johannes Oporin September 1544. 8°.
Von den Schriften des Schülers Platos und Speusipps in der Akademie des 4. Jahrhunderts Herakleides Pontikos (aus Pontos am Schwarzen Meer stammend) sind nur wenige Fragmente erhalten und diese sind erst vom 19. Jahrhundert an gedruckt worden. Die unter seinem Namen überlieferte Schrift über die Allegorien bei Homer ist ein Werk eines sonst unbekannten Grammatikers und Philosophen Herakleitos aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., eines der Hauptvertreter der allegorischen Homerexegese: ein Homerkommentar, in dem er aus den Mythen der homerischen Dichtungen die wahren Gedanken des Dichters zu enthüllen sucht. Die Allegoriai waren ein erstes Mal griechisch innerhalb des Sammeldrucks des Aldus Manutius mit den Fabeln Äsops 1505 in Venedig erschienen. Hier liegt ihr zweiter griechischer und erster lateinischer Druck vor. Übersetzer ist der Zürcher Arzt, Botaniker, Lexikograph und Bibliograph Conrad Gesner. Er hat den Druck aus Zürich im Januar 1544 dem Berner Hieronymus Fricker, seit 1542 Landvogt zu Mendrisio, gewidmet:
Er sende ihm die Homerischen Lösungen (Solutiones), die er eilig, mehr genau als elegant, auf lateinisch übersetzt habe. Es folgt eine Zusammenfassung aus Diogenes Laertius mit dem Hinweis, dass er dort noch Weiteres über das Leben des Heraclides finde, und eine kurze Aufzählung der dort aufgeführten Schriften. Obwohl seine - einzig existierende - gedruckte griechische Vorlage das Werk nicht in zwei Bücher teile, sei dies deutlich: ein erstes längeres erkläre die Allegorien der Ilias, das zweite die der Odyssee. Worauf der Bibliograph Gesner zu Worte kommt: er führt alle Autoren auf, die Heraclides erwähnt hätten. Lateinisch habe er das Werk bis dahin nicht gesehen. Die Zuschreibung an den Heraclides Ponticus aus der Zeit des Aristoteles unter den insgesamt vierzehn Heraclides stimme. Zu jener Zeit habe man zahlreich Homer erklärt. Vor allem aber die Platoniker hätten sich um den Dichter bemüht. Im Vorjahr habe er Ähnliches aus Porphyrius und Proclus auf lateinisch herausgegeben. Ihm widme er die Arbeit, da auch sein verstorbener Landsmann Johannes Rhellicanus Plutarchs Leben Homers ihm gewidmet habe und ihm das gefallen habe. Wenn er von seiner ernsteren Arbeit frei sei, werde er schauen, ob ihm im Heraclides und Dion etwas zusage. - Zwischen dieser Widmung und dem Text (mit kurzer Liste der Errata) sind auf vier Seiten Castigationes quaedam Graeci exemplaris - einige der Verbesserungen gegenüber der griechischen Vorlage, d.h. der Aldina, verzeichnet.
Mit einer zweiten, undatierten Widmung an Fricker fügt Gesner, da das Büchlein nach dem Druck (immerhin 368 Seiten) so gar klein geschienen habe, einige Bruchstücke alter griechischer Autoren an, die einst in Rom gedruckt worden seien und deren Texte er verbessert habe. Die Allegorien des Psellus seien denen des Heraclides verwandt, das Übrige werde durch seine Buntheit gefallen finden, besonders Clemens über Plagiate. Dies alles habe einst Bischof Arsenios von Monemvasia in einem Faszikel gesammelt, der Freude an solchen Centones gehabt habe (die Apophthegmata philosophōn kai stratēgōn syllegenta para Arseniou waren um 1521 in Rom erschienen). Denn kürzlich habe er in Venedig bei einem Verwandten des Arsenios einen recht grossen Band voller Zitate aus den Sammlungen unseres Stobaeus gesehen, nur in umgekehrter Reihenfolge, soviel er flüchtig habe feststellen können. Das habe er deswegen erzählt, damit die Leute, falls dieses Buch einmal erscheine, die ehrgeizigen Plagiate erkennten. Er habe noch im Sinn gehabt, seine Übersetzung der Homerischen Probleme des Porphyrius beizufügen, doch er habe darauf verzichtet, jene Übersetzung nochmals in Druck zu geben (seine Moralis interpretatio errorum Ulyssis Homerici. Commentatio Porphyrii philosophi de Nympharum antro war 1542 bei Froschauer in Zürich erschienen), wegen des begonnenen Katalogs, in dem er die Namen aller Schriftsteller, die griechischen und lateinischen Werke, alte und neue, soweit bekannt, behandle, alphabetisch, nach Fächern, nach inhaltlichen Gemeinplätzen (gewissermassen nach Schlagwörtern). Da dieses Werk nächstens in die Presse gehe (es handelt sich um Gesners berühmte Bibliotheca universalis, die 1545 bei Froschauer erschienen ist), werde er ihm, wenn ihm dieses kleine Geschenk gefalle, sofort nach der Fertigstellung ein Exemplar senden.
Das Exemplar B D VIII 56 Nr. 2 in Sammelbroschur aus Besitz des Basler Polyhistors Heinrich Pantaleon, dann Remigius Faeschs. Weitere Exemplare aus dem Frey-Grynaeum: Frey-Gryn. L VI 21 Nr. 2 und L VI 39 Nr. 2.
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: BD VIII 56:2