GG 214

Isocratis Atheniensis, Oratoris & Philosophi clarissimi, Orationes. Eiusdem vita, ex Plutarcho, Philostrato, & Dionysio Halicarnaseo. Ioanne Lonicero interprete. Basel: Andreas Cratander März 1529. Fol.

Verhältnismässig spät - erst im März 1546 - ist der erste griechische Basler Druck der Werke des Isokrates erschienen (GG 215). Fast zwanzig Jahre früher, in eher ungewöhnlicher Reihenfolge für die Basler Klassikerausgaben (natürlich mit Ausnahme des populären Äsop), ist bei Cratander die erste Gesamtübersetzung seiner Reden erschienen, ein Werk des lutherischen Theologen und Philologen Johannes Lonicerus, aus dem Mansfeldischen, seit 1527 Professor für Griechisch an der neu gegründeten hessischen Universität Marburg, dessen Verbindungen zu Cratander von seiner Strassburger Zeit herrühren dürften, da er, in Verbindung mit Nicolaus Gerbel, deutsche Schriften Luthers zu ihrer Verbreitung in Frankreich ins Lateinische übersetzt hat. Die Übersetzung der Reden des athenischen politischen Redners und Pädagogen hat Lonicerus wohl als eine Art nachträgliches Geburtstagsgeschenk für die Marburger Universität, den Fürsten und seine Studenten sich vorgenommen und gesehen. Er hat die Ausgabe denn auch, mit Datum von Marburg, 16. September 1528, seinem Fürsten, dem Gründer der Universität, Landgraf Philipp von Hessen gewidmet: 

Zu Beginn seiner berühmtesten Rede, des Panegyrikos - auch diese Widmung wächst sich naturgemäss zu einer kleinen Lobrede aus - klage Isokrates, dass die körperliche Kraft und Schönheit in höherem Ansehen stehe als die Klugheit; das habe er an den Wettkämpfen festgestellt. Dem sei heute leider keineswegs anders. Bis zu einem gewissen Grad wäre die Jugend durchaus zu Körperübungen anzuhalten. Doch sie werde von der Wiege an zu allen Genüssen hingeführt. So werde sie im privaten wie im öffentlichen Bereich unnütz. Was könne einer für Ratschläge geben, der die Quellen aller menschlichen Intelligenz, die Wissenschaften, verachte? Dem in Hessen abzuhelfen, habe der Fürst eine Universität gegründet, zur Förderung der Wissenschaften, der Sprachen und der Religion, zu seinem ewigen Ruhm. Wenn er, das Reich, schliesslich das hohe Pergamon untergegangen seien, die Verehrung der Musen und der Religion werde ewig überleben. Allein die Tugend, die Wissenschaften seien ewiger Besitz, sage Isokrates. Deshalb habe er sich entschlossen, ihn auch lateinischen Ohren zu erschliessen, vor allem im Hinblick auf die Jugend an seiner Marburger Universität. Wie schon Cicero gestanden habe, bilde Isokrates nicht nur Sprache und Redekunst, sondern auch den Geist. Er erinnere nicht nur die Jugend, sondern auch die Fürsten und Behörden an ihre Pflichten. Auch Dionys von Halikarnass habe darauf hingewiesen. Isokrates sei des christlichen Fürsten würdig; er werde die Lauterkeit der Heiden, die Reinheit ihrer Sitten, die der christlichen Züchtigkeit nicht entbehre, bewundern. Aus der Bibel lerne man Christus kennen; dass man die fremden Sitten, besonders die Staatsführung auch aus ungläubigen Autoren lernen könne, werde niemand abstreiten. Dass doch die Mehrheit der Christen die meisten Lehren des Isokrates im Gedächtnis hätte, und in ihren Sitten zeigte!

Die Titeleinfassung, 1519 sinnvoll für Cratanders Dictionarium Graecum (GG 22) von Hans Franck geschaffen, zeigt den sog. Hercules Gallicus: Hercules, der von den Galliern mit ihrem Gott der Beredsamkeit gleichgesetzt worden sei; somit ist sie auch hier passend verwendet. Das Basler Exemplar, erst 1932 erworben, war 1819 der Bibliotheca publica Trevir(?ensis) geschenkt worden: B c II 165

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc II 165

Illustrationen

Buchseite

Titelseite, Einfassung mit der Darstellung des Hercules Gallicus.

Buchseite

2alphar: Vorrede des Johannes Lonicerus vom 16. September 1528, 1. Seite.

Buchseite

2alphav: Vorrede des Johannes Lonicerus, 2. Seite.

Buchseite

1ar: Anfang der lateinischen Übersetzung der Reden des Isokrates.

Buchseite

3Iv: Kolophon

Buchseite

4Iv: Druckermarke