GG 236
Flavii Iosephi , patria Hierosolymitani, religione Iudaei, inter Graecos historiographos, cum primis facundi, opera quaedam Ruffino presbytero interprete, in quibus post ultimam aliorum aeditionem, loca non pauca, nec omnino levis momenti ex vetustissimorum codicum collatione restituta comperies lector... Basel: Johannes Froben September 1524. Fol.
Zwanzig Jahre vor der ersten griechischen Gesamtausgabe (GG 238) des jüdischen Historikers und Staatsmanns Flavius Josephus erschien in Basel, nach zahlreichen Vorgängern, die Sammlung der alten Übersetzungen. Allerdings hatte Froben, gewiss auch der nicht genannte Herausgeber, der auch die Vorrede an den Leser im Namen des Druckers am 30. Juli 1524 verfasst haben dürfte, Besseres vorgehabt, wie wir aus dieser Vorrede erfahren: Er habe beschlossen gehabt, Josephus als nicht den letzten unter den Historikern verbessert und schmuckvoller herauszugeben, und auf eine Publikation nach einer Handschrift Hoffnungen gemacht. Doch es sei ein anderer zuvorgekommen; dessen Tätigkeit tadle er nicht, so nachteilig sie für ihn auch sei; vielmehr freue er sich sogar über diesen Nutzen für die studiosi. Da der Autor als sehr schlecht überliefert gegolten habe, habe sein Vorgänger (es ist Eucharius Cervicornus in Köln für den Verlag Gottfried Hittorps sogar mit einer neuen Übersetzung einer Schrift durch Erasmus gewesen) nicht wenige Stellen erfolgreich verbessert. Aber wie er den öffentlichen Nutzen für die studiosi für wichtiger halte als seinen privaten Vorteil und auf die, die das geleistet hätten, was er sich vorgenommen gehabt habe, nicht neidisch sei, so sollten auch jene seine Tätigkeit anerkennen, wenn er nicht aus Ehrgeiz, den er nicht kenne, sondern um dem Leser sein Versprechen einzulösen, die Vorteile des fremden Druckes für den seinen nutze. Denn, den Augiasstall des Josephus-Texts auszumisten, würde nicht ein Hercules ausreichen. Er wundere sich aber über die Unverfrorenheit derer, die grosse Autoren drauflos verhunzten, indem sie nach Belieben hinzufügten, strichen, umstellten, änderten, wie wenn man nicht Ehrfurcht zu empfinden hätte vor den Werken grosser Männer. Viele Änderungen belegten, dass sie nicht zufällig, sondern mit Bedacht vorgenommen seien, von irgendeinem Besserwisser. Worauf "Froben" ein Beispiel vom Schluss des zweiten Buches der archaiologia in der kürzlich erschienenen Kölner Ausgabe anführt und den Text seiner von ihm meist befolgten Handschrift dem Kölner Text gegenüberstellt und bemerkt, dass der Übersetzer Ruffinus zwar die lateinische Sprache nicht allzu rein beherrscht habe und keineswegs die Stilkunst des übersetzten Autors wiedergebe, doch einige Zutaten so barbarisch seien, dass sie Ruffinus nicht zugemutet werden dürften: für solche soloikotera (zu krasse Solözismen) zitiert der Herausgeber ganz konkret Buch 19 S. 556. Das sei nicht einmal des viel schlechteren Übersetzers Epiphanius würdig (Tyrannius Rufinus aus Concordia, in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts als Übersetzer, besonders des Origenes, in Aquileia tätig; der Byzantiner Epiphanios Scholastikos, Mitarbeiter und Übersetzer Cassiodors in Vivarium). Er vermutet deshalb, dass da gewisse Leute ihre eigenen Lumpen in das fremde Werk eingewoben hätten, oder dass diese Übersetzung nicht von Ruffinus stamme oder nicht von dem Ruffinus, der mit Hieronymus um die Wette übersetzt habe, zumal Gennadius, der die Schriften des Ruffinus gewissenhaft verzeichne, diese Übersetzung nirgends anführe. In der Folge zählt er als Beispiele seiner unzähligen Verbesserungen über zwanzig Wiederherstellungen des Textes in seiner Ausgabe auf und weist auf die Unstimmigkeiten in den Namen und Zahlen hin. Die Überlieferung des Autors sei eben so verderbt, dass man den Text nur anhand griechischer Handschriften völlig wiederherstellen könne. Er habe das Mögliche getan und glaube, einen nicht zu bereuenden Nutzen gebracht zu haben, freue sich jedoch, wenn jemand einen noch grösseren beibringe. Sobald ihm eine griechische Handschrift zur Verfügung stehe, werde er dem Wunsch des Lesers viel reichlicher willfahren (was in diesem Fall ja dann auch durch Frobens Sohn und Schwiegersohn 1544 geschehen ist) (GG 238). Inzwischen möge er diese Gabe mit dem goodwill entgegennehmen, den der verdiene, der Tag und Nacht zur Förderung der Studien arbeite und den allgemeinen Nutzen vor seinen persönlichen Gewinn stelle. Obwohl das bei Leuten seines Standes wohl mancher Leser für unglaubhaft halte, könnten es die bezeugen, die ihn privat kennten (und einer von diesen hat schliesslich auch im Namen Frobens diese Vorrede verfasst). Er sei auf niemand neidisch und wolle niemand um seinen Verdienst bringen.
Der ungenannte Herausgeber unseres Druckes ist Beatus Rhenanus: am 7. April 1522 hat ihm Johannes Faber aus Rom geschrieben, dass die Egesippus- , d.h. Josephushandschriften aus der Bibliotheca Vaticana gestohlen worden seien; er wolle versuchen, solche aus der Bibliothek der Medici zu bekommen, die ihm geöffnet werde; im Widmungsbrief zu seiner Ausgabe der Autores historiae ecclesiasticae bei Froben von 1523 (GG 409), vom 25. August an Stanislas Turzo spricht Rhenanus selber von der unterschiedlichen Qualität der Übersetzungen des Ruffinus, u.a. derjenigen der Werke des Josephus, und im selben Widmungsbrief klagt er über die miserable Übersetzungsweise des Cassiodor-Mitarbeiters Epiphanius.
F Q I 5
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: FQ I 5