GG 243
Diodōrou Sikeliōtou Historiōn biblia tina ta heuriskomena.
Diodori Siculi Historiarum libri aliquot, qui extant, opera & studio Vincentii Obsopoei in lucem editi... Basel: Johannes Oporin für Robert Winter Boedromion/September 1539. 4°.
Fünfmal waren die erhaltenen Bücher der Weltgeschichte Diodors von Sizilien (1. Jh. v. Chr.), die von der mythischen Vorzeit bis zur Eroberung Britanniens durch Caesar (54 v. Chr.) reichte, zwischen 1472 und 1496 in lateinischer Übersetzung in Italien erschienen, weitere Ausgaben in Italien, Paris und Basel (1531 bei Heinrich Petri [GG 242]) zu Beginn des 16. Jahrhunderts, eine italienische Übersetzung schon 1526 in Florenz, ehe die Bibliothēkē im griechischen Original erschien. Herausgeber dieses Basler Erstdrucks ist der aus Bayern stammende Humanist und lateinische Dichter Vincentius Obsopoeus (Koch) aus dem Nürnberger Kreis um Bilibald Pirckheimer, seit 1528 Schulmeister, 1548 dann Rektor des neu gegründeten Gymnasiums in Ansbach. 1530 hatte er bei Johannes Secer in Hagenau die Erstausgabe der römischen Geschichte des Polybius besorgt, 1531/1534 die der Aithiopika Heliodors für Herwagen (GG 252).
Seinen Diodor-Erstdruck hat er aus Ansbach dem Bischof von Augsburg Christoph von Stadion gewidmet. Der Widmung folgen eine griechische Elegie Joachim Camerarius' auf Obsopoeus und eine lateinische auf Camerarius von dessen Freund Thomas Venatorius. Obsopoeus beginnt seine Widmung mit einem Preis auf die Erfindung des Buchdrucks, der das reichste Geschenk Gottes an Deutschland in diesem Jahrhundert sei. Dank dieser göttlichen Kunst sei ihr Vaterland nun reich an den besten griechischen und lateinischen Autoren. Kein Fach, das nicht schon mit guten alten Autoren (die man wahrhaft klassisch nennen könne) ausgerüstet sei. Die vielfältig verstümmelten und verderbten Rechtsquellen würden nun, dank der Hilfe alter Handschriften, korrekter und vollständiger gelesen. Die Lehrer der Medizin besässen inzwischen ihre Quellen: Hippokrates, Galen, Aegineta (Paulus), Dioscorides und andere in der Originalsprache, die bisher nur alten und trüben Tümpeln der Araber hätten folgen können. Auch die Kandidaten der Theologie besässen ihre Lehrer in beiden Sprachen, mit grossem Einsatz publiziert. Schliesslich stehe den Studiosi der Humanität und der feineren Literatur (humanitas & politiorum literarum studiosis) eine riesige Menge Dichter, Redner und Historiker zur Verfügung, und auch den Mathematikern fehle nichts mehr. Wäre doch die Druckkunst schon in früheren Jahrhunderten zur Verfügung gestanden, man hätte nicht einen solchen Verlust bester und ältester Handschriften erleben müssen (bzw. von deren Inhalt, da er zuvor durch den Druck gerettet worden wäre; die Handschriften selber wurden nach dem Druck ja meist weggeworfen). Denn obwohl das oben Gesagte stimme, dass eine riesige Menge an gelehrten Schriften heute vorhanden sei, sei dennoch bei weitem mehr durch die Schuld der Zeiten und die Gleichgültigkeit der Menschen zugrunde gegangen. Er könne namentlich über zweihundert Autoren anführen, deren Zeugnisse Stobaeus verwendet habe, von denen nicht eine Seite erhalten sei, ganz zu schweigen von denen bei Athenaeus und vom Katalog derer, die Plinius benützt zu haben bezeuge. Dieses Unglück habe auch Diodorus Siculus betroffen, dessen bescheidene Reste, die Seine Hoheit hier sehe, einst durch den Bischof von Fünfkirchen Janus Pannonius (Johannes von Ezech) vor dem Untergang gerettet worden, dann von dem gelehrten Johannes Alexander Brassicanus (Professor der Rechte in Wien) ihm über Johannes Petreius (den mit den Basler Petri verwandten bedeutenden Nürnberger Drucker) vermittelt worden seien und die er nun schliesslich hier transskribiert habe und publiziere. Damit man die Grösse des Verlustes bei diesem Autor erkenne: er habe eine Geschichte von vierzig Büchern über praktisch alle Völker geschrieben, und davon habe man gerade noch diese fünf zusammen mit jenen fünf vorangehenden lateinischen, deren Übersetzung nach seiner Meinung zu Unrecht, Poggio zugeschrieben werde. Denn es sei unwahrscheinlich, dass ein so unflätiger und giftiger Sykophant und Kritikaster das Griechische beherrscht habe, der nicht einmal, worin er selber sich überaus beredt gemeint habe, das Lateinische richtig beherrscht habe. Da aber Diodor die Geschichte der mächtigsten Könige Makedoniens - Philipps und Alexanders und ihrer Nachfolger - und die Kriege des Tyrannen Agathokles von Sizilien mit den Karthagern umfassender als die andern dargestellt habe, unter Weglassung langfädiger Plaudereien, überflüssiger Beschreibungen und fiktiver Reden, widme er ihm dieses Werk (von solchen Reden wimmle es bei Livius sowie bei Thukydides und Xenophon, was er zwar nicht tadelnswert finde, doch es werde ihn auch niemand dazu bringen, Hannibal oder einem andern Heerführer so gelehrte und geistreiche Reden an ihre Soldaten abzukaufen, so sehr sie sich auch um Rhetorik bemüht hätten). Er sei die Zierde der gegenwärtigen Bischöfe (Deutschlands), wegen seines Einsatzes, seiner Klugheit, seiner Geschicklichkeit in schwierigsten Verhandlungen und seiner Versöhnungsgabe in Streitigkeiten vom bedeutendsten Fürsten Deutschlands, Georg von Brandenburg, höchst geschätzt. Da habe sich nach langer Suche die Gelegenheit geboten, dass der Lizenziat beider Rechte Christoph Strasser zu ihm gereist sei. Er habe ihm die Bücher Diodors zum Geschenk und zur Einsichtnahme mitgegeben, damit sein Name hierin den Studiosi in Erinnerung bleibe, die ihn unter diesem Patronat umso mehr schätzen würden. Und die Fragmente dürften ihm umso willkommener sein, als sie hier zum ersten Mal erschienen. Obwohl dieses Werk nicht zu denen gehöre, die nur ihrer Neuartigkeit wegen begrüsst würden. Sofern ja die alten Autoren wegen ihrer höchsten Gelehrsamkeit und ihres Stils, nie wegen ihrer Neuartigkeit erschienen, und dabei immer irgendetwas Neues die Leser ergötze, wie eine süsse und klare kleine Quelle, solange ein Dürstender auch von ihr trinke, schwerlich Übelkeit verursache.
Aus Besitz u.a. eines Wiardus Ost, eines J. A. Ordner (16. Jh.), Johann Joachim Rörs (Hamburg, 1700), Joachim Dietrich Evens (1738), E. J. Aurnhammer (1803): B c V 365
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Bc V 365