GG 245
Heydenweldt Und irer Götter anfängcklicher ursprung, durch was verwhänungen den selben etwas vermeynter macht zuogemessen, umb dero willen sie von den alten verehert worden... Was sich desselben halben für zänck, krieg und pluotvergiessen erhaben, ausz vieler glerten thewrn männer schrifften (dern benamsung am ummkörten plat) zuosammen getragen. Diodori des Siciliers... sechs Buecher, dero jnnhalt anzeigt vermeinten anfang der Weldt... so bis zuo Troianischer vehd fürgangen. Dictys des Candioten wharhaffte beschreibung vom Troianischen Krieg... Hori eins vor dreytausent jaren, in Aegypten Künigs und Priesters, gebildte waarzeichen... Planeten Tafeln, darinnen die, so in obermelten Göttern, an stat der siben umbschweyffenden sternen benambset... gantz kurtz für gestält würdt. Hierausz dann der Christlich leser die guotthat Gottes... spüren... mag... Durch Johann Herold beschriben und jnns teütsch zuosammen gepracht. Basel: Heinrich Petri März 1554. Fol.
Vor zehn Jahren, beginnt Johannes Herold die Widmung von Basel, 1. März 1554, seines mit pompösem zweifarbigem Titel und Titelholzschnitt und reich bebildert erscheinenden national/christlich erbaulichen Sammelwerks an den Augsburger Ratsherren Georg von Stätten, vor zehn Jahren sei bei Tisch, wo Seine Hoheit über religiöse und weltliche Literatur gewöhnlich spreche, die Rede auf Diodor gekommen, wie dieser von besonderem Nutzen für Leute in Räten und weltlichen Ämtern sei, da er nicht nur von Taten, sondern auch von Satzungen berichte. Und auch aus dem Zusammentreffen vollkommener Satzungen mit Gewalt und Stagnation der Wohlfahrt könne man für die eigene christliche Welt Lehren ziehen. Darauf habe er, Herold, ihm eine Übersetzung versprochen; er bitte nun, ihn für die lange Wartezeit zu entschuldigen, was jener gewiss, besonders noch in Anbetracht "über mein verheyssen angehenckter arbeit", wie er ihn kenne, tun werde. Bisher seien alle seine Schriften von ihm gnädig aufgenommen worden, er danke ihm für dieses "aufmutzen" seiner Arbeit; sein Gutachten, als das eines adlig gebildeten Rates der hochberühmten blühenden Stadt Augsburg, bestätige dem Leser die Qualität des Werkes. Er beglückwünsche ihn zu seinem Sohn Georg, seinem geliebten Junker, der mit seiner Kenntnis der griechischen, lateinischen und vieler anderer Sprachen dem Dienst für seine Stadt gut anstehen werde, und zu seinen Enkeln. Worauf er noch auf seine Einführung für den allgemeinen Leser hinweist. Zehn Jahre vor Erscheinen unseres Sammelwerks dürfte die Diodor-Grundlage wohl der Basler Druck von 1531 (GG 242) gebildet haben, allenfalls einer der früheren. In der Zwischenzeit ist Petris zweiter Druck, herausgegeben von Marcus Hopper, 1548 (GG 244) erschienen, um zwei Bücher erweitert, die Herold hier aber, wie die Bücher über Philipp und Alexander von 1531 (GG 242), nicht zu interessieren brauchten, aber auch, zur Füllung der Lücke zwischen Buch 6 und Buch 11, um die Erzählung des Trojanischen Kriegs durch die zwei behaupteten und vermeintlichen Teilnehmer Diktys aus Kreta und Dares aus Phrygien. So kann Herold schon allein aus diesem Druck von 1548 mehr bieten als er um 1544, in Augsburg, aus dessen Nähe er ja stammt, versprochen hatte; zudem bietet er aber noch aus einer Reihe "geystlicher" und "weltlicher", antiker und neuerer, auch noch "Lebender" Autoren, auf deren Aufzählung er auf der Titelseite hinweist, seine eigene Kompilation "Von den Heydnischen Göttern, unnd irer vermeynten macht", die knapp die Hälfte des Buches ausmacht. So dürfte die Bitte um Entschuldigung mit Recht wohl akzeptiert worden sein.
In der folgenden allgemeinen Einführung weist Herold darauf hin, dass Diodor bisher allein in vielen Sprachen - griechisch, lateinisch und andern - geübten gelehrten Menschen zugänglich gewesen sei, aber nicht auf deutsch. Er halte sich an Lilius Gyraldus (d.h. die christlich abgesicherte De deis gentium varia et multiplex historia des Giglio Gregorio Giraldi, die 1548 bei Oporin erschienen war). Bei der Publikation für "Gemeine Teütsche, die auszländiger spraachen nit bericht" müsse er jedoch zunächst im Hinblick auf alles, was hierin Gott entzogen auf natürliche Art erklärt werde, auf eine "abtrennung von Christlicher heyliger Gemeinsame" achten: Er bekenne Gott als den allmächtigen Schöpfer, Lehrer, Richter, der aus seiner Liebe heraus Christus gesandt habe, bekenne Christus und den Heiligen Geist. Zeugnis hierfür sei, dass er in der hochlöblichen Stadt Basel, "die von T. Minutio Basillo, ehe ein stein an die zerstörte Whardtvöstin bey dem dörfflin Augst glegt, jrn anfang ghapt", lebe, "auch als der gringst hohverrüempter Schuol doselbst eingeleybt", welche die christliche Lehre der Kirchendiener, Bürger, Satzungen und Bräuche begründe. Dies nur deswegen, dass der Leser nicht denen Glauben schenke, die dergleichen Publikationen zur Errichtung von Götzenwerk geschaffen vermeinten. So hätten ja schon die grossen Kirchenväter das Heidentum gerade darum in ihren Schriften geschildert, um es zu überwinden. Sein Ziel sei aber nicht, wieder von Christen, Juden und Türken zu reden, sondern dem Vaterland "in yetziger erleüchtung des hellen Worts Gottes, in seiner einigen unzerkryppelten spraach, auch der Welt weysheit" nahezubringen. Wie die Griechen den Ägyptern, den Griechen die Römer, diesen die Italiener die Kunst abgeschaut hätten, so hätten Plato, Cicero, Bembo in ihrer eigenen Sprache, obwohl anderer kundig, geschrieben. Aber zur Erweckung der Liebe zur Kunst brauche es "fürbildung frembder geschicklicheyt und tugent, die dann einen eyffer und anreytzung pringt, alles nachzuoleren und zuothuon, ja zuoverbessern". Und hierzu seien Geschichtsbücher am besten geeignet, da ihr Inhalt jedem verständlich sei und sie zu eigener Übung anregten. Blosse Aufforderung, ohne Angebot von Vorbildern, nütze nichts. Bis dahin rede und schreibe man mehr babylonisch als deutsch mit fremden Zutaten aus dem Spanischen, Italienischen, Lateinischen und anderm mehr, wie man in der Kleidung nachäffe, wo doch mehr Deutsch "in einem alten, doch unverböserten Hiltenprandt" stecke als in "tausendplätteriger (wie sie es nennend) Rhetorick". Wie es Ruhm bringe, fremde Werke, Künste und Sprachen zu kennen, so sei es lästerlich, sich in der eigenen Sprache nicht auszudrücken zu vermögen. Wer predige deutsch, wie Andreas Perneder deutsches Recht gegeben, Hieronymus Bock deutsch zur Medizin geschrieben habe? Wenn man aber meine, griechischer und lateinischer "Poesi" könne man nichts zur Seite stellen, so "wäre bald gescheen, das man hoppende und jr auff vil schläg springende märlin ersatzte". Wofür er als Beispiel ein Stück Martial in gereimte deutsche Fünfheber - allerdings auch etwas "hoppend" - übersetzt hat.
Der Druck besteht, leicht abweichend von der ohnehin etwas ungleich messenden pompösen Formulierung des Titels, aus vier Teilen: Herolds eigene Schrift (ungezählte Seiten) über die antiken - heidnischen - Götter und ihre zahlreichen Namen und Beinamen, in der er, mit Ergänzungen aus andern nicht genannten Quellen und Kürzungen, recht genau dem in der Vorrede genannten Giglio Giraldi folgt, dessen wissenschaftlichen lateinischen Stil in deutsche Erzählung umsetzend; dann als umfangreichster Teil (295 Seiten) der ursprüngliche Anlass des Werkes, vor dem Erscheinen des Werkes Giraldis geplant, die deutsche Übersetzung - nach der lateinischen Poggios - der Ägyptenbücher Diodors, vor allem zur ägyptischen Religion; dann, mit dem kürzeren vierten Teil zusammen auf 130 Seiten, Herolds Übersetzung des Berichts vom Trojanischen Krieg des Dictys und Dares, der Herold ebenfalls erst nach dem Fassen des Diodor-Planes in Petris zweitem Diodordruck von 1548 (GG 244) leicht zugänglich geworden ist (83 Seiten), und schliesslich die "Bildschrift Oder Entworffne Wharzeichen dero die uhralten Ägypter in ihrem Götzendienst.. an statt der buochstäblichen schrifften gepraucht habend. Inn zwei bücher durch etwa Horum ein Heylig geachten Priester in Ägypten, vor dreytausent jaren verfaszt, und beschriben" (S. 85-130). Diese griechisch überlieferte Schrift wurde im Humanismus zunächst, nach Plutarch und Herodot, dem Gott Horus oder einem König Horus, Sohn des Osiris, zugeschrieben; im 16. Jahrhundert identifiierte man den Autor nach der Suda mit einem Horusapollon, der unter Theodosius II., d.h. um 408-450, in Alexandria Philosophie gelehrt habe; heute neigt man eher dazu, den notizenartigen Traktat einem Horusapollon zuzuweisen, der - wohl ein Enkel des obigen - unter Zenon (474-491) in Menuthis bei Alexandria gelehrt hat. Die in der Folge der Abschriften figurenhaft abgewandelten Zeichen der Horapollo-Überlieferung gehen eindeutig auf die echten betreffenden Hieroglyphen zurück. Herolds eigener Text zu Beginn ist ähnlich wie die "Planeten Tafeln" und die Hieroglyphen illustriert: im ersten Buch zwei Doppelseiten mit zuerst den "Consentes: Die entworffen abbildung und verzeichnung der zwölff Göttern, so bey den Heyden als die Obersten... gehalten" und folgend den "Selecti: Abbildung unnd fürgestellte entwerrffung der Acht auszerlesznen Götter, so vorigen Obersten Zwölffen zuogethon.."; in den fünf folgenden dann die Beschreibungen dieser Götter mit jeweils ihrem Holzschnitt zu Beginn. Zum Teil weniger fein als die kleineren Hieroglyphen-Darstellungen, dürften sie doch vom selben oder von den selben Künstlern wie jene für diesen Druck geschaffen sein. Besonders fein der der zweiten Tafel zur Füllung beigegebene grössere Holzschnitt "Ritter Spil", der die Spiele von Olympia darstellt und zu ihrer Beschreibung nochmals erscheint. Die Illustration der Diodorübersetzung stammt ausnahmslos aus dem Holzschnittvorrat der Offizin. Die Dictys-Übersetzung ist, da sich der erwähnte Vorrat hier weniger eignete und auch keine Vorlage existierte, nicht illustriert worden.
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Bibliothekskatalog IDS
Signatur: EK IV 53