GG 248

Dionysii Halicarnasei Antiquitatum sive Originum Romanarum libri XI a Lapo Birago Florentino latine versi, ac per Henricum Glareanum P. L. recogniti, ab innumerisque mendis repurgati, & illustrati Annotationibus. Adiuncta est per eundem Chronologia temporum in Dionysij historia comprehensorum. Basel: Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius März 1532. Fol.

Während der griechische Erstdruck der Rhōmaikē Archaiologia, der Römischen Altertumskunde des aus Halikarnass in Kleinasien stammenden Redelehrers Dionysius, der im Jahre 30 vor Christus nach Rom übergesiedelt ist, erst innerhalb der ersten Gesamtausgabe seiner erhaltenen Schriften 1546/47 in Paris erschienen ist, war die hier - verbessert - vorliegende Übersetzung des Florentiner Humanisten, päpstlichen Sekretärs und Freunds Albertis und Leonardo Aretinos Lapo Biraghi (1405-1438) ein erstes Mal schon 1480 in Treviso erschienen, dann 1498 in Reggio Emilia und, drei Jahre vor unserm vierten Druck, 1529 in Paris. Der Glarner Humanist Heinrich Loriti, genannt Glareanus (um 1495-1563), seit der Basler Reformation Dozent der Poetik an der Universität der habsburgischen Stadt Freiburg, hat die Übersetzung durchgesehen und verbessert, marginal zusätzlich zu den herkömmlichen Inhaltshinweisen die Daten der Ereignisse vermerkt und dem Band als unpaginierten Anhang eine Chronologie in Tabellenform nach dem Vorbild der Eusebiusdrucke und, mit eigener Widmung recht umfangreiche textkritische Annotationes zu einzelnen Stellen beigegeben (diese im Text durch Asterisci gekennzeichnet). 

Er hat das Werk aus Freiburg 1532 Erzherzog Ferdinand von Österreich, König von Böhmen und Ungarn gewidmet, seinem Herrn in Freiburg, dem späteren Kaiser Ferdinand I. Nach der alten Sitte, lesenswerte Werke einem Fürsten oder einem besondern Freund zu widmen, beginnt er, durch die der Autor wie die Patrone bekannt würden, wie Maecenas und seine Dichter wie Varius, Vergil, Horaz, wie Augustus, bei den Griechen Philipp von Makedonien und sein Sohn Alexander durch Aristoteles, so widme er ihm dieses unscheinbare, aber doch arbeitsreiche Werk, um ihm bekannt zu werden, wie er es einst seinem Grossvater Maximilian geworden sei, von dem er den Dichterlorbeer erhalten habe. Ein kühnes Unternehmen, doch sei er mit vielen seiner besten Freunde befreundet, so mit dem berühmtesten Zeitgenossen Erasmus von Rotterdam. Er verehre ihn verdientermassen wie einen Vater und Lehrer. Ebenso mit dem vielumworbenen und beneideten Bischof von Wien Johannes Faber, schliesslich mit Ursinus Velius, seinem hervorragenden Sekretär. Wie sehr dieser ihn schätze, habe er mit seinem letzten Brief an ihn gezeigt. Zudem sei er, als er sich vor einigen Jahren als Dozent nach seinem Freiburg begeben habe, dort von der Universität, die seine Vorfahren errichtet hätten, den Behörden, dem Adel, der Geistlichkeit, schliesslich von einzelnen Bürgern freundschaftlichst und grosszügig aufgenommen worden. Und was den Autor betreffe, so verdiene Dionysius, wenn die Schriftsteller besonders zu empfehlen seien, die von den alten Zeiten berichteten, Dinge, die nicht mehr umstritten würden, für die römische Geschichte wohl den ersten Platz (heute sieht man in dem - besonders in den zahlreichen langen Reden - vor allem rhetorisch ausgestalteten Werk mehrheitlich nur noch eine Quelle zur Kenntnis verlorener älterer römischer Historiker). Die weiter zurückreichenden Berichte anderer seien märchenhafter, zweifelhaft, was sich u.a. besonders deutlich bei der Datierung der Stadtgründung zeige. Bei diesem Autor sei alles geordnet, das Älteste und das Spätere, und glaubwürdig. Die Reden seien so gut mit den Geschehnissen verknüpft, dass sie aus ihnen heraus entstanden, nicht vom Autor erfunden scheinen könnten. Auch in der Weglassung und Auswahl sowie in der geschickten Anpassung der Beispiele zeige sich sein Geschmack und Urteilsvermögen (iudicium). In dieser alten Zeit sei Livius viel nachlässiger, mit seiner Eile auf seine Zeit hin. Einer Aufzählung von Beispielen folgt der Hinweis, dass dies nicht die Bedeutung des hochgeachteten Livius mindern, sondern die des Dionysius betonen solle, den er darauf als eine Sonne der römischen Geschichtsschreibung nach Polybius, Livius und Sallust bezeichnet, bei denen man seine Gewissenhaftigkeit oft vermisse. Wenn jemand einwerfe, man müsse deutsche Geschichte betreiben - freilich, aber die fremde ebenfalls. Und schliesslich sei sein Bruder Kaiser der Römer, von denen diese Geschichte handle, und er nun selber auch nach dessen Willen zum Kaiser des römischen Reiches gewählt worden. Zudem behandle Dionys nur Römisches, nichts Fremdes wie Herodot, den Plutarch darum als Barbarenfreund beschuldigt habe, und nicht innere Streitigkeiten wie Thukydides, nicht Geschehnisse der ganzen Welt wie Polybius. Ausserdem hindere nichts, Beispiele von ausserhalb anzuführen. Die göttliche Bestrafung überheblicher Herrscher, der innergriechische Zwist könnten auch heutigen Fürsten und dem heutigen Deutschland als abschreckende Beispiele dienen. Man lese schliesslich Geschichte, um gutem Verwandtem nachzueifern, vor schlechtem sich zu hüten. Was spiele es da für eine Rolle, ob man das der griechischen, römischen oder der barbarischen Geschichte entnehme? Nur wirksam müssten die Beispiele sein. Zu dieser Arbeit weist Glarean schliesslich darauf hin, dass er den vor fünfzig Jahren erschienenen Druck von Treviso (d.h. den Erstdruck von 1480) an mindestens 6000 Stellen verbessert und etwa 300 Stellen kommentiert habe, wo er dem Leser kurz seine Ansicht erkläre, während er ihn im übrigen selber urteilen lasse. Die Zeitangaben habe er nach der Form der Chronik des Eusebius, von der Eroberung Troias bis zu den ersten Militärtribunen mit konsularischer Macht (zuletzt das Jahr 309, d.h. 444 v. Chr.) beigefügt, für über 700 Jahre. Die Mühen der Wiederherstellung der antiken Autoren könne nur der richtig würdigen, der selber einmal darum gekämpft habe. Dem gingen heute viele Gelehrte aus dem Wege, da es nicht so viele Vorteile einbringe wie Schweiss und bösartige Kritiken.

In seiner kurzen Widmung der chronologischen Tabellen vom 5. Februar 1532 an Kaiser Ferdinand weist Glarean darauf hin, wie ihn die grosse Sorgfalt, die Episcopius seiner Chronologie zum Livius angedeihen gelassen habe, verlockt habe, auch hier eine solche zu erstellen. Von der Eroberung Troias bis zur Gründung seien es, nach drei Angaben des Dionysius, die bisher falsch gelesen worden seien, 532 Jahre, wie er durch Vergleich mit der Chronik des Eusebius habe herausfinden können. Um die Seiten der Tabellen nicht halbleer zu lassen, habe er parallel aus der heiligen Geschichte die in diese Zeit gehörigen Könige der Juden, dann die der Meder, Makedonier und Perser eingesetzt, was für viele auch einen Anlass biete, die Chronik des Eusebius genauer zu studieren. Er habe seinen Katalog dort enden lassen, wo das verstümmelte elfte Buch aufhöre. Das Weitere finde man bei Livius; aus anderen Autoren zu ergänzen, habe ihm Wichtigtuerei geschienen.

In seiner kurzen dritten Widmung, für die Annotationes, die ihm bei der Ausgabe am meisten Mühe gemacht hätten, vom 13. Januar 1532 an Ferdinand, weist Glarean auf den Unterschied zwischen einem commentarius und annotationes hin, die allerdings auch als Kommentar dienen könnten. In jenem sei man freier, könne breit werden, seinen Witz zeigen, bei den Anmerkungen sei der Nutzen des Lesers die Hauptsache. Hier müsse man sich vor Abschweifungen hüten, dafür den Leser auf eigene Überlegungen bringen. Oft vergesse man auch bei Entdeckungen, wie viel andere schon zuvor entdeckt hätten. Im Gegensatz zu andern bekenne er oft sein Unwissen. Aber all das sei menschlich. Nur eines müsse er noch gestehen: wenn er den griechischen Text gehabt hätte, hätte er mit kaum viel mehr Arbeit das ganze Werk neu übersetzen können als so zu raten, wie der sprichwörtliche Blinde über die Farben. Das müsse der Leser berücksichtigen. Damit diese Annotationes mit der Ausgabe zusammen unter seinem Schutz erschienen, habe er sie dem fleissigen und von seinem Vater ausgebildeten Hieronymus Froben zu drucken gegeben. Dessen Vater habe keine Mühe und keinen Aufwand gescheut, dass täglich bei ihm die besten Autoren gleichsam wiedergeboren würden, mit Hilfe und Anspornung vor allem durch Erasmus von Rotterdam, seinen Lehrer (während Glarean dies schrieb, lebte auch Erasmus schon bald drei Jahre, und noch für gut drei weitere, in Freiburg).

Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis: C C II 15 Nr. 2 (die Chronologietafeln fehlen, sind aber in (GG 249) vorhanden).

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: CC II 15:2

Illustrationen

Buchseite

Titelseite mit der Druckermarke von Hieronymus Froben.

Buchseite

2*r: Vorrede des Glareanus an den Erzherzog Ferdinand von Österreich, Freiburg i.Br., 1532, 1. Seite.

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2*v: Vorrede des Glareanus, 2. Seite.

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3*r: Vorrede des Glareanus, 3. Seite.

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1ar: Beginn der Römischen Altertumskunde des Dionysios von Halikarnass in lateinischer Übersetzung.

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6Yr: Kolophon

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1Zr: Vorrede des Glareanus zu den Annotationes an den Erzherzog Ferdinand von Österreich, Freiburg i.Br., 13. Januar 1532.

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1Zv: Beginn der Annotationes.