GG 249
Dionysii Alexandri F. Halicarnassen. Antiquitatum sive Originum Romanarum Libri X. Sigismundo Gelenio interprete. Addidimus Undecimum ex versione Lapi, Chronologiam Henrici Glareani P. L... Basel: Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius 1549. Fol.
Siebzehn Jahre nach der Ausgabe (GG 248) der verbesserten alten Übersetzung Lapo Biraghis durch Glarean bei Hieronymus Froben und Episcopius, in deren Widmungsvorrede der Herausgeber es beklagt, keinen giechischen Text zur Verfügung gehabt zu haben, keine zwei Jahre, nachdem Robert Estienne in Paris - Typographus Regius - sämtliche Werke des Dionys von Halikarnass als erster im Februar 1547 griechisch herausgegeben hatte, erscheint bei den selben Basler Druckern eine ganz neue Übersetzung, die nun direkt auf dem griechischen Text beruht. Übersetzer ist der aus Prag stammende, seit Jahrzehnten in Basel als Herausgeber und Korrektor in der Officina Frobeniana tätige Sigismundus Gelenius (Gelensky), der schon im Vorjahr das historische Werk des jüdischen Zeitgenossen des Dionys, des Flavius Josephus, nach dem Basler griechischen Erstdruck von 1544 (GG 238) neu (GG 239) übersetzt gehabt hatte.
Gelenius hat seine Übersetzung "sub calend. Ianuarias" des Jahres 1549 (in dem der Druck erschienen ist), das heisst wohl am Silvesterabend des Jahres - nach heutiger Rechnung - 1548 dem Abt Johann Rudolf von Murbach und Lure gewidmet, dem er die Übersetzung offenbar schon vorher versprochen hatte, denn er beginnt mit der Ankündigung, dass hier der versprochene Dionys zu ihm komme, der mit dem Ruf des anerkannten Kritikers der alten und neuen Literatur zur Zeit des Antonius (Marcus Antonius) aus seiner Heimat Halikarnass nach Rom, ins "Theatrum der gesamten Welt" übergesiedelt sei, dort zwanzig Jahre unter den Vornehmsten verkehrt, Lateinisch gelernt und Rom die griechische Sprache und Literatur nähergebracht und ihm bei seinen Landsleuten hinwieder den Ruf von Barbaren genommen habe, wie sie zuvor schliesslich auch Makedonien adoptiert hätten. Besonders nachdem mit der Zeit alle Gebiete der Wissenschaften auf lateinisch behandelt worden seien. Wie die griechische Sprache sich im ganzen Orient ausgebreitet habe, so die lateinische im Westen. Deshalb und weil er die Geschichte als einen beispielhaften Spiegel der privaten und öffentlichen Sitten und Taten erkannt habe, habe Dionys sich vorgenommen, eine römische Geschichte zu schreiben. In der Folge fasst Gelenius kurz die Geschichte bis zum Ende des Königtums zusammen und weist auf die drei Formen des alten römischen Staates hin: das Königtum, das Patriziat und die Zeit, da die Plebeier durch ihre Tribunen eine Beteiligung an der Macht erlangt hätten. Schliesslich die Mischung und den frühen Verfall ihrer Sprache durch die Ansiedlung der unterworfenen Völker, so dass nur wie durch ein Wunder sich der pelasgische Dialekt in Rom gehalten habe (die urrömische Sprache, die von Dionys über Aeneas, Latinus, Telemachos auf das Ur- oder Vorgriechische zurückgeführt wird). Diese Frühzeit habe - ein besonderes Verdienst - Dionys behandelt, ausgewogen, nirgends zu breit, nirgends zu knapp, in einem schmucken, nicht überladenen klaren Stil, Herodot, Thukydides und Xenophon in sich vereinigend (Dionys hat denn auch als Schrittmacher des attischen Klassizismus, des Attizismus in der Literatur gewirkt). Er habe nicht einen rohen Kommentar, sondern eine vollendete Geschichte hinterlassen. Dadurch seien die Werke Theopomps, des Ephorus, Philistus, Hecataeus, Anaxilaus, Timaeus und anderer untergegangen, grossenteils auch die des Polybius und Diodors und ebenso die Lateiner: Trogus, Sallust (die Historiae), Livius, Tacitus, Ammian. Doch mit Recht sei sein Werk erhalten geblieben: er sei in allen Fächern, besonders auch in der Philosophie, gebildet gewesen. Er habe versprochen, seine Geschichte bis zum Beginn des ersten Punischen Krieges zu führen, scheine aber durch einen frühen Tod unterbrochen worden zu sein. Diesen seinen Verdacht bestärkten die Reste unter dem Titel eines elften Buches, die in Paris nicht erschienen und daher auch von ihm nicht übersetzt worden seien: ein ungeordneter Materialhaufen, völlig von den andern Büchern abweichend. Er lasse ihn vor allem deshalb unberührt, damit man sehe, dass der Autor während der Arbeit gestorben sei. Aus dem selben Grund dürften auch die Bücher fehlen, die er am Ende des ersten Buches der Altertümer über den römischen Staat zu schreiben versprochen habe. Nach einer Aufzählung der übrigen Werke des Dionys kommt Gelenius auf die alte Übersetzung zu sprechen, vor etwa fünfzig Jahren von einem unbekannten Lapus geschaffen, der aus verständlichen und sogar andere erhellenden Büchern grösstes Dunkel gemacht habe. Der unglückliche Übersetzer habe dann einen um nichts glücklicheren Drucker gefunden. In der nächsten Ausgabe habe der Dichter Glarean, nun öffentlicher Professor der Freien Künste an der Freiburger Universität, ein Polyhistor und vollkommener Mathematiker, vor allem ein unermüdlicher und erfolgreicher Jugenderzieher, dem unglücklich behandelten Autor zu helfen versucht, aber gemerkt, dass das Übel ohne Hilfe einer griechischen Handschrift nicht heilbar sei, und nur einiges durch Vergleiche mit andern Werken mit Konjekturen erreicht (Glareans chronologische Tabellen sind mit seiner alten Widmung hier denn auch übernommen). Man wisse beim Übersetzer oft nicht, ob ein Grieche oder Lateiner spreche, nur dass man ihn nicht verstehe, besonders wenn man nicht griechisch könne. Es habe ihn gedauert, dass der Autor, der die Tugenden der Römer so gepriesen habe, diesen nicht besser bekannt werde. Da sei unerwartet ein Heilmittel erschienen: in der Druckerei, die König Franz von Frankreich in einer seiner würdigen Form gegründet habe, sei unter andern Autoren dieser Dionys erschienen. Ein königliches Beispiel, das zu befolgen sei. Und das vielleicht König Johann von Portugal befolge, der nach der Gründung der Universität von Coimbra auch königliche Drucker berufen habe. Mit der griechischen Vorlage habe er sich leicht an eine neue Übersetzung gemacht: veranlasst hätten sie seine Freunde Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius, Sohn und Schwiegersohn des berühmten Johannes Froben, die das Erbe gemeinsam mit grossem Einsatz zum Nutzen der Wissenschaften (ad iuvandam rem literariam) weiterführten. Denn was sei je aus ihrer Offizin nicht verbessert und schöner erschienen? Schon nur die Titel würden mehr als eine Seite füllen. Sie würden als erste in Deutschland alle andern Drucker zum Wetteifer antreiben. So vertrauten die besten Autoren ihnen ihre Werke an: vor kurzem noch der Phönix seiner Zeit Erasmus von Rotterdam (um dessentwillen Gelenius nach Basel gekommen war), Beatus Rhenanus, Simon Grynaeus, Hieronymus Gemusaeus, um von den Lebenden zu schweigen, nicht nur aus Basel, sondern aus den fernsten Ländern, die diese Offizin berühmt machten und durch sie berühmt würden. Ihn würden sie schon viele Jahre mit willkommenen Fesseln und Aufgaben bei sich halten, so dass er das Heimweh gleichmütig ertrage (Gelenius, um 1498-1554, hatte in Venedig bei Musuros Griechisch gelernt und war 1524 zu Erasmus nach Basel gekommen; seitdem arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Herausgeber und Übersetzer in der Officina Frobeniana). Seine Verdienste um die literae seien die ihren: er habe in den letzten Jahren bei Josephus und Dionys neue Wege betreten (die des Josephus war seine erste - zumindest grössere - Übersetzung gewesen). In der vorliegenden Übersetzung habe er sich um Treue keine Sorgen gemacht, die Eleganz des Dionys habe er nicht zu erreichen gesucht. Was die Verständlichkeit betreffe, so habe er sich möglichster Nähe zum Archetyp (in diesem Fall der Pariser Druck) beflissen. - In der abschliessenden Widmung an den Abt hebt Gelenius noch seinen Kanzler Matthias Ulianus, seinen Leibarzt Johannes Huber und Christoph Stizius hervor, rühmt seine Bautätigkeit und die Gründung von reichen Bibliotheken in seinem Herrschaftsgebiet, die ein besonderer Schatz gottesfürchtiger Menschen seien.
Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis (zusammengebunden mit Heinrich Petris Druck der Bibliotheca historica Diodors von 1548 [GG 244]): C C II 10 Nr. 1
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: CC II 10:1