GG 258
Polybiou Megalopolitou Historiōn biblia e', kai Epitomai ib'.
Polybij Megalopolitani Historiarum libri priores quinque, Nicolao Perotto Episcopo Sipontino interprete. Item Epitome sequentium librorum usque ad Decimumseptimum, Vvolfgango Musculo interprete... Basel: Johannes Herwagen März 1549. Fol.
Nach sechs Drucken der lateinischen Übersetzung der fünf erhaltenen Bücher vom Beginn der Römischen Geschichte des Polybios aus der Feder des Nicolaus Perottus seit Rom 1473 - vier in Venedig, einer in Florenz - ist in Hagenau im März 1530 deren erster griechischer Druck, im selben Monat mit dem siebenten lateinischen Druck und ersten Basler bei Heinrich Petri, erschienen, herausgegeben von Vincentius Obsopoeus, zweisprachig mit der Übersetzung des Perottus. Der Bayer Obsopoeus, zuvor in Nürnberg dem Kreis um Bilibald Pirckheimer angehörend, seit 1529 Schulmeister, später Rektor in Ansbach, hatte eine Handschrift vom Juristen Jacob Otto Aetzelius erhalten. Für die neue Basler Ausgabe konnte zumindest eine neue Handschrift verwendet werden. Der Herausgeber Arnoldus Arlenius, Bibliothekar des spanischen Humanisten und Staatsmanns, Gesandten Karls V. in Venedig Diego Hurtado de Mendoza, hat die Ausgabe seinem Herrn gewidmet: Aus dem Hause der bedeutendsten spanischen Feldherrn sei Mendoza dank seiner Bildung von Karl V. mit den höchsten Aufgaben, bis zu Verhandlungen mit dem Papst, betraut worden. Schon lange sei er in seinen Diensten und zum Dank wolle er ihm diese Ausgabe des Polybius widmen, für deren Qualität ihm der Name des Druckers Johannes Herwagen garantiere. Des Dankes der Gelehrten für diese Art Literatur sei er von seiner Josephusausgabe her gewiss (bei Froben und Episcopius 1544 [GG 238]). Dort habe er sich auch ausführlicher über die Geschichtsschreibung geäussert. Für das Lob des Polybius hingegen genüge es, auf Scipio Africanus zu verweisen. Er sei fast mehr Staatsmann und Philosoph als Historiker. Und die Übersetzung seines Punischen Krieges durch Livius sollten sich geradezu anspruchsvolle Übersetzer seiner Zeit zum Vorbild nehmen. Die Ausgabe biete die fünf Bücher, die man schon Vincentius Obsopoeus verdanke (dessen Widmung an Markgraf Georg von Brandenburg ist im Anschluss an die des Arlenius mitgedruckt), nach Handschriften verbessert und ergänzt und dazu in Erstdruck fast vollständig das sechste, sowie aus seiner (Mendozas) Bibliothek die Epitome der zwölf folgenden Bücher (die er aus Korfu aus der Bibliothek des hochgelehrten greisen Tanos Moschos erworben habe). Wenn das Schicksal aus dem Unheil, das vierzig Bücher dieses Autors getroffen habe, mehr gerettet oder ein glücklicher Zufall ihm mehr zugespielt hätte, müsste die Gelehrtenwelt auch auf diese nicht länger warten (eine vollständigere - und damit überhaupt nächste - Ausgabe ist erst 1609 in Paris erschienen). Die Erweiterungen würden die Ausgabe des Obsopoeus völlig vergessen lassen, und dennoch sei man ihm riesig Dank schuldig für das, was er seinerzeit geboten habe. Er selber würde sich freuen, wenn ein anderer durch neue Funde seine Ausgabe ebenso überflüssig machte. Am Schluss des griechischen Teils (Epitome aus Buch 17) findet sich die Notiz, dass hier unter dem Titel eines Buches 18 der Epitome in der griechischen Handschrift Text gefolgt sei, der sich aber als blosses Exzerpt aus dem Vorangegangenen erwiesen habe und darum weggelassen worden sei; man ersehe es aus der Übersetzung des Musculus. Musculus hat dem lateinischen Teil eine eigene Vorrede mitgegeben (auch hier ist danach die alte Perottis abgedruckt), und das eigene Titelblatt sowie die eigene Paginierung zeigen, dass die Übersetzung auch allein gekauft werden konnte. Über den Nutzen der Geschichtsschreibung, beginnt Musculus seine Vorrede von Zürich, 21. Dezember 1548, an den Leser, brauche er sich nicht zu verbreiten, denn das habe sowohl er vor Jahren wie Obsopoeus in seiner Vorrede schon getan, die mit dem griechischen Text abgedruckt sei. Doch wolle er immerhin - er ist Theologe - darauf hin weisen, was profaner Geschichtsschreibung vom Leser zu entnehmen sei. Zuerst habe sie die Menschen arbeitsam, vorsichtig und wachsam zu machen; nicht nur die Geschehnisse, sondern auch die Hintergründe seien wahrzunehmen, die Umstände abzuwägen. Der Christ müsse darüber hinaus sich klar machen, dass die Welt von Gott geleitet werde. Polybius suche nach den Gründen und Ursachen der Eroberung der damaligen Welt durch die Römer, nach der Methode dieser Welt, stelle dazu die Geschehnisse dar. Die Christen müssten den Plan Gottes dahinter sehen. Heute würde Polybius mit eben solchem Staunen wie damals den Aufstieg der Römer ihren Untergang beschreiben. Heute könne man im Aufstieg und Untergang all der Reiche die Führung Gottes erkennen; das müsse der Leser der Geschichtsschreibung entnehmen. Und die Laster und Kriege der Vergangenheit führten ihn zu den heutigen, Kriegen mit Tausenden von Toten, Werk des Fürsten dieser Welt. Keine Unterhaltung, jeglicher Art, habe die Geschichte dem christlichen Leser zu bieten, sondern die Erkenntnis der Richtersprüche Gottes. Über diese Ausgabe Herwagens nach jener von Hagenau 1530 brauche er sich nicht weiter zu äussern; Verbesserung und Zusätze rechtfertigten sie genügend. Die Übersetzung des Perottus habe er auf Wunsch Herwagens mit dem griechischen Druck Secers (Hagenau) verglichen. Er habe sich dabei nicht bei einzelnen Wörtern aufgehalten, sondern verbessert, was jener heute nicht als seine Worte anerkennen oder verbessern würde. Lücken habe er nach der griechischen Vorlage ergänzt. Perottus achte er keineswegs gering; er wisse sehr wohl, was die Abschreiber und Drucker durch ihre Nachlässigkeit schon nur in hundert Jahren alles verfälschten (in describendis & multiplicandis exemplaribus & adimat, & de suo adijciat... negligentia posteritatis). Diesen fünf Büchern habe er zwölf Zusammenfassungen, recht nachlässig angefertigte, folgen lassen. Da die Bücher selber nicht mehr existierten oder, wenn doch, nicht publiziert würden, seien auch sie nützlich. Und so, wie sie seien, habe er sie auf Bitten Herwagens übersetzt, damit sie auch des Griechischen nicht Kundigen bekannt würden, obwohl er wegen anderer Tätigkeiten keine Lust gehabt habe, auf solche Schriften Zeit aufzuwenden und andere dazu geeigneter seien. Die Handschrift des Obsopoeus, aus dem 14. Jahrhundert (die heutigen Ausgaben beruhen auf einem Vaticanus des 11. Jahrhunderts), stammte aus der Bibliothek des Matthias Corvinus (heute Monacensis 157); welche Handschrift Arlenius für die Bücher 1-5 verwendet hat, ob sie identisch ist mit derjenigen der Epitomai aus der Bibliothek Mendozas, ist nicht bekannt. Sie sei - nach den Worten des Xystus Betuleius, damals Rektor und Bibliothekar des Augsburger Gymnasiums - besser gewesen als die Augsburger (ebenfalls 14. Jh., heute Monacensis 388), in die er dies eingetragen hat, nachdem er sie "mit der Handschrift (exemplum) verglichen habe, die Herwagen für seine Ausgabe (in editione...) verwendet habe". Seine Kollationen aus jener vom Winter 1548 habe dann Musculus für seine Übersetzung (und die Durchsicht der Übersetzung des Perottus) in seinem Zürcher Exil verwendet. Nachdrucke des lateinischen Teils der Ausgabe Herwagens erschienen in Lyon 1554, Basel 1557 (Froben-Episcopius) und Genf 1597.
Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis: B c II 111 Nr. 1
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Bc II 111:1