GG 259
Polybius. Roemische Historien Des Weisisten Warhafftigsten Unnd hochberhuempten Geschichtsschreibers Polybij in Siebentzehen Buechern begrieffen, soviel deren noch vorhanden seind... Alles Ausz Griechischer sprach in die Teutsche mit sonderm fleisz und grosser arbeit, Teutscher Nation zuo guotem gebracht, und jetzt erstmals im Truck auszgangen. Durch Guilielmum Xylandrum Augustanum. Basel: Sebastian Henricpetri 1574. Fol.
Von den vierzig Büchern 'Historiai' (Weltgeschichte) des Polybios aus Megalopolis (um 200 - um 120) sind nur die fünf ersten Bücher ganz erhalten, von den folgenden, vor allem dem sechsten mit der Theorie über die römische Staatsform, Auszüge späterer Autoren und Fragmente. Eine vollständige Ausgabe der erhaltenen Texte ist in der Originalsprache erst 1609 bei Claude Marne und Jean Aubry in Frankfurt erschienen, die ersten fünf Bücher zusammen mit einer lateinischen Übersetzung des Nicolao Perotti (1430-1480) schon 1530 in Hagenau, nachdem diese Übersetzung allein bis dahin schon siebenmal von 1473 bis 1522 in Rom, Paris, Venedig und Florenz erschienen war: Im selben Jahr 1530 erschien sie bei Heinrich Petri zusammen mit der 'Epitoma' des "Sextus Ruffus". Wichtig wurde der Basler Druck Herwagens von 1549 (GG 258), den der Buch- und Handschriftenhändler Arnoldus Peraxylus Arlenius in die Wege geleitet hatte. Die Exzerpte der Bücher 6-17 hat der Herausgeber des Druckes Herwagens, der damals in Zürich wirkende, 1549 nach Bern berufene Theologe Wolfgang Musculus ins Lateinische übersetzt, zugleich auch die alte Übersetzung der Bücher 1-5 nach dem Hagenauer Text korrigiert. Die Folioausgabe Herwagens druckte sein Nachfolger Nicolaus Episcopius 1557 im Oktavformat nach; 1558 erschien ein Nachdruck allein der Übersetzung in Lyon. Die erste neusprachliche Übersetzung war die des Loys Maigret, Paris 1542; sie umfasste die ersten fünf Bücher, erschien nochmals 1557 und, vom Autor nach dem Griechischen revidiert, in Lyon 1558. Inzwischen war in Paris eine Übersetzung erschienen, die nun auch zwei Fragmente des wichtigen sechsten Buches des Basler Drucks von 1549 (GG 258) enthielt. Die erste italienische Übersetzung, von Lodovico Domenichi, erschien 1545 bei Gabriel Giolitto in Venedig, ebenfalls die fünf Bücher des Anfangs und die zwei Fragmente des sechsten Buches enthaltend. Sie erschien revidiert nochmals 1546, um die übrigen Texte der Bücher 7-17 des Basler Drucks von 1549 (GG 258) vermehrt vom selben Übersetzer und beim selben Drucker 1562/64. Die nächste Übersetzung ist unsere deutsche von Wilhelm Holtzman, wie er sich in seiner deutschen Euklidübersetzung ausnahmsweise einmal selber deutsch genannt hat, die 1562 (GG 286) in Basel erschienen ist. 1532 in ärmlichen Verhältnissen in Augsburg geboren, hat Xylander dank Unterstützungen ab 1549 in Tübingen, 1557/58 bis zur Magisterpromotion in Basel studieren können, wo er schon vor 1557 Beziehungen zu Oporin hatte. 1558 hat ihn Ottheinrich von der Pfalz als Professor der griechischen Sprache nach Heidelberg berufen. In der Widmung an seinen nunmehrigen Herrn, Pfalzgraf Johann Casimir, von Heidelberg 7. März 1574, weist Xylander darauf hin, dass nach Verrichtung der ernstlichen Geschäfte das "Ergetzen" neue Lust und Kraft bringe, dass aber auch bei Christen mit dieser freien Zeit oft Missbrauch getrieben werde mit Schlafen, Spielen, Fressen, Saufen, Rasslen ("will andere üppigkeit unnd unzucht ehrenhalb geschweigen"). Auf Mühe und Arbeit habe sehr wohl Ruhe und Kurzweil zu folgen, doch man habe, mit Aristoteles, Cato, Cicero und Scipio, "mit seiner person und stand gemässen sachen sich (zu) erlustigen". Sogar auch "schlechte (einfache) leüt und geringes thuons", sofern nicht bäurische Tölpel, würden "gern jr übrige zeit mit lesen und anhören alter und newer Geschichten, oder auch Fabeln und gedichten zuobringen", dank des Fürwitzes der Menschennatur. Dies habe sich aber auch schon der Teufel mit Unzucht- und Luginenliteratur zu nutze gemacht, die eigentlich die christlichen Obrigkeiten verbieten sollten, wo es doch genug gute Literatur gäbe. Und wenn sogar der Fabeldichter Äsop, die Tragödien- und Komödiendichter, Homer und Horaz mit ihren erfundenen Geschichten zur Anweisung der Jugend empfohlen würden, wieviel mehr sollten dann nicht die wahrheitsgemäss erzählten wirklichen Geschehnisse hier nützten können. Wie an einem lebendigen Menschen, Affen, Elefanten mehr Wunderbares zu sehen sei als an alten Gemälden, so biete der wahre Weltverlauf mit all seinem Wunderbaren mehr Unterhaltung und Wissen "weder was vom Schlauraffend oder Pantagruels reisen, keiser Otnit oder Wolff Dietrich gedichtet ist". Dichten und Phantasieren könne ein jeder, was ihn gelüste, "auch im traum, aberwitz, verruckung der vernunfft". Geschichte aber erlustige und erquicke Gemüter, die nach Weisheit und Klugheit trachteten. Sein Werk wie den Adressaten nach Brauch zu rühmen, sei hingegen unnötig. Seine Arbeit: die Übersetzung, Verbesserung, Vergleiche mit Livius und andern Historikern, könnten Fachleute selber beurteilen. In der einer kurzen Einleitung und einer Biographie des Polybius folgenden Vorrede an den Leser weist Xylander, nach der Anführung zahlreicher alter Würdigungen seines Polybius, darauf hin, dass er zur bessern Übersicht für den Leser "nicht underlassen (habe), auch die jarzalen an dem rand anzuzeichnen" ebenso Parallelen bei Livius und andern Autoren. Schliesslich geht Holtzman hier noch auf das Problem des Übersetzens, speziell ins Deutsche ein. Xylander hat als einziger der frühen Übersetzer des Polybius diesen nicht nach der lateinischen Übersetzung, sondern aus dem griechischen Original übersetzt. Das würdigt dann auch 1609 Isaac Casaubonus, der erste Herausgeber des um zahlreiche in der Zwischenzeit gefundene Fragmente erweiterten Textes: Während die andern sechshundert Fehler der lateinischen Übersetzung um noch einmal sechshundert vermehrt hätten, bilde - so der in Genf geborene Calvinist, Philologe und Bibliothekar Heinrichs IV. - einzig die deutsche des hochgelehrten Xylander eine Ausnahme.
Aus Besitz des Basler Pfarrers Jacob Ryter (1543-1610): E F I 7 Nr. 2
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: EF I 7:2