GG 297
Stephanos Peri poleōn.
Stephanus De urbibus. Guilielmi Xylandri Augustani labore a permultis foedisque mendis repurgatus, duobus Inventarijs (uno Autorum, quorum e scriptis testimonia petuntur: altero Rerum & verborum memorabilium) auctus... Idem opus Latine factum, insertum eiusdem Xylandri Onomastico Geographico, paulo post in lucem dabitur. Basel: Officina Oporiniana März 1568. Fol.
Im Jahre 1502 war bei Aldus Manutius in Venedig der erste Druck dieses geographischen Lexikons des Stephanos von Byzanz aus dem sechsten Jahrhundert, das dieser Kaiser Justinian gewidmet habe, bzw. von dessen Epitome erschienen, die nach der Suda ein Hermolaos aus unbekannter Zeit (d.h. zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert) angefertigt hat. 1521 war bei den Erben Philippo Giuntas in Florenz ein zweiter Druck erschienen; hier erscheint, nach fast einem weiteren halben Jahrhundert, der dritte. Der Herausgeber, der aus Augsburg stammende Heidelberger Professor für Griechisch Wilhelm Xylander, hat den Druck, der nach dem Verkauf seiner Offizin durch Oporin, aber noch ein Vierteljahr vor dem Tod des Druckers bei dessen Nachfolgern Hieronymus und Polykarp Gemusaeus und Balthasar Han erschienen ist, noch während der letzten Wochen von Oporins eigener Druckertätigkeit am 1. September 1567 einem Sohn seines Gönners während seiner Schulzeit, des Augsburger Bürgermeisters Wolfgang Relinger, dem jungen Augsburger Patrizier Karl Wolfgang Relinger gewidmet; also wohl auch das Werk noch Oporin zum Druck übergeben gehabt. Er benützt die Gelegenheit vor allem zum Dank an den Vater:
Sie beide wüssten, spricht er den Sohn an, wie er denen, die ihm das Studium ermöglicht hätten, zu Dank verpflichtet und dankbar sei. Ohne sie müsste er ungebildet mit irgendeinem schmutzigen Handwerk seinem Unterhalt nachgehen. Dass er die Güter geniesse, die gleich nach der Frömmigkeit und der Tugend kämen, dass er sich der Literatur widmen könne, verdanke er ihnen. Wie nämlich seine Eltern, als er in den Anfangsgründen des Lateins und des Griechischen gute Fortschritte gemacht habe, aus Armut weder das Nötige für seine weitere Ausbildung hätten aufwenden wollen noch können, da er zu Hause unnütz gewesen sei und nichts habe vergelten könne, und ihn deshalb aus der Schule hätten nehmen und einer Sitzarbeit (d.h. als Schreiber) verdingen wollen, da habe sein Vater, damals unbestritten der bedeutendste Mann in Augsburg, als er davon erfahren habe, ihm ein städtisches Stipendium zur Fortsetzung seiner Studien verschafft, so dass er auf Empfehlung seiner Elementarlehrer (schola) zuerst in die Ulrichsschule, dann in das Antoninianum aufgenommen worden sei (zu seinen Förderern hat zuerst Sixt Birck, dann Hieronymus Wolf gehört). Von dort sei er zur höheren Ausbildung nach Tübingen gesandt worden. Sein Vater sei gestorben, bevor er das Ergebnis seiner Unterstützung habe sehen können; mehr als Dank bedeute es auch, durch die Sache selber zu zeigen, dass sie richtig eingesetzt worden sei. Viele Gelehrte bezeugten das. Er habe sich seither stets bemüht, öffentlich durch Lehre und Publikationen (docendo & scribendo) gleichsam eine Ernte dieser Saat darzubringen und im Privaten sich dankbar an die Wohltaten zu erinnern. Dies besonders (denn von seiner Liebe zu den Wissenschaften und den Wissenschaftlern in den Fussspuren seiner Vorfahren habe er von Freunden, ganz besonders von ihrem hochgelehrten Wolf - d.h. Hieronymus Wolf - oft gehört) veranlasse ihn dazu, ihm mit dieser Publikation zu danken. Er möge jetzt ihm so wohlgesinnt sein wie sein Vater ihm als Knaben. Er möge es nicht als Hochmut ansehen, wenn er hier die Ausgabe eines fremden Werkes als seine Arbeit bezeichne. In der Vorrede an die Leser erkläre er die Gründe der Ausgabe; daraus werde er leicht die Berechtigung des Geschenkleins erkennen. Er hoffe, dass die Publikation allen Gelehrten und Studenten (& eruditis & eruditionem humaniorem quaerentibus) nicht nur willkommen, sondern auch vor allem nützlich sei. Er möge ihn seines Patronats würdigen; das möchte er aber nicht weiter erklären.
In seiner mehr fachlich ausgerichteten ergänzenden Vorrede an den Leser weist Xylander mehrmals auf seine Arbeit an einem uns nicht bekannten (erschienenen?) lateinischen Onomasticum geographicum hin, dessen baldiges Erscheinen auch auf der Titelseite unseres Druckes angekündigt wird: Schon vor langem habe er dieses Verzeichnis geographischer Eigennamen so ins Lateinische zu übersetzen begonnen, dass er die Namen der Städte, Gegenden, Berge, Flüsse usw., die der Autor ausgelassen habe, aus andern Geographen - Strabo, Plinius, Mela, Ptolemaeus - sowie aus griechischen und lateinischen Historikern und Dichtern vermehrt und, wo nötig, ergänzt und verbessert habe. Er habe die vorübergehend unterbrochene Arbeit jetzt wieder aufgenommen und hoffe, dass ihre Publikation diesem griechischen Buch in Kürze folge. Griechisch gebe er dieses Werk dennoch getrennt heraus, da es viel zur griechischen Grammatik, zur Etymologie enthalte, was lateinisch nicht wiedergegeben werden könne, das aber er auch nicht wiedergeben müsse, da es ihm lediglich um das Geographische gehe. Diese grammatischen Dinge seien aber sehr nützlich, vor allem zur Ausmerzung von Fehlern in vielen andern Werken. Ausserdem habe er seinen Kommentar lateinisch verfasst und für die des Griechischen nicht Kundigen nach dem lateinischen Alphabet geordnet und nicht das Griechische nur hier abschnittweise einflicken wollen (wie es ähnlich Scheubel 1550 bei seinem Euklid getan hat). Wer griechisch könne, werde also Stephanus griechisch lesen und, wenn er wolle, später mit seinem Werk vergleichen. Und bei einem Vergleich mit den früheren Ausgaben (s. oben) werde man ihm dankbar sein. Die Begründungen für die vielen hundert Verbesserungen und Tilgungen falscher Angaben gebe er in seinem Kommentar (d.h. im Onomasticum). Da viele, erhaltene und verlorene Autoren mit ihren Werken von Stephanus zitiert würden, was zu deren Verständnis und Textverbesserung beitragen könne, habe er diese in einem Index lateinisch aufgeführt (der Index scriptorum: Sp. 327-344). Die zahlreichen andern Erklärungen des Werkes habe er ebenfalls in einem Index erschlossen, für dessen Gebrauch er - wegen der unterschiedlichen lateinischen und griechischen Alphabete (h, e, ō, chi, u.a.) - speziell Anweisungen gibt. Das behandle er alles ausführlicher in seinem Kommentar, der bald folge. Der Nutzen des Lexikons sei durch seine Beiträge an das Verständnis der andern Autoren deutlich. Wer vom Nutzen der historischen Lektüre nichts wisse, den brauche er hier nicht zu belehren; wer darum wisse, aber geographische Kenntnisse dabei für unnötig halte, sei einfach dumm. Gerade auf diesem Gebiet mit seiner Namenfülle sei ein Onomasticum wertvoll. Zu Titel und Autor weist Xylander in der Folge darauf hin, dass er den Titel belassen habe, obwohl er ihn nicht für original halte, dass er über den Autor nichts Genaues wisse, ausser dass er vor Eustathius gelebt haben müsse, da die von ihm zitierten ethnika das hier in einer Epitome vorliegende Werk sein müssten. Tzetzes nenne ihn Stephanus Byzantius. Woran Xylander eine Diskussion des Verhältnisses Stephanus - Epitomator Hermolaus und, im Zusammenhang mit der Widmung an Kaiser Justinian, der Datierung der beiden anschliesst und hierfür auch wieder auf seinen Kommentar verweist (die Widmung an Justinian ist in unserem Druck nicht enthalten, dafür auf dem noch freien Platz am Schluss des Druckes griechische Gedichte von Xylander an Löwenklaw, Hieronymus Wolf an Oporin, Martin Crusius sowie Carl Utenhove an Oporin und Xylander; Utenhove dürfte den Druck in der Offizin betreut haben). Aus Einzelheiten vermute er, dass das Werk des Stephanus nicht alphabetisch angeordnet gewesen sei, dass diese Anordnung erst von Hermolaus oder einem Kopisten librarius) stamme. Mittels eines Zitats aus einem Dictionarium eines Eugenius, der unter Kaiser Anastasius (I.: 491-518) als Grammatiker in Byzanz tätig gewesen sei, das von Hermolaus, nicht von Stephanus stamme, datiert Xylander schliesslich den Epitomator Hermolaus, der seine Epitome aus Stephanus Justinian (527-565) gewidmet habe, als direkten Nachfolger des Eugenius in dessen erste Regierungsjahre, so dass Stephanus mindestens 650 Jahre vor Eustathius gelebt haben müsse. So würde er das Werk richtiger Hermolaou Grammatikou Kōnstantinōpoleōs Epitomē tōn ethnikōn Stephanou Grammatikou benennen.
Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis: C C I 12 Nr. 2N
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: CC I 12:2