GG 327

Claudii Galeni Pergameni, medicorum omnium fere principis opera, nunc demum a clarissimis iuxta & eruditis viris latinitate donata, iam vero ordine iusto, & studio exquisitiore in lucem recens edita. Quibus, ut solidae veraeque medicinae, non poenitendam operam olim indulsisse iuvabit... Basel: Andreas Cratander März 1529. Fol.

Auf über 550 Blatt, d.h. auf über 1100 Folioseiten haben der Basler Buchdrucker Cratander und sein Herausgeber, der Basler Arzt Andreas Leennius, zu einem der ersten Basler Drucke griechischer Medizin 27 Schriften Galens in lateinischen Übersetzungen von neun verschiedenen Übersetzern vereinigt: von Erasmus von Rotterdam (3 Schriften: zuerst Froben 1526), Thomas Linacre (6: zuerst Paris 1517 bzw. 1519 bzw. Cambridge 1521 bzw. London 1522 bzw. 1523), Guilielmus Copus (Wilhelm Kopp aus Basel, tätig in Paris: 5: De locis affectis Venedig 1500 2mal, Paris 1513 und 1520, o. O. 1527; übrige Paris 1523 und 1527), Lorenzo Lorenziano (1: in der Gesamtausgabe Pavia 1515/16?), Niccolò Leoniceno (6: z. T. Venedig 1508, Ferrara 1509, Paris 1514 und 1528, Pavia 1519), Antoine Fortoul (2: zuvor Paris 1526), Theodoricus Gaudanus (d.i. Theodoricus Gerardus: 2: Einzeldruck uns erst von Paris 1539 bekannt), Ionas Philologus (d.i. Johannes Guinterius von Andernach: 1: zuvor Paris 1528), Giovanpietro Valla (1: Einzeldruck der Succidanea uns erst von Paris 1530 bekannt, in Übersetzung von Giorgio Valla). Gegenüber den älteren lateinischen Gesamtausgaben von Venedig 1490 und 1502 mit Übersetzungen aus dem Arabischen, aber auch noch denen von Pavia 1515/16 und Venedig 1522 und 1528 bietet Cratanders Druck somit verdienstvoll den neusten Stand der Galenübersetzung. Herausgeber ist der Basler Arzt unbekannter Herkunft Andreas Leennius, der die Ausgabe am 27. Februar 1529 dem Förderer des Humanismus Kardinal-Erzbischof von Mainz und Magdeburg, Kurfürst Markgraf Albrecht von Brandenburg gewidmet hat. Im selben Jahr 1529 hat Leennius, mit medizinischem Widmungsbrief aus Basel, 31. Mai, an den Arzt Philipp Buchhaimer eine neue Auflage der lateinischen Übersetzung der Schriften über den Urin des Johannes Actuarius und, mit Widmungsbrief von Basel, 8. Juni, den ersten Einzeldruck der Übersetzung Giorgio Vallas der Schrift des Psellus über die menschliche Ernährung (mit andern medizinischen Schriften) bei Cratander, 1532 die Kleinen Schriften des Niccolò Leoniceno bei Cratander und Bebel verbessert und mit Marginalien herausgegeben. Seine Widmung der Galenausgabe beginnt Leennius, ihrem Adressaten, seinem Patronus angepasst, mit einem Preis des Verdienstes derer, die mit ihrem Geist oder ihrem Ruf den Künsten zu Hilfe kämen, den öffentlichen jedem privaten Nutzen voranstellten. Das zeige sich ganz besonders in der Medizin. Zum grossen Vorteil des Erdkreises werde sie nun aus der Unterwelt zurückgerufen, erhebe sie täglich höher ihr Haupt. So habe auch er das Bedürfnis, der Öffentlichkeit zu dienen und sich um die wissenschaftliche Musse der Studiosi zu kümmern, nach Vorschrift Platos in seinem Brief an Archytas (die Leennius im folgenden griechisch zitiert) und auf einen höheren Wink hin. Besonders in diesem Jahrhundert, da die Gelegenheit, so den Studiosi zu nützen, zugenommen habe. In den letzten Jahren seien, Hoffnung einer Wiedergeburt der Medizin, die jeweils greifbaren Werke des göttlichen Hippokrates, des grössten aller Ärzte, herausgekommen (lateinisch Rom 1525 und Cratander 1526 [GG 316], griechisch Venedig 1526). Darum habe sich Andreas Cratander, ein Mann von hervorragendem Urteil, was den Druck guter Autoren betreffe, mit Erfolg bemüht. Diese Schriften böten aber durch ihre Sprache und die Knappheit der Gedankenführung einem Neuling einige Schwierigkeiten. Hippokrates schreibe, wie Synesios sage, aphoristisch und knapp und bringe, mit der Eigenheit seiner Sprache, einen unaufmerksamen Leser zum Erlahmen. Freilich sei es allen knappen Aussagen (apophthegmatis & laconismis), von denen Hippokrates voll sei, eigen, auf den ersten Blick den Sinn des Lesers abzustumpfen. Bei zweiter Durchsicht böten sie durch ihre Schärfe und ihre Sachkenntnis keinen geringen Nutzen. Dem sei auch beim Lesen des Hippokrates so: wer sich nicht genügend konzentriere oder diese knappe Ausdrucksweise zu wenig gewohnt sei, bemühe sich umsonst. Vor allem darum habe er, um in den gewichtigen Autor ein wenig Licht zu bringen, es für der Mühe wert gehalten - da Deutschland, das sich bis dahin von Bohnen und Eckern ernährt habe, dank dem Erscheinen guter Autoren täglich auf bessere Nahrung auszugehen beginne - der Literaturpresse die Schriften Galens zum Druck anzuvertrauen (da dieser, nach Hippokrates, am heilkräftigsten für das Leben der Menschen gesorgt habe). Allerdings nicht alle, das liege nicht in seiner Macht, sondern diejenigen, die von berühmten Männern auf lateinisch übersetzt worden seien, und zwar in Auswahl. Er hoffe, dass, was sich durch die Kürze des Hippokrates an Übelkeit beim Leser gesammelt habe, durch die Übersetzung Galens weggespült werde. Darum habe er für gut befunden, diesen Galen dem Hippokrates (Cratander 1526 [GG 316]) als Reservetruppe beizufügen. Er sei unter vielen Gesichtspunkten hoch zu schätzen: besonders wegen seiner Naturkenntnisse, da er Nützliches mit dem Angenehmen verbinde. In den Künsten komme es sehr darauf an, ob man am Anfang richtig oder nicht unterrichte; denn wir Menschen hielten an dem von Natur fest, was wir in jungen Jahren aufgenommen hätten. Mehr noch als in den andern Künsten müsse man in der Medizin darauf achten, dass sich nicht statt einer Arznei (antidotum) ein Gift einschleiche, statt Gesundem Schädliches. Bei einem Fehler in einer andern Kunst könne dieser wiedergutgemacht werden. Der Stoff (materia) der Medizin aber sei der menschliche Körper: an diesem Vernunft- und Erfahrungswidriges auszuprobieren sei nicht ohne Gefahr. Ein Fehlgriff könne zum Tod des ganzen Lebewesens führen. Deshalb müsse man sich in der Medizin einen Führer wählen, der nicht kreuz und quer durch Gebüsch und Einöde leite, sondern direkt durch auf einer Abkürzung (compendium, was danach auch ein Handbuch bezeichnet) zum Ziele führe. Da viele tüchtige Männer Galen als solchen anerkennten, brauche er sich hierüber nicht weiter zu verbreiten. Dass ein Anfänger der Medizin nirgends besser seinen Studienstoff, ein ausgewachsener Arzt nirgends besser seine Behandlungshilfen finde, bewiesen zahlreiche medizinische Autoren: indem sie engstens seinen Spuren folgten, nicht von seinen Vorschriften abwichen, sogar seine Worte, höchstens leicht abgewandelt, zu gebrauchen der Mühe wert fänden. Kurz: wie Galen bisher, nach Hippokrates, nicht nur in der Medizin, sondern auch in andern Fächern, gegenüber den früheren Ärzten um viele Meilen im Vorsprung sei, so glaube er kaum, dass die Zukunft einen hervorbringen werde, der ihm ebenbürtig wäre. Was die Zuverlässigkeit der Übersetzer betreffe, da sei Galen zu beglückwünschen. Sie seien dementsprechend auch bei den Gelehrten anerkannt. So finde der Leser im ganzen Band kaum Grund zur Klage, es sei denn über Fehler, die beim Druck entstanden seien, und wenn er wegen Kleinigkeiten grosse Tragödien aufführen wolle. Er habe wohl seine Pflicht damit getan, dass er zweifelhafte Stellen ausgemerzt habe. Ihm widme er den Galen wegen der Grösse seines Herrschaftsgebiets, damit er der Belastung durch dessen Regierung nicht erliege; irgendwann zwischen seinen Verpflichtungen werde er auch zur Lektüre Galens Zeit finden. Ausserdem würden sein Werk und er unter seinem Patronat nicht wenig an Achtung gewinnen. Seine geradezu königliche Grosszügigkeit gegenüber den Gelehrten in der Förderung der Wissenschaften und der Kultur lasse Heerscharen von Gelehrten ihn verehren. - Diesem Galendruck sind, nach Plan des Druckers und Verlegers, bei Cratander noch eine Reihe Schriften dieses Arztes in älteren, vorwiegend aber neuen Übersetzungen gefolgt, zuletzt, in Gemeinschaft mit andern Basler Druckern, 1538 die grosse griechische Galenausgabe (GG 337).

Exemplar spät (wohl 19. Jahrhundert) im Besitz eines Julius Wernicke: l r 491

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: lr 491

Illustrationen

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Titelseite mit Besitzervermerk (rechts von der Druckermarke) : Julius Wernicke

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Vorrede des Herausgebers und Basler Arztes Andreas Leennius, der die Ausgabe am 27. Februar 1529 dem Förderer des Humanismus Kardinal-Erzbischof von Mainz und Magdeburg, Kurfürst Markgraf Albrecht von Brandenburg gewidmet hat.

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Vorrede, 2. Seite

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