GG 331

Claudii Galeni Pergameni De anatomicis administrationibus libri novem. De constitutione artis medicae liber. De Theriaca, ad Pisonem commentariolus. De pulsibus, ad medicinae candidatos liber. Per Ioan. Guinterium Andernacum latinitate iam recens donati. Basel: Andreas Cratander 1531. Fol.

Hatte Cratander im März 1530 Schriften Galens (GG 329) noch vor der vom Übersetzer Johannes Guinterius vorgesehenen Erstausgabe gedruckt, so erscheint 1531, ohne Monatsangabe, wohl im August/September auf die Frankfurter Herbstmesse hin, ein Sammelnachdruck von vier 1531 bei Simon de Colines in Paris erschienenen Einzelübersetzungen des Guinterius von Schriften Galens. Dabei hat Cratander die umfangreichste der vier Schriften, die anatomische, die zudem in Paris als einzige mit einer datierten Widmung (vom 15. Februar 1531) und dazu als der höchststehenden Person, nämlich König Franz I., gewidmet erschienen war, an den Anfang gestellt, die übrigen Widmungen zwar ebenso abgedruckt (u.a. an Chelius), die erste aber zugleich als eine Art Gesamtwidmung plaziert. Der Textbeginn dieser ersten Schrift wird zudem durch eine Texteinfassung herausgehoben. In seiner Widmung kommt Guinterius u.a. auf seine Übersetzertätigkeit an medizinischen Werken zu sprechen: Als er ihm im vergangenen Jahr die lateinische Übersetzung einer Schrift Galens gewidmet habe (im Frühjahr 1530 die eben schon im März des Jahres auch bei Cratander erschienene Schrift über die Arzneimittel [GG 329]), habe er, der König, ihn in seiner Humanität angeregt, auch dessen übrige Kommentare zu übersetzen. Er habe nun zum allgemeinen Nutzen der Studiosi die neun Bücher über Anatomie, ein Werk von besonderem Gewicht und Nutzen, übersetzt (Guinterius nennt hier die Schrift, abweichend vom Titel dann des Pariser - und Basler - Drucks, weniger anatomisch als chirurgisch "de consectionibus administrandis"). Was sei schwieriger, als dunkle und schwerverständliche Dinge klar wiederzugeben, was würdiger, als die Harmonie und den Bau seines Körpers, sich selber kennenzulernen? Einst sei die Anatomie in solchen Ehren gestanden, dass nicht nur Philosophen und Ärzte, sondern Patrizier sich mit ihr beschäftigt hätten. Zeugen seien der römische Konsul Boethius (der bekannte Philosoph und Pädagoge), der Präfekt Paulus Sergius und andere Heerführer und Gelehrte. Hippokrates und Plato wiesen der Anatomie in der Medizin gleich die drei ersten Plätze an. Was bringe dem Arzt mehr als sie? Beim Herausoperieren eines Geschosses müsse man den Verlauf der wichtigen Nerven, Muskeln, Arterien und Venen kennen, beim Schröpfen keine Arterie verletzen. Auch für Prognosen sei ihre Kenntnis wichtig. Unkenntnis bringe oft Ängstlichkeit in harmlosen Dingen, falsche Sicherheit in Gefahr mit sich. Ein Arzt könne ohne genaue Kenntnis aller Teile des Körpers nichts Hervorragendes in seiner Kunst leisten. Die Anatomie sei gewissermassen der Grundstein der Medizin. Dies hätten die Ärztesippen des Altertums gewusst, die die Knaben nicht nur in Wort und Schrift, sondern ebenso in der Leichensektion unterrichtet hätten. Aber in diesem Jahrhundert kenne ein grosser Teil der Professoren der Medizin nicht einmal die Lage der wichtigsten Eingeweide, so heruntergekommen sei die Kunst der Asklepiaden. Doch dies sei nicht die Schuld der Ärzte allein, sondern des ganzen Zeitalters. Daher müsse man Gott danken, dass er unter den andern Künsten die Medizin durch die täglich erscheinenden Publikationen weiterer hervorragender Autoren wieder ans Licht bringe. Bisher habe die anatomische Schrift Galens gefehlt. Zu beklagen sei, dass sie nur unvollständig erhalten sei (denn sie habe einst 15 Bücher umfasst). Er habe zwar gehört, dass sie sich bei gewissen Leuten vollständig finde, doch so, dass sie keinen Nutzen bringe. Denn es gebe Leute, die das Wissen für sich behielten, mit niemand teilen wollten. Diese fresse die Motte des Neides, an ihnen nage der Rost der Missgunst, sie verzehrten sich durch die Fortschritte und Erfolge der andern. Sie verdienten jede Strafe (hier scheint sich Guinterius zu Unrecht über wissenschaftlichen Egoismus beklagt zu haben: griechisch sind nur diese 9 Bücher erhalten, die Bücher 10-15 nur arabisch; diese sind erst zu Beginn unseres Jahrhunderts im Druck erschienen). Er habe also die neun Bücher übersetzt, die im Druck (vulgato codice) enthalten seien, in der Hoffnung, sie möglichst vielen bekannt zu machen. Ihm, dem König, widme er sie, da er die Arbeit veranlasst habe, zumal mit einem herrlichen Geschenk (nach seiner Doktorpromotion in Paris 1530 hat Franz I. ihn zu einem seiner Leibärzte gemacht). Nach einer Abrechnung mit Neidern kommt Guinterius dann noch konkret auf Schwierigkeiten bei seiner Übersetzung dieses Werkes zu sprechen: dass es keine gut lateinischen Autoren zur Anatomie gebe, denen er hätte nacheifern können; dass gerade in der Anatomie die Griechen viel reicher als die Lateiner seien, zumal in der freien Wortbildung; schliesslich die Fehlerhaftigkeit des - griechischen - Drucks des Asulanus, dessen Verbesserung eine Riesenarbeit erfordern würde. Geholfen habe ihm hingegen an einigen Stellen eine alte Übersetzung, die ihm kürzlich ein Freund gebracht habe, die die Bologneser Drucker, wie er meine, der besseren Verkäuflichkeit zuliebe, einem berühmten Mann nach dessen Tod zugeschrieben hätten (ein wegen Obsoletheit der Übersetzung verschollener Druck? Wir konnten weder von dieser Schrift noch von sonst einer Galens einen Bologneser Druck bis 1531 eruieren, weder lateinisch noch auch griechisch). Doch wer dieser Übersetzer auch gewesen sei, ausser den Buchanfängen habe er alles so dunkel übersetzt, dass es von niemand verstanden werden könne. Er habe, der Sprache zuwider, das Griechische mit gleichvielen lateinischen Wörtern wiedergeben wollen, und das ohne medizinische Kenntnisse, wie es jener Cocles (konnte nicht eruiert werden; kaum der Chiromant und Physiognomiker Bartolommeo Cocles, 1467-1504) bei Dioskurides, Nicolaus Calaber (Niccolò da Deoprepio, um 1280-1350, medizinischer Übersetzer und Leibarzt der Könige Karl II. und Robert von Neapel, 1331 als Gesandter in Konstantinopel) in gewissen Werken Galens getan habe. Er habe jedoch versucht, den Geist des Autors getreu wiederzugeben, hier wörtlich, dort sinngemäss, ohne dem Latein Gewalt anzutun, und alles schlicht und möglichst rein.

Exemplar aus Besitz des späteren Basler Arztes und, ab 1627, Gymnasiarchen Johannes Screta (Jan Ssreta Schotnovsky v. Zavorzicz, aus Böhmen), der sich 1619 in Basel immatrikuliert und 1622/23 hier in Medizin promoviert hat; erworben 1620; zahlreiche Marginalien und sonstige Einträge (u.a. auch seine Devise S. M. C. = Spes mea Christus) von seiner Hand (ebenfalls im zweiten Galendruck - Cratander und Bebel - in diesem Band): L e II 14 Nr. 1

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Le II 14:1

Illustrationen

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Titelseite, mit Besitzereintrag des Johannes Screta (Jan Ssreta Schotnovsky v. Zavorzicz)

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2alphar: Vorrede des Übersetzers Johannes Guinterius, mit Widmung vom 15. Februar 1531 an König Franz I.

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2alphar: Vorrede, 2. Seite.

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1ar: Anfang der ersten der vier Schriften Galens, die in diesem Band abgedruckt sind.

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Druckermarke von Cratander.