GG 334
Cl. Galeni Pergameni medicorum post Hippocratem principis, Opera omnium utilissima, a doctissimis viris partim nunc primum latinitate donata, partim vero ad exemplaria graeca diligentius recognita: quorum nomenclaturam versa pagina videre licet. Praeter quos sequens elenchus habet libros, iam recens accesserunt De venae sectione adversus Erasistratum & Erasitrataeos Lib.II Iosepho Tectandro Cracoviensi interprete. Basel: Andreas Cratander 1536. Fol.
Im Jahre 1536 bringt Cratander nochmals eine Sammlung von Galenübersetzungen heraus, teils Erstdrucke, teils Nachdrucke mit Kollation der griechischen Ausgabe des Aldus Manutius von 1525. Von den dreizehn von Guinterius übersetzten Schriften unserer Sammlung waren die ersten drei schon 1528 bei Simon de Colines in Paris erschienen, die Schriften 9 und 10 im Jahre 1529, die dreizehnte, letzte dieser Gruppe 1533. Doch Cratander hatte es einfacher: 1534 waren bei de Colines sämtliche hier erscheinenden Schriften, bis auf die letzte De antidotis (s. oben), dazu einige weitere, die Cratander nicht übernimmt, in einer Sammlung von Varia opera erschienen, deren Titelformulierung sogar auf die Cratanders abgefärbt hat. Die drei von Johannes Vassaeus aus Meaux übersetzten Schriften waren im Sommer 1533 bei de Colignes erschienen, die drei Übersetzungen von Hippokrateskommentaren Galens aus der Feder des Arztes und Juristen Herman Croeser aus Kampen 1534 bei de Colines bzw. 1531 bei Gerard Morrhy. Die Übersetzung des Camerarius von De theriaca war 1534 in einem Sammeldruck (Andromachus... ) in Nürnberg, die vom niederländischen Arzt Hubertus Barlandus übersetzte Schrift De paratu facilibus (remediis) war 1533 in Antwerpen erschienen (eine Übersetzung des Guinterius 1533 bei de Colines); die Übersetzung der Schrift über das Skelett aus der Feder des sizilischen Leibarztes Leos X. und Clemens VII. Ferrante Balami, war, im Auftrag des Papstes Clemens VII. angefertigt, 1535 in Rom mit Widmung an Paul III. und anatomischen Illustrationen erschienen (die Schrift ist auch bei Cratander als einzige illustriert) und noch im selben Jahr in Paris und Lyon nachgedruckt worden. 1535 und nochmals 1536 sind die beiden Übersetzungen des Struthius in Venedig erschienen. Joseph Strus (Posen 1510-1568) hat nach Studien in Krakau und Padua 1536-1545 in Padua Medizin gelehrt; danach war er wieder in Polen tätig (von wo aus er sowohl Isabella von Ungarn wie Suleiman II. behandelte), u.a. als Leibarzt König Sigismund Augusts; sein Hauptwerk, die Wiederentdeckung der Pulslehre, der sphygmica ars, erschien 1555 bei Oporin in Basel (Nachdrucke Venedig 1573, Basel 1602). Die letzten Schriften unserer Galensammlung sind möglicherweise erst hinzugekommen, nachdem die Übersicht auf der Rückseite des Titelblatts schon gedruckt war; so werden sie als dort fehlend auf der Titelseite besonders erwähnt, auch ihr Übersetzer genannt. Es sind die beiden Schriften Galens gegen Erasistratos (Mitte 3. Jh. v. Chr.) und seine Anhänger in Rom über den Aderlass, den jener eher abgelehnt hatte, nicht Galens Schrift über die Behandlung durch den Aderlass selber. Von deren Übersetzer, dem polnischen Arzt Joseph Tectander (Zimmermann, um 1500/1510-1543) stammt auch die Widmungsvorrede von Basel, 12. März [1536] an seinen Schwager, den Arzt und Freund des Erasmus Jan Antonin. Tectander war nach Studien in seiner Heimatstadt Krakau - (zwischendurch um 1531 in Padua) - dort 1532-1536 Dozent an der Artistenfakultät, zu Anfang 1536 nochmals in Padua und auf der Rückreise - wohl zu einem Besuch des Erasmus - für einige Zeit in Basel, wohin er Antonin schon 1524 als Famulus begleitet hatte (die normale Route Padua-Krakau würde keineswegs über Basel führen). Im März 1536 hat er bei Johann Bebel einige Schriften über den Morbus Gallicus (die "Franzosen") herausgegeben; später war er, wieder in Polen, u.a. als Leibarzt der Königin Bona, dann der Tochter Sigismund Augusts Isabella, der späteren Königin von Ungarn, tätig. Beim Wiederaufleben (reviviscere) der verschiedensten Studien in diesem Jahrhundert, beginnt Tectander seine Widmung, sei es nicht verwunderlich, wenn die Medizin, als stets erste unter den Freien Künsten, sich aus dem tiefsten Dunkel erhebe und sich mit göttlicher Hilfe den unseligen Sterblichen verständlich mache. Denn als in den letzten Jahren Thomas Linacre, Niccolò Leoniceno und Wilhelm Copus (der in Paris, u.a. als Leibarzt Franz I., tätige berühmte Basler Arzt Wilhelm Kopp), wohl die besten Ärzte dieser Zeit und eifrigsten Vorkämpfer des Guten, gleichsam mit vereinten Kräften nach ihrem Vermögen die alte, d.h. die hippokratische Medizin wiederherzustellen sich bemüht und sich mit all ihrem Können an die Übersetzung der Schriften des Hippokrates und Galens gemacht hätten, hätten sie zahlreiche studiosi so begeistert, dass man sich nicht nur in Italien und Frankreich, sondern auch in Deutschland und schliesslich sogar in Sarmatien - Polen - bemühe, diese herrliche Wissenschaft voranzubringen. So lasse sich auch feststellen, dass dank dem wunderbaren Fleiss der Übersetzer kaum noch Schriften Galens nicht auf lateinisch übersetzt seien und dass deren verfügbare Übersetzungen nicht weniger Anmut aufwiesen als da sie in ihrer originalen Sprache bei den Griechen hoch geschätzt gewesen seien. Als er kürzlich hierüber nachgedacht habe, sei ihm der Gedanke gekommen, dass auch er, der sich schon einige Jahre mit Medizin beschäftige, etwas bewerkstelligen könne, mit dem er bezeugen könne, dass auch er etwas zur Förderung dieser Kunst geleistet habe. Zur Erfüllung dieses Wunsches habe ihn auch die Erinnerung an Diogenes von Sinope erinnert, der, als er das Volk ungewöhnlich öffentlich geschäftig gesehen habe, begonnen habe, sein Fass zu bewegen, um nicht als untätig und faul vom Volk beschimpft werden zu können. Mit dieser Überlegung habe er, als er beschlossen gehabt habe, diesen Winter in Basel zu verbringen, die Gelegenheit geboten gesehen, sein Können zu bewähren; und als er bei seinem Gastgeber Johannes Bebel alle erhaltenen Werke Galens griechisch zur Verfügung gehabt habe (dieser habe sie nicht lange zuvor - im Sommer 1531 - auf seine, Cratanders und Johannes Herwagens Kosten sorgfältig verbessert aus England hergebracht gehabt und sei dabei gewesen, sie im Vertrauen auf deren Gemeinschaft für den Druck - die grosse griechische Ausgabe ist dann 1538 erschienen [GG 337] - vorzubereiten), da habe er ganz besonders daran gedacht, etwas hiervon zu übersetzen. Doch nachdem er u.a. die Schrift über die Behandlung durch den Aderlass recht sorgfältig durchgearbeitet gehabt habe, habe er festgestellt, dass man sie kaum richtig verstehen könne, wenn man nicht vorher Galens Schriften gegen Erasistratos und seine Schule gelesen habe, in denen er die Lehre vom Aderlass für sich beanspruche. Jene Schrift sei für sich allein unverständlich, voller kurzer Andeutungen von zuvor anderswo Behandeltem, so dass man dieses vorher gelesen haben müsse. Denn das in den Schriften gegen Erasistratos und seine Anhänger Niedergelegte trage nicht nur der Reihenfolge wegen zum Verständnis der therapeutischen Schrift bei, sondern jene erklärten auch breit gleichsam die Grundlagen des ganzen Stoffes. Daher sei es nicht erstaunlich, dass in der heutigen Zeit solche Streitigkeiten über den Aderlass auch unter den gelehrtesten Männern ausgebrochen seien, da sie die Grundlagen der Thematik, die Galen hierin geschickt behandelt habe, nicht gesehen hätten. Und ohne jeden Zweifel komme jeder von ihnen, während er zur Stützung seiner Lehrmeinungen unsicheren Vermutungen folge, vom wahren Ziel Galens ab. Worauf Tectander sich mit den verschiedenen falschen Lehren auseinandersetzt, weshalb er nichts Willkommeneres den studiosi habe bieten können als diese lateinischen Übersetzungen, da er gesehen habe, dass diese Schriften noch von niemand übersetzt worden seien und daher die des Griechischen nicht Kundigen die Schrift über den Aderlass nicht richtig verstanden hätten. Ausserdem habe er gemeint, durch seine Veröffentlichungen diesen Streit und beliebige andere ehrbare Streitfragen aus dem Weg zu räumen. Er habe gewusst, dass die Arbeit seine Fähigkeiten übersteige, doch nach seinem Vermögen denjenigen studiosi nützen wollen, die noch nicht griechisch oder wegen ihrer geringen Mittel die griechischen Galenbände, in denen auch die hier edierten zwei Bücher enthalten seien, nicht kaufen könnten. An manchen Stellen werde ein kluger Leser die Eleganz der Übersetzung Linacre's vermissen, die dieser bei aller Sinnestreue zu erreichen gesucht habe, den hohen Stil Wilhelm Kopps, die Ausdrucksschärfe Leonicenos, den reichen Wortschatz Andernachs (d.h. des Guinterius Andernacus - von Andernach). Ihm gestehe er gerne, dass er nicht die Kenntnisse und das Wissen besitze, dass er solchen Männern an die Seite gestellt zu werden wünschte. Er habe sinngetreu übersetzen wollen, was das Ziel jedes Übersetzers sein müsse, und nicht auf rhetorischen Schmuck geachtet, um den Inhalt den studiosi klar verständlich zu machen, zumal in der griechischen Vorlage einige mit Sternchen gekennzeichnete Stellen bis zur Unverständlichkeit verderbt und verstümmelt gewesen seien. Sinn und Abfolge der Gedanken habe er getreu bewahrt. Ihm widme er den Druck vor allem, da er ihm nicht nur all seine Bildung verdanke, sondern er wie ein Vater zu ihm gewesen sei. Zudem habe er sich umso freudiger dazu entschlossen, als er gemerkt habe, dass er, durch diese namentliche Widmung getrieben, umso schneller seine schon vor vielen Jahren begonnene Arbeit zum grossen Nutzen aller Interessierten publizieren werde. Wenn sich jemand wundere, dass er diesen Brief einem so grossartigen Band habe voranstellen lassen, so solle dieser wissen, dass er mit der selben Dienstleistung, mit der er ihm seine Arbeit widmen wolle, den (ganzen) vorliegenden Band, in dem nicht ohne Überlegung die besten Schriften Galens in den Übersetzungen der gewichtigsten Fachleute vereint seien, unter seinem Namen zu publizieren beschlossen habe. Deshalb seien auch seine Übersetzungen auf Anordnung des Druckers Andreas Cratander, eines besonderen Förderers der Studien, am Schluss des Bandes angefügt. Denn dieser habe, in seiner Neigung für die Wissenschaften, schon früher den Hauptteil der Schriften Galens in der Absicht drucken lassen, alles von diesem Autor lateinisch der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Hier erschienen die Schriften fehlerloser als je zuvor. - Welches Werk Antonins Tectander oben gemeint hat, und ob das gemeinte erschienen ist, haben wir leider nicht eruieren können, ebenso nicht, aus welchem Grund Tectander/Cratander gerade die therapeutische Schrift Galens - das curativum opus - dem Band nicht beigegeben hat, obwohl doch sie die Übersetzung der beiden apologetischen Schriften zum Aderlass veranlasst hat; aus den Gründen, die Tectander gegen sie als primäre Lektüre zum Thema angeführt hat? Sie ist dann 1537 in einer Übersetzung des Dirk Gerard von Gouda in Venedig erschienen, nochmals 1539 in Paris, 1546 und 1550 in Lyon in einer Übersetzung von Leonhard Fuchs, im 16. und 17. Jahrhundert noch in weiteren Übersetzungen. Die Illustrationen zu De ossibus auf S. 491-493, eine Untersicht des menschlichen Schädels und je eine Ansicht des menschlichen Skeletts von vorn und von hinten, die dann auch in Tl. 5 der griechischen Gesamtausgabe von 1538 (GG 337) zur selben Schrift wieder erscheinen, dürften stark vergrösserte Nachbildungen derjenigen des Römer Erstdrucks Antonio Blados oder des Lyoner Nachdrucks sein, die beide, der kurzen Schrift angemessen, in Oktavformat (und illustriert) erschienen sind; nicht illustriert ist der in Basel vorhandene Pariser Nachdruck in Quart (illustriert ist auch wieder der Lyoner Duodezdruck von 1551).
Das Basler Exemplar l r 18 ist erst 1937 erworben worden. Vorbesitzereinträge finden sich aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, doch sind nur die Vornamen sicher entzifferbar.
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: lr 18