GG 336
Opus medicum practicum, varium, vere aureum, et postremae lectionis. Claudii Galeni Pergameni, medici longe omnium clarissimi De compositione pharmacorum localium, sive secundum locos, Libri decem, recens fideliter & pure conversi a Iano Cornario medico physico. Iani Cornarii medici physici Commentariorum medicorum in eosdem Galeni libros conscriptorum Libri decem. In quibus omnes corrupti illorum librorum loci restituuntur, & omnes difficiles exponuntur, ampliusque aliquot milia rerum ac locorum in graecis ac latinis medicis obiter explicantur, emendantur, ac restituuntur. Basel: Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius August 1537. Fol.
1530 war die erste lateinische Übersetzung eines Teils einer der umfangreichsten Schriften Galens, derjenigen über die Zusammensetzung der Heilmittel, in Paris erschienen: deren erste sieben Bücher in der Übersetzung des Professors der Medizin an der Pariser Universität Johannes Guinterius von Andernach mit Widmung vom 10. März 1529 an König Franz I., bei Simon de Colines. Beim selben Drucker erschien dann, mit Widmung vom 21. April 1535 an Erzbischof Johann von Meitzenhausen von Trier, 1535 das vollständige Werk in zehn Büchern aus der Feder des Guinterius. Im August 1537, während Cratander, Bebel, Herwagen und Isingrin mit ihren philologischen und medizinischen Herausgebern Gemusaeus, Fuchs und Camerarius schon einige Monate an ihrer grossen griechischen Galenausgabe vom März 1538 (GG 337) arbeiten, erscheint das selbe Werk in einer neuen Übersetzung des Janus Cornarius in Basel, vermehrt um einen ausführlichen und umfangreichen Kommentar des Cornarius, mit Widmung der Übersetzung von 367 Folioseiten an Kardinal Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz und Magdeburg - also ebenfalls einen Kurfürsten des Reiches - von Nordhausen, den 1. März 1537, und selbständiger Widmung des Kommentars (S. 374-549) an Landgraf Philipp von Hessen von Nordhausen schon vom 10. März 1535 - also vor Erscheinen der vollständigen Übersetzung des Guinterius. Die Verbindung zu dem humanistischen Kardinal hat offenbar dessen Leibarzt Philipp Puchaimer hergestellt, der auch mit Johannes Sichard und Rhenanus Kontakte pflegte, den er 1531 bei Anton und Raimund Fugger in Augsburg eingeführt hat. Obwohl Seiner Hoheit unbekannt, beginnt Cornarius die Widmung, geringen Wissens und niederen Standes, habe er diese Widmung beschlossen, da die höchsten Fürsten es seit jeher als Ehre ansähen, von den Professoren der Wissenschaften Werke gewidmet zu bekommen. Denn ohne Studien der Wissenschaften würden weder die Staaten noch die Kirche unversehrt weiterbestehen. Daher würden sie sie sogar beschützen. Und das verdiene besonders dieses Werk Galens, der unter den Antoninen höchste Ehren genossen habe, das hier endlich zum erstenmal lateinisch erscheine (hierzu s. oben; war Cornarius die Pariser Übersetzung des Guinterius von 1535 am 1. März 1537 noch nicht bekannt, auch in Nordhausen nicht, denn auf Bekanntheit in Basel deutet, dass im Titel nichts von "nunc primum" oder ähnlich steht, sondern nur "recens fideliter & pure conversi"? Wir vermuten eher, dass auch diese Widmung schon 1535 niedergeschrieben und dann für den Druck nachdatiert worden ist). Es dem Primas unter den Fürsten Deutschlands widmen zu dürfen, sei allerdings vor allem für ihn eine Ehre; sein Wagnis verdanke er Albrechts Leibarzt Philipp Pucheymer. Es handle sich aber auch nicht um ein nichtsnutzes Werk, wie sie heute mit grossartigen Vorreden höchsten Fürsten gewidmet würden. Der Grund, dieses letzte Werk des grossen Galen zu übersetzen, sei für ihn gewesen, die jungen Medizinstudenten von den barbarischen und nichtsnutzigen Arabern und italienischen praktischen Ärzten zu befreien, von modrigen Bächlein zur reinen Quelle zu führen. Wer diese Quelle der Heilmittel-Herstellung kenne, kehre nicht mehr zu jenen Bächlein zurück. Alle späteren griechischen und die arabischen und dann die italienischen und französischen Praktiker (kein Wort von Paracelsus!) hätten ihr Wissen aus Galen, stets verschlechtert, zuletzt zu stinkendem Mist verkommen; Galen habe alles seinen besten Vorgängern entnommen; aus Herakleides von Tarent, Archigenes, Apollonios, Hera, Andromathos, Asklepiades, so wie diese aus ihren Vorgängern Antonius Musa, Mantias, Asklepiades von Bithynien (seit 91 v. Chr. in Rom tätig; auch von den Hippokrateskommentaren dieses Begründers der sog. methodischen Ärzteschule und seinen übrigen Schriften sind nur noch die Titel bekannt). So gewännen die studiosi aus der Lehre dieser Bücher die Kraft, alle zusammengesetzten Heilmittel zu beurteilen, die alten wie die der zeitgenössischen Salbenhändler, und die Fähigkeit, gemäss dieser Lehre selber solche herzustellen. Dies ins Lateinische zu übersetzen habe ihm allerdings mehr Arbeit gebracht als Galen die griechische Niederschrift. Erstens habe dieser nicht auf die Anordnung achten müssen, da er die Lehren seiner Vorgänger übernommen habe, oft sogar wörtlich. Diese Anordnung habe er in der Übersetzung bewahrt, doch habe er die Passagen der von ihm zitierten Autoren, die durch den Bedeutungswandel von Wörtern schwerverständlich geworden seien, nicht nur prüfen, sondern dazu noch in eine andere Sprache übersetzen müssen. Die Unterschiedlichkeit der Formulierungen habe ihm das erschwert, besonders bei Stellen aus Archigenes und Herakleides, und von all diesen unterscheide sich wiederum Galen selber. Zudem sei der venezianische Druck seine einzige Übersetzungsvorlage, so verderbt, dass es sich gelohnt habe, seine Übersetzung in Kommentaren zu erklären (ausser in der Gesamtausgabe von 1525 war die Schrift griechisch gedruckt noch nicht greifbar): um seine Werktreue zu belegen und um das Werk selber wiederherzustellen. Und um das wirklich zu erreichen, habe er nicht nach der Art einiger jetziger Übersetzer das Werk innert einer Frist zu vollenden gehabt, sondern es immer wieder vornehmen, beiseitelegen, die Einzelheiten so gut wie möglich prüfen können, damit es nicht bruchstückhaft, sondern vollständig veröffentlicht werde. Er gehe keineswegs mit denen einig, die für ein schäbiges Trinkgeld den Buchhändlern (wohl bewusst spricht er hier nicht von Buchdruckern, sondern Krämern) zu Gefallen in den Vorreden sogar gestünden, sich ihrer Werke nicht anders zu entledigen als der sprichwörtliche Schuster, der mit den Schuhen zum Markt renne, oder, wie kürzlich einer in seiner Vorrede, wie der Hund, der im Rennen blinde Junge gebäre, was bald darauf ein anderer aus dem selben Ei als bestens passend übernommen habe. Doch es wundere nicht, dass man solche Übersetzungen und eigene Schriften unter seinem Namen dem Leser vorzuwerfen wage, da es Leute gebe, die dies mit grossem Aufwand druckten, und solche, die diese Drucke teuer kauften. Da seien die Basler Drucker Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius viel klüger, die die Tugenden ihres Vaters bzw. Schwiegervaters befolgten und solche Bücher nicht einmal gratis zum Druck annähmen, geschweige denn dass sie bestes Papier für den Druck solcher Werke vergeudeten und sie den studiosi zum Kauf anböten, nach der Devise, die Johannes Froben in einigen Büchern vorn abgedruckt habe, dass billig kaufe, wer ein gutes Buch teuer kaufe, teuer, wer ein schlechtes Buch billig kaufe. Deren erster Teil stimme für diese seine Arbeit. Wenn er, was menschlich sei, Fehler begangen habe, zweifle er nicht, sie selber in einer späteren Auflage auszumerzen.
Den mit vollständigem eigenem Titelblatt auf S. 374-549 folgenden Kommentar hat Cornarius schon am 10. März 1535, ebenfalls aus Nordhausen, dem Landgrafen Philipp von Hessen gewidmet, der 1527 für sein Land die Universität Marburg, die erste protestantische Universität, gegründet hatte. Schon zu Beginn seiner Übersetzungstätigkeit an den zehn Büchern Galens über die Zusammensetzung der Heilmittel habe er deren Bedeutung erkannt, beginnt er die Widmung, aber auch, als eines Werkes letzter Hand, ihre Schwierigkeiten. Bei der Arbeit hätten sich diese als noch grösser herausgestellt und er habe einen Nutzen seiner Arbeit nur dann gesehen, wenn er die schwierigen Stellen erkläre, fehlerhafte verbessere und wiederherstelle und dies jeweils mit Gründen belege. Da habe er eine Weile gezögert, angesichts der doppelten Schwierigkeit der Übersetzung nach vorliegender Übersetzung und griechischem Original, ja zehnfacher durch die Zahl der teils im Laufe der Zeit, teils durch die Schuld der Drucker bzw. die Nachlässigkeit der Korrektoren (praefecti correctioni) unverständlich gewordenen Stellen (loci obscuri). Das Werk sei nicht weniger verderbt überliefert als die andern Werke Galens. Dies vollständig zu leisten hätte er bessere Vorlagen zur Kollation benötigt, statt ohne solche gezwungen zu sein, mit reinen Vermutungen (divinatio) zu arbeiten. Er habe dies möglichst wenig getan und mehr Vertrauen in die Schriften anderer griechischer und lateinischer Ärzte gesetzt und nach deren Kollation verbessert. Dessen Schwierigkeit könne nur ermessen, wer solches selber schon versucht habe, doch Fehler in diesem Werk würden, wolle man es praktisch verwenden, besonders schwer wiegen. Und so wie er sich vorgenommen habe, dies in Zukunft für seine Patienten zu tun, wünsche er auch, alle studiosi der alten und echten griechischen Heilkunst zu überzeugen, das selbe zu tun: die unnützen und lästig zu lesenden Schriften der arabischen und barbarischen Ärzte voller Fehler wegzulegen und mit Hilfe der genauestens beschriebenen Arzneimittel der griechischen Ärzte einen sicheren Heilerfolg durch eigene Erfahrung (experimento ipso) festzustellen sich zu bemühen, indem sie in der Menge der von Galen aus den älteren Ärzten gesammelten Mittel gewiss eines fänden, mit grösserem Erfolg als im Haufen der gegenwärtigen Salbenmischer. Schon vierzehn Jahre habe er den grössten Teil Europas durchstreift, Medizin gelehrt, in vielen berühmten Städten geheilt, zahlreiche Mittel aus den heute berühmtesten Offizinen erfolglos erprobt (und, was er hier nicht sagt: nach griechischen Handschriften gesucht), weshalb er nichts Nützlicheres tun zu können meine, als den studiosi der Medizin diese Bücher Galens unverfälscht griechisch und lateinisch zur Verfügung zu stellen (hatte Cornarius den Basler Druckern 1535 eine zweisprachige Ausgabe empfohlen oder meint er damit nur die Korrekturvorschläge für den griechischen Text in seinem Kommentar?). Er hoffe, dass die gebildeten Ärzte dies anerkennten, auch wenn, was menschlich sei, nicht alles zur Zufriedenheit gelöst sei. Denn es gebe keinen schlechteren Besitz als ein schlechtes und fehlerhaftes Buch, aus dem Geist und Körper Schaden nehmen könnten. Er hoffe, dass dieses unter seinem berühmten Namen die studiosi einlade. Besonders aber sei die Wahl der traditionellen Widmung auf ihn gefallen, da er in einer Zeit, da die übrigen Akademien Deutschlands darbten und verkämen (die Basler Universität war zum Beispiel nach einer eigentlichen Schliessung wegen Studentenmangels im Jahre 1529 gerade erst 1532 mit Mühe wieder eröffnet worden), in seinem Land eine neue Akademie gegründet und mit grossem Aufwand bedeutende Gelehrte berufen habe (Marburg 1527). Die studiosi aber sollten erkennen, dass dieser Kommentar nichts gemein habe mit den medizinischen Wörterbüchern gewisser Zeitgenossen (ein ganz umfassendes Werk dieser Art erschien dann in Basel 1551, aus der Feder des Joachim Camerarius [GG 87]), medizinischen Pandekten, medizinischen Thesauri, Scholien und Briefen und andern derartigen Flickwerken, die unter schön klingenden Titeln erschienen. Diesen gestatte er, überallher Weisses und Schwarzes ohne jede Ordnung und Methode, Gelesenes und Gehörtes, Verstandenes und Unverstandenes auf einen Haufen zu sammeln, sich und ihresgleichen hochzuloben und Verdientere herunterzumachen. Auch dass sie seine Schriften plünderten, aus Teilen seiner Vorreden eigene zusammenstoppelten, ein neues Werk daraus schneiderten ohne ihn je zu nennen: wenn nur die studiosi der echten alten Medizin wüssten, dass solche Onomastika leere Blasen, solche Nomenklaturen grösstenteils falsch, solche Pandekten, Scholien und Briefe Geschwätz seien, Thesauri Kohlen oder gar nur deren Asche, sein Kommentar jedoch nur auf den Zeugnissen und dem Ansehen der alten anerkannten Autoren (veterum approbatorum autorum testimonijs & autoritate) und eigenen gesicherten Überlegungen (firmissimis rationibus, aut omnino probabilibus persuasionibus) aufbaue. - Im Ton sind wir hier dem noch unsteteren Einsiedler Zeitgenossen des Cornarius Theophrastus Bombastus Paracelsus gar nicht so fern, nur weist Cornarius immer zuerst, vor der eigenen Erfahrung und Überlegung, auf die klassischen reinen Quellen der Griechen hin.
Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis: L i I 2 Nr. 1 (zusammengebunden mit einer Gesamtausgabe der Schriften des zeitgenössischen Arztes Marco Gatenaria und Werken anderer italienischer Ärzte der Zeit, Basel 1537).