GG 343
Cl. Galeni Pergameni nobilissimi medici libri aliquot Graeci partim hactenus non visi, partim a mendis quibus scatebant innumeris ad vetustissimos codices repurgati & integritati suae restituti, Annotationibusque illustrati per Ioannem Caium Britannum, Medicum... Basel: Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius August 1544. 8°.
1538 war die zweite, gegenüber der Aldina von 1525 stark verbesserte und vermehrte griechische Gesamtausgabe der Schriften Galens in Basel erschienen (GG 337). Hier erscheinen nochmals neue bzw. nach Handschriften verbesserte Texte des grossen medizinischen Kompilators und Kommentators, herausgegeben vom englischen Arzt John Caius (Kaye, 1510-1573). 1529 hatte er in Cambridge u.a. unter John Cheke zu studieren begonnen, 1539 las er über Aristoteles in Padua und studierte Anatomie und Medizin unter dem berühmten Anatomen Andreas Vesal und Giovanni Battista Montano. Seinem Doktorat von 1541 folgten Reisen - wohl hauptsächlich der Suche nach griechischen Hippokrates- und Galenhandschriften dienend - durch Italien, Frankreich und Deutschland, von denen er autobiographisch, u.a. über Kontakte mit Melanchthon, Joachim Camerarius und Sebastian Münster - also aus Wittenberg, Tübingen und Basel - berichtet hat. Für das Griechische wandte er sich hierbei wieder von der erasmisch-cheke'schen altgriechischen Aussprache ab, da sie auf dem Kontinent weniger gebraucht werde, wie er in seiner Schrift De pronuntiatione Graecae et Latinae linguae ausgeführt hat (London 1574). In Basel, wohin ihn vermutlich auch der Druck des Hauptwerks seines Paduaner Lehrers Vesal im Frühjahr 1543 gezogen hat, sind bei Froben und Episcopius seine ersten Werke erschienen: 1544 bei Froben und Episcopius seine De medendi methodus libri duo, ex Cl. Galeni Pergameni. & Io. Baptistae Montani... sententia und unsere Ausgabe, und auch nach seiner Rückkehr nach England, wohin ihn Heinrich VIII. 1544 zu Vorlesungen über Anatomie in London berief und wo er bald nach 1550 Leibarzt Edwards VI. wurde, erschien als drittes seine griechische Ausgabe von Galens De sanitate tuenda 1549 nochmals bei den selben Druckern. Heinrich VIII. hat er auch, von Basel aus, am l. August 1544 seine erste Galenausgabe gewidmet. In der Widmung geht er ausführlich auf sprachliche Fragen und auf seine Quellen ein: Für die beste Art des Studiums habe er immer gehalten, im betreffenden Fach aus den besten Autoren sich den Lernstoff zu suchen, und das in der Originalsprache. Dies trage viel zur Klarheit (evidentia) bei und zudem habe jede Sprache etwas ihr Eigentümliches (idiōma kai arrēton ti), das in einer Übersetzung nicht die selbe Kraft des Ausdrucks (emphasin) und Anmut (gratiam) bewahre. Ganz zu schweigen von den menschlichen Unzulänglichkeiten jedes Übersetzers. Daher habe er von Anfang an seine Studien so eingerichtet, dass er lateinische Texte lateinisch, griechische griechisch lese. Daher habe er, als er sich der Medizin zugewandt habe, beabsichtigt, sich mit Galen, dem zweiten medizinischen Autor im Rang nach Hippokrates, in seiner Sprache vertraut zu machen. Doch da dessen Werke so gar verderbt und verstümmelt seien und bisher kaum jemand etwas zu ihrer Verbesserung getan habe, habe er nicht so ertragreich gelesen wie erhofft. Er sei sich wie in einer seit Jahrhunderten verlassenen Gegend vorgekommen. Am schlimmsten seien die neun erhaltenen der 15 Bücher über Anatomie dran gewesen. Die habe er, um sie für seine Studien besser gebrauchen zu können, anhand einiger alter Handschriften verbessert (bis dahin in den Gesamtausgaben erschienen). Das Urteil darüber überlasse er dem Leser; immerhin hätten die Doktoren sie günstig aufgenommen. Und schon habe man von einer Edition gesprochen. Freunde und massgebende Leute hätten ihn dazu ermuntert, besonders der gelehrte Edmundus Harvellus (Harvey?), Gesandter Seiner Hoheit in Venedig, sein ehemaliger Präzeptor Matteo Corti aus Pavia (Professor der Medizin in Bologna) und die berühmten Paduaner Ärzte Vettore Trincavello aus Venedig (Venedig 1491-1563, Philosoph und Arzt, Arzt in Venedig, Professor der Medizin in Padua), Francesco Frizimelica und Giunio Paolo Crasso (Arzt in Padua, übersetzte griechische Medizin, Galen, Hippokrates und Theophilus Protospatharius: dessen De hominis fabrica erschien in Venedig 1536). Diesen habe er eine so ehrenvolle Sache nicht abschlagen können. Ja er sei mit Freude daran gegangen, denn was diese Gelehrten für gut befunden, müsse auch den Studenten willkommen sein, ja allen Gelehrten nützlich: Ärzten und Chirurgen, wie er es im 2. Buch seiner Methodus medendi beschrieben habe, Philosophen und allen andern auch zur Selbsterkenntnis dienen. Diesen Schriften habe er buchweise Anmerkungen (mit einigen kleinen Illustrationen und Textkorrekturen gegenüber der "deutschen" Basler Ausgabe von 1538 [GG 337]) beigegeben (S. 281 ff., auch schon mit Hinweis auf Vesal: 287): Erklärungen, Leserhinweise, Rechtfertigungen (auf S. 355/56 finden sich sogar noch, philologiegeschichtlich fortschrittlich ähnlich Conrad Gesner in seinem Basler "Heraclides Ponticus" (Heraklit) vom September des selben Jahres, nachträgliche Vorschläge von abweichenden Lesarten). Dazu komme Galens erstes Buch über die Lehren des Hippokrates und Platons, griechisch und von ihm schon übersetzt, seiner Zeit noch unbekannt (die Übersetzung folgt erst auf die Annotationes auf S. 337 ff.; das Manuskript des Caius aufbewahrt in der Caius College Library), Galens Buch über die Schlafsucht bei Hippokrates, bisher nirgends gedruckt noch vorhanden, obwohl der um die Altertumsforschung hochverdiente Kaiserliche Gesandte in Venedig Diego Mendoza es eifrig gesucht habe, schliesslich ebenfalls von Galen die Schrift über Ingredienzien, nun vollständig und in neuer Ordnung. Denn bisher habe man es nur aus einem flüchtigen Referat des Paulus Aegineta gekannt (bisherige Ausgaben: Venedig 1524, 1528 und Basel Cratander 1538 [GG 353]). Für die Widmung aber sei er der würdigste gewesen, was auch die beiden von ihm auf jegliche Art geförderten Universitäten (gymnasia) von Cambridge und Oxford bezeugten. Das werde auch das Buch ehren und ihm, seinem Herrn, dürfte keine Gabe willkommener sein als ein Buch.
Mit eigenem Titelblatt und eigener Paginierung (wie schon zuvor einzelne Texte), gemäss Inhaltsverzeichnis jedoch zu den vorangehenden Drucken gehörig, aber so auch einzeln käuflich, folgen eine weitere Schrift Galens, ein Fragment und ein kurzer Text des Hippokrates, griechisch. Deren Widmung an den Kämmerer Heinrichs VIII. Sir Anthony Denny (1501-1549, Förderer der Universität Cambridge und der Reformation) datiert - ebenfalls aus Basel - sogar schon vom 26. Juni 1544. Es sei ihm eine grosse Ehre, ihm unbekannterweise das Büchlein zu widmen; und so wie ihn der hochgelehrte Sekretär der Königin Walther Buckler schildere, wünsche er nichts so sehr, als ihn persönlich kennen zu lernen. Bis dahin widme er ihm den Druck mit Galen und Hippokrates, die einen Bücher bisher ungedruckt, die andern nur in verstümmelter Form (so weist er z. B. in einer Schlussnotiz zu einem in den bisherigen Ausgaben fehlenden längeren Stück aus Buch 7 der Schrift Galens über den Gebrauch der Glieder genau auf die Seiten und Zeilen hin, wo es in der Aldina bzw. in der "deutschen" (Basler) Ausgabe (GG 337) einzufügen sei (wo denn auch eine grössere Lücke angegeben war). Da aber diese fast heiligen Autoren von allen behandelt und möglichst korrekt gelesen werden sollten, die er teils neu besessen, teils verbessert habe, wolle er sie ihm widmen. Damit die Studiosi der Anatomie, sie zum Fortschritt ihrer Studien ohne einzuschlafen lesen, die wahrhaften Mediziner sie, wie sie es wollten, endlich griechisch lesen könnten (Bewegung der Muskeln, Gebrauch der Glieder). Dieses Sinnes sollten alle die Mediziner sein, die viele gute Bücher des Hippokrates und Galens besässen, diese aber fast begrüben und vor jedem fremden Blick hüteten. Man hätte dann, was man nicht habe; was man habe, verbessert. Er wünsche ihnen darum eine bessere Einstellung. Es bestehe sonst die Gefahr, dass durch ihre Schuld wertvolle Bücher zu Grunde gingen, wenn Leute ohne Bildung sie erbten, die mit Büchern nichts anzufangen wüssten und sie als Packmaterial gebrauchten. Er möge seinen Buckler grüssen und ihn Henricus Knollus, Richardus Morisanus (den baldigen - 1546 - englischen Gesandten bei der Hanse Richard Morison) und Richardus Scelleus von ihm grüssen lassen (was in der gedruckten Widmung natürlich weitere direkte Grüsse bedeutet).
Dass Caius die Schriften des Hippokrates über die hier edierten hinaus gekannt hat, zeigt sein kurzes Nachwort zum Abdruck des kleinen Hippokratischen Buches peri pharmakōn - De purgatoriis remediis: Dieses Buch habe Iunius Paulus Crassus auf lateinisch übersetzt und in fünf Kapitel eingeteilt. Das fünfte gehöre nicht hierher, sondern sei dem Buch peri hyparcheōs iatrikēs entnommen, von irgendeinem Studiosus, der möglichst vieles in einer Handschrift habe zusammenbringen wollen. Deshalb habe er es beiseite gelassen und meine, man müsse es hier ganz weglassen. Wer es haben wolle, könne es seinem Buch (dem oben zitierten) entnehmen (S.78/79). Der Drucker hat allerdings anders entschieden: er hat den gesamten Text ohne Absätze, inbegriffen das fünfte Kapitel des Crassus, wie es sich in der Ausgabe der Medici antiqui Graeci, Basel Peter Perna 1581 S.147-149, in seiner Übersetzung zeigt, abgedruckt. Es ist aber auch kein Druck dieser Übersetzung vor dieser Äusserung des Caius, sogar vor eben dem Sammeldruck von 1581 bekannt (und hier ist sie auch als nunquam antehac editus bezeichnet); so müssen wir schliessen, wie die Arbeit des Caius, wenn sie seine Paduaner Lehrer zum Druck empfohlen haben, ja schon - nach Handschriften in Italien - in Padua vorgelegen haben muss, er auch die Übersetzung seines Lehrers Crassus dort handschriftlich gekannt haben muss; zusätzlich, dass er seine Textherstellung, wie zuvor Vesal seine Fabrica, nicht in Padua hat drucken lassen, sondern sie nach Norden, nach Basel zum Druck mitgenommen hat. Wahrhaft eine" international" vorbereitete Edition, die denn auch bis ins 19. Jahrhundert aus wissenschaftlichen Gründen sehr geschätzt wurde. So treffen sich in den Basler Hippokrates- und Galendrucken von 1544 - nach den Basler Drucken der epochalen Hauptwerke des Tübinger Arztes und Botanikers Leonhard Fuchs und des niederländischen Paduaners Andreas Vesal von 1542 und 1543 Fuchs mit einer eigenen Ausgabe und Vesal in einem seiner Paduaner Schüler aus England.
Das Basler Exemplar L e V 26 Nr. 1 hat am 11. August 1579 bei der Abreise aus Basel der Basler Student Johannes Aquila aus Ballenstedt (Anhalt; immatrikuliert in Basel Januar 1579) dem 1576/77 in Basel immatrikulierten David Wirsung aus der Augsburger Gelehrtenfamilie (Dr. med. Basel 1581) geschenkt.
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Le V 26:1