GG 364
Constantini Caesaris selectarum praeceptionum, de Agricultura Libri viginti, Iano Cornario medico physico interprete... Basel: Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius 1538. 8°.
Schon ein, zumindest im Jahr vor der griechischen Editio princeps der Geoponika (GG 365) erscheint deren lateinische Übersetzung; wie der Beschreibung in den Widmungen zu entnehmen ist: nach der selben Handschrift, auch wenn man dort vermuten sollte, dass Johannes Alexander Brassicanus sie aus Wien zur Publikation an Grynaeus gesandt hat, während hier der Übersetzer, der medicus physicus - d.h. der akademisch ausgebildete Arzt - Janus Cornarius mitteilt, sie von seinem böhmischen Freund Matthaeus Aurogallus, also aus Wittenberg, wo dieser Professor für Hebräisch war, erhalten zu haben. Cornarius hat seine Übersetzung seinem Herrn, dem Grafen Wolfgang von Stalberg (Stolberg) und Wernigerode, Probst von Halberstadt gewidmet, aus Stolberg, 13. Februar 1537. Daraus müssen wir schliessen, dass die Handschrift schon spätestens 1536 nach Basel gelangt war.
Das Studium des Ackerbaus hätten, beginnt er die Widmung, als das für das Leben der Menschen Nützlichste und Notwendigste, auch wegen seiner unbeschreiblichen Ergötzung, immer Fürsten und Könige betrieben, als das Ehrenvollste die Philosophen gepriesen, der Meinung, dass ein nicht geringer Teil der von allen erstrebten menschlichen Glückseligkeit in ihm stecke, wie es der grosse Dichter wahrheitsgetreu besungen habe (Vergil, Georg. 2, 458-60). Er wolle ihm nicht alle aufführen, die den Ackerbau ausgeübt oder ihn beschrieben hätten, doch könne er nicht verschweigen, dass durch irgendwelche neue Sitten das einst höchst ruhmvolle Ackerbaustudium und noch mehr die Arbeit selber heute gering geachtet würden und kein Menschengeschlecht so verachtet sei wie dasjenige, das in Hütten wohne und das Feld bebaue. Der Glanz der Städte und die menschliche Neigung zur Bequemlichkeit, von der Arbeit weg zum Vergnügen, dürften die Gründe sein, dass man jeden andern auch noch so schäbigen Verdienst für ehrenvoller ansehe als den aus der Landwirtschaft, trotz deren wahrer Ergötzung. Die Anhänger der Freien Künste sollten nicht so blind sein, dass sie nicht gestünden, dass keine Studienart ehrenvoller, herrlicher, naturnäher sei und kein Verdienst vornehmer. Wer kenne schon die Natur, welche die Landwirtschaft in sich begreife? Viele wüssten nicht einmal die Namen der ihnen bekannten alltäglichen Dinge. Er verzeihe das den Theologen, die sich ganz der Betrachtung der göttlichen Majestät hingäben, den Juristen, die ihre umstrittenen Gegenstände oft kaum kennen würden und zu nutzen verstünden. Doch für Philosophen und Ärzte (qui philosophiae ac medicinae nomina dederunt) sei Unkenntnis der Landwirtschaft eine Schande. Es genüge nicht die Kenntnis der Wirkstoffe ohne Beschäftigung mit den Mitteln der Natur selber. Der wahre Arzt und der philosophus physicus (Cornarius selber nennt sich als universitär ausgebildeter Arzt medicus physicus) müsse seine Kenntnis der Dinge aus deren Gebrauch und Handhabung selber gewinnen. So würden heute nicht einmal mehr die Begriffe für die tägliche Nahrung - Brot, Gemüse, Getränke - richtig verwendet. Darum wolle er seine Übersetzung dieser Schrift des grossen Kaisers Konstantin (er bezeichnet ihn später näher) herausgeben und ihm widmen, an dessen Hof er schon mehr als einmal freundschaftlich aufgenommen worden sei (möglicherweise hat er auch diese Widmung in der Burg selber verfasst). Ob sie das Werk Konstantins selber sei, oder der anonyme Autor, der dies im Vorwort bezeuge, sie ihm nur gewidmet habe - er halte sich an das Zeugnis und den Kaiser für den Autor. Deshalb habe er die Handschrift, die er von seinem alten böhmischen Freund Matthaeus Aurogallus erhalten habe, da sie ohne jeden Titel herrenlos umhergeirrt und darum unbeachtet geblieben sei, ihrem wahren Herrn wiedergegeben und unter seinem Namen publiziert. Dieser Konstantin sei der vierte Kaiser von Konstantinopel mit Beinamen Pogonatos gewesen, der nach Siegen über die Sarazenen und Araber Frieden gesichert und Philosophie, Rhetorik und die übrigen Künste wiedererweckt und unter anderem diese Bücher über die Landwirtschaft aus mehreren griechischen und lateinischen Autoren zusammengestellt, schliesslich auch die Synode von Konstantinopel einberufen habe (Konstantin IV. Pogonatos, 668-685, war berühmt für seine politisch-militärischen Taten und den Kirchenfrieden, den er durch den Sieg der Orthodoxie, durch die er Einfluss auf die römische Kirche gewinnen wollte, über den Monophysitismus am 6. ökumenischen Konzil von Konstantinopel 680/81 geschaffen hat). Das Werk werde umso willkommener sein, als von den zahlreichen in ihm und von Varro und Columella genannten griechischen Autoren kein einziger erhalten sei (das Werk hat sich denn auch gut verkauft: 1540, also nach zwei Jahren und ein Jahr nach der griechischen Ausgabe, konnte schon eine zweite Auflage erscheinen, etwas vereinfacht ohne Marginalien). Er wisse zwar nicht, was die Truhen mancher Leute bärgen, oder die Bücherschränke (bibliothecae) oder besser: Büchergräber (bibliotaphia) gewisser Leute versteckt hielten, den Würmern und Motten freundlicher gesinnt als dem öffentlichen Nutzen der Wissenschaften. Ein weiterer Wert dieser Bücher sei, dass man mit ihrer Hilfe zahlreiche verderbte Stellen bei den lateinischen Autoren - Varro, Cato, Columella, Palladius, sogar Plinius - verbessern oder erklären könne. Auch umgekehrt habe er mit deren Hilfe zahlreiche korrupte Stellen der griechischen Handschriften korrigiert.
Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis: B c VII 73; ein zweites Exemplar gehört der Basler Botanischen Gesellschaft: Bot. 4791 Nr. 2.
Das Exemplar B c VIII 68 des Druckes Hieronymus Frobens und Nicolaus Episcopius' von 1540 hat zuerst dem jungen Urner Patrizier Johannes Roll gehört, der sich 1551/52 an der Basler Universität immatrikuliert hat; vermutlich 1559 hat er es Christian Soerinus aus Kraiburg (Bayern; Begründer der Basler Pfarrerfamilie Serin) geschenkt, der sich im August 1559 hier immatrikuliert hat; am 9. Oktober 1560 ist es in Besitz Huldrich Falckners (Basiliensis Helvetij; 1547-1583) gelangt, der sich 1558/59 immatrikuliert hat, 1566-1580 Professor der lateinischen Sprache und Pfarrer gewesen ist; dann im Besitz Remigius Faeschs.
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Bc VII 73 | Bc VIII 67:1 | Bc VIII 68 | Bot 4791:2