GG 400

Divi Ioannis Chrysostomi in Epistolam Divi Pauli ad Romanos Homiliae octo priores Germano Brixio Antissiodorensi, canonico Parisiensi Interprete. Nunc primum & versae & editae. Basel: Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius März 1533. 4°.

Etwas zu viel verspricht eine gutgläubige Lektüre des Titels: Wir haben es hier nicht mit dem ersten Druck der ersten acht von 32 Predigten des Chrysostomus über den Römerbrief des Paulus zu tun, da erstens dieser 1529 in Verona erschienen ist und da zweitens hier der griechische Urtext nicht mitgedruckt ist, und das gegen Willen des Übersetzers. Es handelt sich hingegen um die erste Übersetzung, und aus dem Geleitbrief des Übersetzers an den Leser und aus seinem Widmungsbrief an Erasmus von Rotterdam erfahren wir einiges über die Sorgen und Mühen eines Herausgebers und Übersetzers der damaligen Zeit - auch über unnütz aufgewandte, wie das Weglassen des griechischen Textes zeigt, und damit über sein Ausgeliefertsein an den Drucker-Verleger, besonders wohl wenn er sich nicht in dessen Nähe aufhält. Johannes Froben hatte die griechischen Texte beigegeben, sein Sohn, wohl mehr Geschäftsmann, mit dem auch Erasmus während dieser seiner Freiburger Jahre nicht immer in bestem Einvernehmen war, lässt sie hier, gegen triftige Gründe des Übersetzers, wie auch beim gleichzeitigen Druck von Chrysostomus-Übersetzungen des Erasmus (GG 401), der auch die unseren veranlasst hat, weg. 

Germanus Brixius - Germain de Brie aus Auxerre (gest. 22. Juli 1538) - hatte, nach einem Studium der Rechte, 1508 als Schüler des Janus Lascaris in Venedig Erasmus kennengelernt, danach noch bei Musurus in Padua studiert. 1526 war eine erste, 1525 entstandene, Chrysostomus-Übersetzung Bries in Paris erschienen; Ende August 1526 lud Erasmus seinen Freund ein, mit ihm weitere Schriften zugänglicher zu machen. Brie begann u.a. mit den von Erasmus nur griechisch publizierten Comparatio regis et monachi und Babylas; zuletzt folgte das hier vorliegende Werk. In seiner Vorrede an den Leser weist der Dichter, Sekretär der Königin und Almosener des Königs, als Theologe Inhaber zahlreicher Pfründen, auf die Notwendigkeit hin, dass das Studium der attischen und römischen Beredsamkeit über die christliche Philosophie zu Christus führe. Und niemand habe sich in der Gegenwart mehr um die christliche Philosophie verdient gemacht als Erasmus, sie aus Dornen in Rosen verwandelt, nachdem sie zuvor die Theologen so trocken hätten werden lassen, dass sie - auch ihn - nur abgestossen habe. Nun sei sie leicht und mit Freude zugänglich, so dass auch er sich von den musischen Studien - seinem eigenen lateinischen und griechischen Dichten - ab und ihr zugewandt habe und dessen Früchte ihm darbringe. Und nachdem Erasmus seine früher, auf seinen Rat hin, angefertigten Chrysostomus-Übersetzungen positiv beurteilt habe (s. oben), habe er, als er in der Ladenburger Bibliothek (der reichen Bibliothek des Humanisten und Bischofs von Worms Johannes von Dalberg, 1445-1503) den bis dahin - überraschenderweise - noch nie übersetzten Kommentar des Chrysostomus zum Römerbrief gefunden habe, diesen sofort kopieren und ihm zur Übersetzung und Publikation zusenden lassen. Er habe lange vor der Arbeit zurückgescheut und nach einem Jahr Arbeit es vorgezogen, zuerst die ihm von Erasmus zur Korrektur zugesandten Homilien auf Fehler und Versehen durchzusehen (sie sind gleichzeitig mit unserm Druck bei Froben erschienen). Er wundere sich nicht, dass vor ihm andere sich auch noch nach sechs Monaten nicht imstande gesehen hätten, den Römerkommentar zu bearbeiten und ihn an Erasmus zurückgesandt hätten, so korrupt sei sein Text. Doch da sei ihm ein griechischer Veroneser Druck, auf Kosten des dortigen Bischofs erschienen, zu Hilfe gekommen, obgleich auch in ihm nicht nur Wortlücken seien, sondern auch ganze Sätze, ja halbe Seiten fehlten (erschienen 1529, ein Foliodruck von insgesamt über 1600 Seiten, dessen Drucker sich für Fehler und Lücken damit entschuldigen, dass sie nur eine, und dazu eine sehr alte, angefaulte und zerfressene Handschrift als Vorlage gehabt hätten). Auch dieser Druck könne nie, so gut einer das Griechische auch beherrsche, den ganzen Chrysostomus bieten. Doch ein Vergleich beider Texte habe ihm, im Verein mit einer wachsenden Vertrautheit mit dem Stil des Autors, gestattet, die ersten acht Predigten von im ganzen deren 32 wieder einigermassen zu vervollständigen. Dies habe er zu seiner Rechtfertigung sagen müssen. Er habe darum auch dafür gesorgt, dass der Drucker ausser seiner Übersetzung auch den griechischen Text publiziere, damit man feststellen könne, dass man nicht einmal der Handschrift vertrauen dürfe, betreffend deren Ausgabe Verona ihn drei Jahre im ungewissen gelassen habe - um schliesslich nur Kohlen statt eines Schatzes, eine Maus statt eines Löwen zu bieten. Wer sich bei einer solchen Aufgabe nicht völlig einsetze, diene nur - vorübergehend - seiner oder des Druckers Geldbörse. Wer die Veroneser Handschrift verbessert und ediert habe, der habe für das Griechische weder Fleiss noch Kenntnisse aufgewandt. - Die übrigen Predigten könne der Leser von ihm gleich sorgfältig erwarten; er führe seine Arbeiten zu Ende. Falls ihm jemand damit zuvorkommen wolle, teile er gern mit ihm den Ruhm, doch sorgfältige Arbeit für die Nachwelt brauche Zeit, wie er sie in seinem Bertocurianum (Bréthencourt bei Rambouillet), fern vom Lärm der Stadt, aufgewandt habe.

Diesem Geleitbrief an den Leser folgt ein Widmungsbrief an den Initiator dieser Übersetzung und Ausgabe, Erasmus von Rotterdam, dieser aus Paris und vom 1. Oktober 1532 datiert. Bei einem Besuch in Paris, beginnt Brie denn auch, habe er Philippus Montanus getroffen - Philippe de Montaigne, seit 1528 dank einem mehrmonatigen Aufenthalt in Basel mit Erasmus befreundet und Lehrer des Griechischen in Paris am Collège de Lisieux, 1536 mit de Brie Herausgeber der lateinischen Pariser Chrysostomusausgabe, 1554 Mitarbeiter an der Basler Theophylactusausgabe Herwagens. Er habe von ihm erfahren, dass sein Froben die Predigten des Chrysostomus, die er schon übersetzt habe, dringend zu drucken wünsche, selber aber die Korruptheit der von ihm gesandten Abschrift beklagen müssen, so dass er noch keine Publikation verantworten könne, sondern noch eine Handschrift aus Rom abwarte, um mit deren Hilfe die Lücken ergänzen zu können, was sonst nicht einmal Aristarch, allein Chrysostomus vermöchte. Da habe ihm Montanus von einem Veroneser Druck gesprochen und auf seine Bitten hin ihn ihm gebracht. Da habe er sofort die unzähligen von ihm als lückenhaft gekennzeichneten Stellen verglichen. Zu einem guten Teil habe er sie ergänzen können und das verlorene Jahr bereut, das er an ihre Bearbeitung aufgewandt habe. Doch dann habe er Montanus gestehen müssen, dass nicht nur seine Handschrift, sondern auch die Veroneser (als die Vorlage des Druckes) korrupt sei und er darum - weiter - auf die Handschrift aus Rom warten müsse. Kardinal Agostino Trivulzio - langjähriger Vertreter der französischen Interessen bei Papst Clemens VII. in Rom, seit Oktober 1531 Bischof von Bayeux - habe ihm seine Hilfe versprochen. Andernfalls dürfe er ihn - auch zum Vorteil Frobens - kaum zu einer lücken- und fehlerhaften Publikation drängen, besonders bei der heute herrschenden Missgunst unter den Autoren, die doch nur zum Eigennutz schrieben und publizierten, Fremdes einzig läsen, um es verreissen zu können, den Fliegen, nach dem Wort seines Griechischlehrers Janus Lascaris, statt den Bienen gleich. So warte er mit der Publikation, obwohl er das Werk praktisch fertig übersetzt habe (Montanus habe sich anhand der Blätter davon überzeugen können), bis er irgendwoher eine bessere Abschrift erhalten könne. Inzwischen, bis zur Publikation des ganzen Werks, übergebe er dem Leser, als Kostprobe seiner Arbeit, die ersten acht Homilien, ein Viertel des Werks, griechisch und lateinisch, auf seinen Anstoss hin unter seiner Obhut.

In der lateinischen Gesamtausgabe der Schriften des Chrysostomus bei Claude Chevallon in Paris von 1536 sind sechzehn Homilien in der Übersetzung des Brixius abgedruckt und er vertröstet für die übrigen sechzehn auf das kommende Jahr; von dann ist nichts mehr bekannt. In der lateinischen Ausgabe seiner sämtlichen Predigten zu Briefen des Paulus bei Herwagen von 1536 (GG 403) sind die 32 Predigten zum Römerbrief - auch die ersten acht - wie alle übrigen von Wolfgang Musculus übersetzt (1539 lobt er Brixius durchaus - hat er 1536 dessen Übersetzung noch gar nicht gekannt?).

F J IX 20 Nr. 1

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: FJ IX 20:1

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