GG 404
Opera D. loannis Chrysostomi Archiepiscopi Constantinopolitani, quotquot per Graecorum exemplarium facultatem in Latinam linguam hactenus traduci potuerunt, ad vetustissimorum codicum fidem nativae integritati decorique suo reddita, per viros in utraque lingua insigniter exercitatos, idque citra ullas novi aut peregrini dogmatis aspergines... Basel: Johannes Herwagen Februar 1539. Fol. 5 Bde.
1530/31 hatten Hieronymus Froben, Nicolaus Episcopius und Johannes Herwagen, damals noch in der Officina Frobeniana vereinigt, versprochen, nicht zu ruhen, bis der ganze Chrysostomus lateinisch bei ihnen erschienen sei. Bei Froben/Episcopius sind denn auch 1533 zwei ergänzende Drucke erschienen (GG 400) (GG 401), 1536 (GG 403) erschienen bei Herwagen die Pauluskommentare vollständiger als in den Drucken von 1533. Hier folgt nochmals eine vollständigere - keineswegs die letzte - Basler Ausgabe. Der Drucker-Verleger Herwagen weist denn auch in seinem Geleitwort an den Leser auf das Versprechen von 1530/31 hin: nicht zu ruhen, bis er alles Erhaltene dieses Autors gedruckt habe. Der Erfolg jener Ausgabe habe sein Vorhaben noch beschleunigt. Hier liege nun alles vor, von dem er griechisch oder lateinisch Kunde erhalten habe. In denjenigen Übersetzungen, zu denen ihnen keine korrigierte Handschrift vorgelegen habe, habe man nur geändert, wo Abweichungen der gedruckten Vorlagen auf Fehler einer Druckerei, nicht des Übersetzers gedeutet hätten, nach dem Rat des Erasmus, Barbarismen und Solözismen bewusst nicht auszumerzen, wohl aus dem Grund, dass man auf keine Weise alle Bücher leichter verderbe, als wenn man alles gleichmachen und in einem fremden Werk selber glänzen wolle. Besondere Sorgfalt habe man dem eigensten Werk des Chrysostomus angedeihen lassen, den Pauluskommentaren. Ein grosser Teil sei erst kürzlich übersetzt worden (Musculus 1536), alles Übrige habe man wegen einiger Fehler mit einer griechischen Handschrift verglichen. Wo man eine alte Übersetzung durch eine neue ersetzt habe - wie man z. B. im Vergleich von König und Mönch auf die neue des Germanus Brixius gegriffen habe - habe man die Übersetzer jeweils genannt. In der Inhaltsübersicht habe man die neuen oder stark veränderten Schriften mit einem Sternchen bezeichnet. Angeordnet habe man die Kommentare nach der Reihenfolge der Bibelbücher, die übrigen Schriften nach ihrer Entstehungszeit, möglichst ohne Verwirrung im Inhalt.
Der Theologe Musculus weist in seiner hierauf folgenden längeren Einführung an den Leser auf die Bedeutung des Wortes Gottes hin und dass Gott es gewissen Menschen eingegeben habe, neben lateinischen Übersetzungen christlicher und heidnischer Autoren zum Nutzen der Wissenschaft auch die Bibel selber, inbegriffen Hieronymus und Septuaginta, kritisch herauszugeben (Erasmus/Froben 1516 ff.). Als Folge davon erschienen nun die Kirchenväter in rascher Folge: Cyprian (Erasmus/Froben 1521), Irenaeus (Erasmus/Froben 1526), Hieronymus (Erasmus und andere/Froben 1516, 1524-26 und 1536-38) Ambrosius (Erasmus/Froben 1527), Augustin (Erasmus/Froben 1528), Hilarius (Erasmus/Froben 1523) und die Griechen Origenes (Erasmus/Froben 1527 und 1536), Eusebius (Rhenanus/Froben 1523), Cyrillus (Oecolampad/Cratander 1528) Basilius (Erasmus/Froben 1532), Cornarius (Froben und Musculus/Herwagen 1540), Gregor von Nazianz (Köln um 1535), und vor allem der Bischof von Konstantinopel, zu recht Chrysostomus, Goldmund, genannt. Im folgenden führt Musculus breit aus, warum und wie die Kirchenväter, die dem Leben Jesu noch nahe seien, zu lesen bzw. zu konsultieren seien, wie der eigenen privaten Meinung zu misstrauen sei; obwohl auch die Kirchenväter Menschen gewesen seien, die irren könnten. Zweitens informierten sie über die Tollheit der Häretiker, der Sektierer, und man dürfe nicht glauben, diese seien ein für allemal besiegt, gerade in seiner Zeit des Beginns einer fanatischen Gegenreformation nicht. Und drittens könne gerade Chrysostomus zur Besserung der individuellen Sitten wie der Kirche beitragen. Heute seien die Mittel dazu vorhanden, die alten Zeugen aus ihren Fesseln, aus Schmutz und Ungeziefer zu retten. Diese Rettung sei zuerst die Kirchenmänner angegangen, welche Gelehrte und Drucker zu unterstützen gehabt hätten, was in seiner Zeit Gibertus von Verona mit dem Druck der Paulus-Kommentare geleistet habe (Bischof Gian Matteo Giberti von Verona hatte 1528/29 einen Drucker aus Venedig berufen und in seinem Palast auf seine Kosten griechische Kirchenväter drucken lassen). Als er sich diesen Druck verschafft gehabt habe - führt Musculus zur Rechtfertigung seiner Übersetzung aus - habe er, was lateinisch noch nicht greifbar gewesen sei, auf Wunsch eines Freundes ohne Absicht einer Publikation zu übersetzen begonnen. Ohne sein Wissen sei seine noch frische Übersetzung des Römerbriefkommentars zu Herwagen gelangt, und der habe sorgfältig und auf seine Kosten alle Pauluskommentare gedruckt (1536: Herwagen schreibt dort recht anders, Musculus habe ihn ihm zum Druck gesandt und gleichzeitig die folgenden für den Druck versprochen...). Er habe nämlich brieflich erreicht, dass er auch die andern Kommentare noch übersetzt und ihm gesandt habe, was er nicht getan hätte, wenn der Römerbriefkommentar nicht in seine Hände geraten gewesen wäre. Er hätte es für unrecht gehalten, zurückzuverlangen, was jener auf seine Kosten der Allgemeinheit habe zur Verfügung stellen wollen. Er habe es als Wink Gottes gegen seine Zurückhaltung gesehen, zumal nicht die geringste Sucht, sich herauszustellen dahintergestanden habe. Er habe bei der Übersetzung leider nur die Veroneser Ausgabe zur Verfügung gehabt, Brixius, wie er gemerkt habe, noch eine andere Vorlage, was nun Abweichungen zeigten. Er hätte darum die Fertigstellung der Übersetzung durch Brixius vorgezogen. Auch der Kartäuser Tillmann habe eine Übersetzung begonnen, doch die kenne er nicht (der Pariser Kartäuser Godefroy Tilmann, Zeitgenosse des Musculus; 1554 erschienen in seiner Übersetzung Homiliae duae). Die Worte des Paulus selber habe er nicht nach der alten lateinischen Übersetzung (Vetus Latina) und nicht nach der nun üblichen griechischen Fassung, sondern nach der des Chrysostomus übersetzt, zuweilen auch die Übersetzung des Erasmus übernommen. Generell habe er die einfachste und getreueste Übersetzungsweise gewählt, getreu dem Inhalt und getreu dem Stil des Autors zu übersetzen, ohne selber stilistisch glänzen zu wollen. Auch diese damals soweit möglich vollständige lateinische Ausgabe der Schriften des Johannes Chrysostomus fand in Basel eine Nachfolgerin mit nochmals neuen, bis dahin unbekannten Schriften: 1547, wieder bei Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius (GG 406).
Exemplar der Basler Kartause, von deren letztem Prokurator Nicolaus Molitoris gekauft: F J V 6-10
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: FJ V 6-10