GG 413
Theodoreti Des heiligen alten Catholischen Bischoffs der Statt Cyri Polymorphus: Das ist Drey schöne und tröstliche Gespreche, von der Person und Menschwerdung unsers Herren Jesu Christi. Was nemlich hiervon, bisz in das Jar Christi 460. alle rechtgleubige und Apostolische, einhelliglich gelehrt und bekannt haben. Diser zeyt in schwebenden streithendeln hochnötig, nützlich und tröstlich zulesen. Ausz Griechischer sprach in guot Hochteutsch gebracht, durch Ioan. Conradum Ulmerum, Predigern zu Schaffhausen am Rhein. Basel: Samuel König 1575. 4°.
Der griechischen Ausgabe der drei antihäretischen Dialoge Theodorets von Rom 1547, ihrer lateinischen Übersetzung durch Gentien Hervet, die 1548 in Venedig und 1549 in Basel (GG 412) erschienen war, war 1568 eine griechisch-lateinische Ausgabe in Leipzig gefolgt, mit Übersetzung des Leipziger, zuletzt 1567-1569 Heidelberger Theologen Victorinus Strigel. Hier folgt ihre erste Übersetzung in eine Volkssprache, nachdem Theodorets Schrift über die Vorsehung schon 1551 italienisch und 1555 französisch erschienen war. Schon 1582 erscheint eine zweite deutsche Übersetzung, diese sogar 1575 in Basel von Martin Moller, nach Studien in Wittenberg Prediger in Sprottau, dann in Görlitz (und hier als Kryptokalvinist angefeindet) und bekannter Dichter geistlicher Lieder, geschaffen, in Görlitz bei Ambrosius Fritsch, der nach Lehrzeit in Wittenberg in den 1550er Jahren u.a. bei Johannes Oporin als Geselle gearbeitet hatte.
Zu unserem Übersetzer, dem Schaffhauser Münsterprediger Johann Conrad Ulmer (1519-1600), der 1537-1541 in Basel, 1541 bei Johannes Calvin in Strassburg und im selben Jahr auch noch in Wittenberg studiert hat, lesen wir im Historisch-Biographischen Lexikon der Schweiz, dass ihn aus Wittenberg "Graf Philipp von Rieneck auf Luthers und Melanchthons Empfehlung zur Reformierung der Kirche nach seiner Stadt Lohr berief. Nach 22jähriger Tätigkeit daselbst folgte er 1566 endlich dem Rufe der Vaterstadt, welcher er, nach Überwindung scharfen Widerstandes 1569 zum Antistes, 1570 zum Dekan erhoben, zum zweiten Reformator wurde, indem er ihr namentlich eine feste kirchliche Organisation gab, der er aber auch im Schulwesen (Scholarch von 1566 an) als Reorganisator grosse Dienste leistete. Ausser dem mit einer Liedersammlung ... und Gebeten versehenen Katechismus verfasste er eine Reihe anderer Schriften und Übersetzungen, darunter zwei dramatische Bearbeitungen, ... verschiedene Handbüchlein für Studie-rende, in drei Sprachen die Evangelia Dominicalia, als umfangreichstes Werk den New Jesuwitspiegel, aber auch eine Geodesia und eine Abhandlung über Sonnenuhren".
Die hier vorliegende Übersetzung hat er am 2. Februar 1574 aus "Schaffhausen am Rhein" der Witwe Graf Philipps, der 1571 gestorben ist (worauf seine Herrschaft, nach dem Tod dieses letzten männlichen Vertreters des Hauses Rieneck, an das Erzstift Mainz gefallen ist), Gräfin Margarethe zu Rieneck, geborene Gräfin zu Erbach, seiner (ehemaligen) gnädigen Herrin gewidmet; diese ist ebenfalls noch vor Erscheinen des Buches im Sommer 1574 gestorben, wie einem mitgedruckten Brief ihres Predigers während der letzten Jahre, Daniel Xenodoch, vom 5. September 1574 an Ulmer entnommen werden kann. Wie von den Propheten David und Jesaias und später Simeon verkündet, beginnt Ulmer seine Widmung, sei Christus zu einem Stein als Halt für die Armen und Betrübten, des Anstosses für viele freche, weise, mächtige und heilige Leute geworden. Von der Tätigkeit des Teufels bald nach seiner Himmelfahrt zeugten sämtliche Kirchengeschichten und die Konzilien: Anstiftungen zu Irrtümern und Ketzereien, Verfolgung und Mord; er werde damit bis zum Jüngsten Gericht fortfahren. In der Folge führt Ulmer fünf verschiedene ketzerische Lehren auf: die Verleugnung der göttlichen Natur Christi (u.a. Ebion, Arius), 2. die seiner menschlichen Natur (u.a. Markion, Apelles, Manes), worüber man bei Athanasius und Theodoret nachlesen könne. Zu diesen zähle Hieronymus auch die Origenisten. 3. diejenigen, die sich an der "Vereinigung beider Naturen" in Christus gestossen hätten (Nestorius und die Nestorianer), 4. die Lehre von der "Vereinigung beider Naturen in Christo" (Eutyches und andere; zu diesen gehörten u.a. auch die Monophysiten), 5. diejenigen, die stets Amt und Verdienste Jesu heruntergemacht hätten, welcher Irrtum noch heute vom Papsttum und allen "werckheiligen" und Heuchlern vertreten werde. Diese Lästerungen habe der Teufel in der Gegenwart besonders auch in Deutschland, ja in der reformierten Kirche selber wieder hervorgebracht und in letzter Zeit tobe er nicht zuletzt in der deutschen Nation, "ja in den reformirten kirchen selbs" mit diesen Lästerungen. Gott habe aber auch immer Helden das Licht der reinen Lehre verfechten und erhalten lassen. Zu diesen gehöre Theodoret, nicht als der geringste, der nicht nur die richtige Lehre verkündet, sondern auch falsche bekämpft habe, so in den drei hier vorliegenden Dialogen, in denen vor allem aber Glaube und Bekenntnis "von der einigen unzertrennten Person des Herren und von seinen beiden unterschidlichen naturen, auch jren ewigwerenden eigenschafften" dargestellt würden. Von den vier Konzilien nach dem Apostolischen zu Jerusalem, nämlich dem Nikänischen, Konstantinopolitanischen, Ephesinischen und Chalkedonensischen, deren Bekenntnisse in der Augsburger Konfession (1530) anerkannt würden, vertrete Theodoret vor allem das von Chalcedon (es ist denn auch vor dem Text der Dialoge als das Seine aus Euagrius und Nicephorus deutsch abgedruckt), gegen Apollinarius und seine Dimeriten gerichtet. Auf den folgenden zwei Seiten fasst Ulmer seine Lehre nochmals zusammen - die nun wieder heftig umstritten sei, die aber Theodoret mit zahlreichen Bibelzitaten belegt habe. Die ihm in seiner Zeit zuteil gewordene Hochachtung zeige das Konzil von Chalcedon, und die Flecken, die ihm jetzige Skribenten zulegten, fänden sich nicht bei ihm, vielmehr sogar deren Gegenteil. Darum sei die Lektüre dieses Büchleins nicht nur nützlich, sondern sogar notwendig. Nachdem nun aber die Streitereien durch Predigten und deutsche Schriften "auch unter den alberen gemeinen man" gekommen seien, habe er auch dieses Büchlein "für den gemeinen man", für den Theodoret es geschrieben habe, aus dem Griechischen nach besten Treuen übersetzt, und die Gelehrten würden bei einem Vergleich mit dem griechischen Text und der lateinischen Übersetzung seinen Fleiss und seine Texttreue erkennen. Der Gräfin widme er das Büchlein, da er unter ihrem verstorbenen Gemahl Philipp Graf von Rieneck sechzehn Jahre und unter Kurfürst Daniel von Mainz 7 1/2 Jahre Prediger in Lohr gewesen sei (Lohr ist 1559 an das Erzstift gekommen). Und er habe die Kirche in der Grafschaft Rieneck auf den Felsen Christus gebaut. Ihr verstorbener Gemahl habe die feindlichen Nachbarn überwunden, im "protestierenden Kriege" (Niederlage der Protestanten gegen das kaiserliche Heer bei Mühlberg 1547) die Reichsacht ertragen und das Interim (1547/48) mit Recht nie anerkannt, auch nicht gegen die Magdeburger sammeln wollen. Nur unter Zwang habe er dann dessen erste zwei Artikel anerkannt. - Auf S. 269/70 findet sich ein "trostlied" zum Tode des Grafen Philipp zu Rieneck am 3. September 1571 mit Melodie, anschliessend ein lateinisches Trostgebet-Epigramm Melanchthons, von Ulmer "Verteutscht in gesangs weise".
Aus dem Frey-Grynaeum: Frey-Gryn. B V 2
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Signatur: Frey-Gryn B V 2