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Divi Cyrilli archiepiscopi Alexandrini Opera, in tres partita Tomos: in quibus habes non pauca antehac Latinis non exhibita... Basel: Andreas Cratander August 1528. Fol. 3 Bde.

Auch der nächste Sammeldruck der Schriften des Cyrillus von Alexandria in lateinischen Übersetzungen, die erste umfassende Gesamtausgabe, erscheint bei Andreas Cratander, in drei Bänden von 283, 159 und 137 Blatt. Herausgeber und Autor zahlreicher neuer Übersetzungen nach zwei griechischen Handschriften ist der nach Studien in Heidelberg, Tübingen und 1515 Basel als Prediger in Augsburg und seit 1523 in Basel als Ordinarius für Theologie und Prediger an St. Martin und am Münster wirkende, aus Weinsberg in Württemberg stammende Mitarbeiter Cratanders und Basler Reformator des Frühjahrs 1529 Johannes Oecolampad (1482-1531). Unser Druck existiert in zwei Formen, mit zwei verschiedenen Fassungen des Vorspanns und der Titelseite (auf dieser kenntlich an den unterschiedlichen Zeilenabständen und den in der Fassung mit Vorrede des Druckers fehlenden Bindestrichen in pau=ca): das Basler Exemplar enthält auf Blatt alpha 2 - beta 4 r° eine über zwölfseitige Widmung Oecolampads an den Markgrafen Philipp von Baden und Hochberg von Basel, 30. August 1528, auf beta 4 v° Zeugnisse von Trithemius und Volaterranus über Cyrillus; das Exemplar der damals Königlichen Bibliothek Berlin auf alpha 2 r°/v° eine Epistola ad lectorem Cratanders vom 24. August 1528, auf alpha 3 r°/v° einen Abdruck des Privilegs Kaiser Karls V. vom 17. August 1523 für Cratanders Drucke der neuen Übersetzung der Psegmata des Johannes Chrysostomus, des lateinischen Theophylactus und des lateinischen Cyrillus, auf alpha 4 r° eine Inhaltsübersicht über die drei Bände. Cratander hat entweder befürchtet, die Vorrede bzw. Widmung Oecolampads nicht mehr rechtzeitig zum Druck für die Septembermesse zu erhalten, oder, um nicht den Verkauf des Druckes in lutherischen oder gar altgläubigen Gegenden durch die scharfe apologetische Widmung Oecolampads zu erschweren oder gar zu verunmöglichen, worauf vielleicht auch sein Hinweis auf den Übersetzer deutet, in einem Teil der Auflage diese Widmung durch eine neutralere eigene Vorrede ersetzt.

Sehr viel länger (über 12 Seiten) als Cratanders Vorrede ist die Widmung Oecolampads an Philipp von Baden-Hochberg, die er zu einer allgemeinen Rechtfertigung seiner Lehre, seiner Lebensführung und seiner Übersetzertätigkeit ausgestaltet hat: Manche würden es tadeln, beginnt er, einem weltlichen Fürsten ein theologisches Werk zu widmen, doch gerade er könne gegen die zahlreichen Verleumder Schutz gewähren. Erstens weil der meiste Zuwachs dieser Ausgabe ihm verdankt werde: alles in Band 3, d.h. die Apologie gegen Julian und die gelehrten Bücher über den richtigen Glauben (zwei Schriften De recta fide). Diese Werke habe Reuchlin, die Zierde Deutschlands und der Begründer der erneuerten Studien (innovatorum studiorum autor), im Sterben als Dank an seine Vaterstadt seiner Bibliothek vermacht, dass sie sie nie mehr verlassen dürften (die Basler Miszellanhandschrift A III 4 des 14. Jahrhunderts aus dem Basler Predigerkloster mit Schriften des Athanasius, Cyrillus, Johannes Damascenus und Theodoret - die mit ihrem Inhalt kaum für unsern Druck verwendet worden ist, hatte Reuchlin bis 1522 lange Zeit ausgeliehen gehabt; die Cyrillhandschrift A III 17 aus dem selben Kloster und von Johannes von Ragusa enthält u.a. die beiden von Oecolampad übersetzten Schriften des 2. Bandes). Doch auf Bitten des berühmten Druckers Cratander hätten sie auf sein Geheiss für einige Monate dem allgemeinen Nutzen zuliebe ihr Gefängnis verlassen dürfen. Eine Abschrift in der Bibliothek habe Reuchlin keineswegs verboten. Er habe noch dienlicher gehandelt: dass die Bibliothek ihre Bücher und die studiosi ihren Vorteil hätten, indem die Bücher heil fortgingen und vervielfacht zurückkämen. Die Herrscher der Aegypter, Athener und Römer hätten sich einst grosses Lob mit der Gründung von Bibliotheken verdient. Wie viel grösser müsse das Lob sein, wenn einer Bücher, die einige aus Neid zurückhielten (was Cratander offenbar 1524 mit angekündigten Handschriften widerfahren war), publizieren lasse? Bibliotheken dürften nur wenige betreten, und das nicht zu beliebigen Stunden (Bibliothecas paucis adire licet, idque non quibusvis horis). Gedruckte Bücher gingen einem auch entgegen und brauchten keine Schlösser. Dass sie doch durch dieses Zedernholz vor Würmern und Motten geschützt würden und, weniger behütet, die Stehlsucht der Diebe weniger reizten! Das alles sei sein Verdienst. Und wenn Cyrillus seine Werke Kaiser Theodosius gewidmet habe, dürfe auch er theologische Schriften einem weltlichen Fürsten widmen, einem Vertreter Gottes auf Erden. Ihm, der dafür sorge, dass in den Gemeinden seines Herrschaftsgebiets das Evangelium rein und frei verkündet werde, nicht leichtfertig gegenüber vermeintlich neuen Lehren, doch standhaft im Einsatz für solche, wenn sie für richtig erkannt seien, wie die Freiwilligkeit des Priesterzölibats, die neue Abendmahlslehre, nicht auf das Alter einer Einrichtung, sondern auf den Sinn des Wortes Gottes achtend. Das befolge Seine Hoheit und sein Volk lebe dementsprechend in Frieden, sicher und glücklich, in Eintracht mit dem Fürsten, eine Ausnahme in Deutschland. Den Fürsten werde man aber auch kaum anzugreifen wagen, während man in Flugschriften und Briefen (libellis & epistolis) alles als Gift hinstelle, was er hervorbringe. Da danke er für die Gelegenheit, sich und seinesgleichen, wie ein Kranker in den Schutz des Arztes, in den seinen stellen und sich hier rechtfertigen zu dürfen. Die einen klagten seinen Glauben an, andere verrissen, ja verdammten seine Übersetzungen und Behandlungen anerkannter (boni) Schriftsteller. Wer in Zeremonien, in seinem Lebensstil vom allgemein Bräuchlichen abweiche, werde verketzert, obwohl der Glaube nur Christus zu gelten habe, wie das Glaubensbekenntnis, wie das Konzil von Nikäa und Athanasius gezeigt hätten. Doch sogar an den öffentlichen Universitäten (gymnasia) würden solche Verleumdungen ausgestreut. Dem Volk werde die Lektüre des Alten und des Neuen Testaments verboten - von den Wahrheitssuchern (O censores, O veritatis inquisitores). Möchten seine Schriften verbrannt werden - auch die der Apostel würden es! Über den rechten Glauben an Christus habe Cyrillus geschrieben und sei zu ihm gestanden. Diesen Glauben vertrete auch er. Immer seien Sekten entstanden, auch wieder vergangen. Gegen die Arianer und Nestorianer aber habe Cyrillus am eifrigsten gestritten, was besonders seine Dialoge zeigten. Wer die Akten des Konzils von Ephesus lese, deren Druck Cratander zusammen mit den gelehrten Briefen des Cyrillus und von Zeitgenossen für den kommenden Winter versprochen habe (s. unten), werde seine Verdienste erkennen. Als er die Wirkung der Schriften Kaiser Julians gesehen habe, habe er in zehn Büchern den christlichen Glauben mit Belegen verteidigt und die Narrheit des Kaisers gezeigt. Um dieses Glaubens willen habe er sich neben all seiner Arbeit an deren Übersetzung gemacht, als Christ, nicht als Feind Christi. Man klage ihn an, dass er von den Sakramenten anders als herkömmlich spreche, die Bräuche in der Kirche nicht einhalte, dass er, ehemaliger Mönch, geheiratet habe und mitten unter dem Volk lehre. Er tue all dies mit dem besten Gewissen, ganz nach dem Wort Gottes. Und an dieses hätte sich auch die Kirche zu halten. Eben dass er sich nicht von der heiligen Schrift abbringen lasse, sei die Ursache aller Beschuldigungen. Als er sich noch mehr an die allgemeinen Meinungen gehalten habe, habe alles durchgehen dürfen, sei alles entschuldigt, beschönigt worden. Was habe aber seine Wut auf menschliche Lehren mit Cyrillus und den Kirchenvätern zu tun, dass er sie als Waffe gebrauche, werde man fragen. Und: durch sein Vorgehen erfrören die Wissenschaften (bonae artes), setze die Philosophie Schmutz an, stumpfe die Strenge der kirchlichen und weltlichen Gesetze ab, woraus eine Brutstätte des Ungehorsams und des Chaos erwachse. Nur die menschlichen Zutaten lehne er ab, nicht im geringsten was nicht menschlich, sondern aus dem Glauben und der Nächstenliebe geschaffen sei, auch nicht die Wissenschaft, die Autoren, die über Menschliches und Göttliches geschrieben hätten, mit denen er sich ja öffentlich und mehr beschäftige als alle seine Verleumder. Auch die ihm anvertrauten Knaben - aus gutem Hause - mahne er, so schnell wie möglich Lehrer der lateinischen und der griechischen Sprache und der Wissenschaften zu hören, ganz im Gegensatz zur Sekte der bildungsfeindlichen Wiedertäufer. Vor der Gemeinde habe er überlieferte abergläubische Handlungen, die in andern Kirchen schon nicht mehr geübt worden seien, mit seinen geistlichen Kollegen mit Gottes Hilfe abgeschafft. Dies sei die Pflicht der Geistlichen. Die Reinigung einer Baustätte sei nicht ihre Zerstörung, Gold zu prüfen und von der Schlacke zu reinigen bringe nicht Schaden, sondern Gewinn. Was die Eucharistie betreffe, so habe er sich schon genug verteidigt, und zuletzt gerade diesen Monat mit Zwingli zusammen Luther eine neue Verteidigungsschrift gesandt (die vom 10. Heumond = Juli 1528 datierten Uber D. Martin Luters Buech Bekentnusz genant zwo antwurten Joannis Ecolampadij und Huldrychen Zvinlis, bei Froschauer in Zürich erschienen). Worauf Oecolampad privater, wie er sagt, auf Kloster und Zölibat und den christlichen Dienst am Nächsten und die keusche Ehe zu sprechen kommt, dass man Ehebrecher weniger streng anklage als Mönche, die heirateten, obwohl die Kirche Gottes eine reine Ehe keineswegs verurteile. Dies habe zwar eigentlich nichts mit dem Inhalt einer Vorrede zu tun, aber doch nicht so wenig, als dass seine Gegner es nicht noch so gern aufgriffen, um die Publikation selber zu verurteilen. Auch wenn es hier um die Aufrichtigkeit der Übersetzung, nicht des Glaubens, gehe. Denn Hieronymus habe weder die Bibelausgabe Theodotions noch die Aquilas abgelehnt, obwohl diese ihm als Häretiker bekannt gewesen seien. Doch wenn diese Momi (Tadler, nach dem Gott des Tadels Mōmos) eine ungeschickt übersetzte Zeile fänden, sähen sie darin sofort einen Angriff auf die christliche Religion. So habe sich Germanus Brixius die Gunst seiner Pariser Theologen erkauft; er beneide seine Gabe der Rede keineswegs, doch er bedaure seine krankhaften Verleumdungen. Fehle irgendwo ein unwichtiges Wort, eine unwichtige Zeile, schon dufte es ihm zu wenig griechisch, sei es unverständlich, zu wenig lateinisch: welche Tragödie mache er daraus: könne man denn Oecolampad noch vertrauen? Werde von solchen Argumenten die Glaubwürdigkeit berührt? Richtig dass er, was andere sprachgewandte Männer in der Medizin, der Philosophie, der Geschichtsschreibung getan hätten, in der Theologie leiste. Diese hätten demütiger das Profane behandelt als er, als babylonischer Sieger, das Heilige. Nicht jeder sei ein Apostel, nicht jeder Apostel ein Paulus, und nicht jeder Übersetzer ein Erasmus oder Brixius. Wer Latein lernen wolle, habe Livius, Cicero, Plinius. Ihm gehe es um die Frömmigkeit, die Reinheit des Lebens, die Aufrichtigkeit der Lehre, die Darlegung der Schriften. Auch er habe einiges verglichen: wie weiche das Griechische von dem, was man lateinisch lese, ab. Was täten heute Hilarius und Ambrosius, die aus Origenes eigene Traktate gemacht hätten? Wie würde man mit Hieronymus verfahren - er gälte als unglaubwürdig. Meine man sich bei einem Vergleich der Übersetzung des Thesaurus Cyrills durch Trapezontius mit dem griechischen Original gleich in einem fremden Werk? Berechtigten einzelne Fehler in der alten Übersetzung der Briefe Cyrills durch Dionysius Exiguus, noch dazu in der kürzlich erschienenen Ausgabe, die sich des Vergleichs dreier sehr alter Handschriften rühme, dazu, die Übersetzung als ganze zu verdammen, den Übersetzer als Fälscher hinzustellen? (Dionysius Exiguus hatte im 6. Jahrhundert als Mitarbeiter Cassiodors zahlreiche griechische Werke durch Übersetzungen der lateinischen Welt vermittelt; die angeführte Ausgabe: eine Anzahl Briefe Cyrills war gerade im August - Oecolampad schreibt seine Bemerkung am 30. August - auf Blatt 148-175 des von Johannes Sichard zusammengestellten und bei Heinrich Petri herausgegebenen Antidotum contra diversas omnium fere seculorum haereses in dieser Übersetzung erschienen). Jene dürften es kaum tun, zu sehr seien sie ihren Büchern ergeben. Warum messe man mit zwei Massen? Er würde nicht so schnell urteilen: er könne eine andere Lesart vorgefunden, eine andere Handschrift benützt haben, abgelenkt worden sein, erst ein Kopist könne sich verschrieben haben. Unredlichkeit sei immer ein gewagter Vorwurf: in beliebigen andern Dingen jemand nicht zu vertrauen, habe mit Nächstenliebe überhaupt nichts zu tun. Er bestreite nicht, dass sich, wie im Chrysostomus und andernorts, so auch hier sich Dinge eingeschlichen hätten, die zu verbessern gewesen wären. Er könne viele Entschuldigungen vorbringen: seinen Haufen Arbeit mit Vorlesungen, Vorträgen, Sorge für die ihm anvertraute Gemeinde, zeitraubende Anfragen von Brüdern. Nicht weniger zu Gunsten der Drucker, denen seine handschriftliche Vorlage (chirographum meum) zuweilen recht fremd (ignotius) gewesen sei, so dass, wenn hier sich zwei Lesearten fänden, dort eine durchgestrichen sei, hin und wieder die richtige weggelassen, die schlechtere ausgewählt worden sei (in quo nunc duplex lectio, nunc cancellata aliqua quum sit, fit nonnunquam, ut relicta germana lectione, deterior eligatur). Er werfe eher etwas bei Gelegenheit schnell hin und ziehe es vor, es roh und unverbessert mitzuteilen, als es weiter verschollen bleiben zu lassen. In diesem Buch sei manches nicht genau lateinisch wiederzugeben gewesen, aber umschreibbar. Er habe immer andere aufgefordert, es besser zu machen. Seinen reinen Glauben aber bezeuge vieles im Chrysostomus und Theophylactus (1524). Obwohl er bei letzterem vieles vermisst habe, habe er das, was seinen Ansichten widerstreite, korrekt übersetzt und nicht seine Gedanken hineingebracht, nur den Leser ermahnt, kritisch zu lesen. Dessen Vorrede aber habe ihn bei jenen Theologen gänzlich verhasst gemacht. Er wolle da nur den Schwaben Johannes Fabri mit Zunamen Haierlei nennen, der, selber ein dreifacher Sykophant und Fürstendiener, ihn und seinesgleichen einen dreifachen Ketzer schelte, dem die Christen in Deutschland zu einem guten Teil ihre Verfolgung verdankten. Er habe dem Basler Rat dieses Jahr einen verleumderischen Brief mit einem Büchlein betitelt Epistola apologētikē de invocatione & intercessione virginis matris dei, angelorum &c. contra Ioannem Oecolampadium gesandt (eine Verteidigung der Anrufung und Fürsprache Marias - statt deren Namen im Titel des Wiener Drucks des damaligen Rats Erzherzog Ferdinands und späteren Bischofs von Wien von 1528 Oecolampad im Zitat von der jungfräulichen Mutter Gottes spricht - gegen Oecolampad; Fabri, zuerst mit Luther und Zwingli sympathisierend, hatte sich ab 1521/22 zu deren heftigem Gegner gewandelt und die Reformen des Erasmus unterstützt ). Indem er dort seine Eitelkeit vorführe und, neben seinen Beschimpfungen, sich bemühe, eine schlechte Meinung anderer von ihm zu bestärken, und dabei die rechte Lehre Christi zugrunde richte, mit Dingen, die nichts mit der Sache zu tun hätten, zeige er deutlich seine Unverschämtheit: Er, Oecolampad, habe in seiner Schrift gegen das Sakrament (der Sermo de sacramento eucharistiae von Augsburg 1521 ; eine andtwort auf Doctor Fabri unnutz gegenwurfflich tandt war schon 1526 bei Adam Petri in Basel erschienen, gerade im Juli 1528 in Wien von Fabri Etliche Sermonn von dem hochwirdigen Sacrament) so oft Chrysostomus, Augustin, Tertullian entgegen deren Aussagen angeführt, Zeilen, ganze Reden ausgelassen, die das Sakrament des Altars bewiesen. Wofür Fabri in dem zitierten Schreiben weiter den Bischof von Rochester John Fisher (ein früher Förderer und lebenslanger Freund des Erasmus, heftiger Gegner Luthers) und die Universitäten von Löwen, Brabant, Oxford und Cambridge anführe, die alle seine Chrysostomusübersetzung als Fälschung gebrandmarkt hätten. Weshalb Fabri das aus dem fernen England, und in welcher apostolischen Mission er das schreibe, sei ihm, Oecolampad, nicht klar. Wohl um dem Rat zu zeigen, dass er auch in England und Ungarn schlecht angeschrieben sei und dass das aller Welt bekannt werde. Aber er habe nicht gegen das Sakrament - wie er den Titel umkehre - sondern für das Sakrament geschrieben - doch als sichtbare Form einer unsichtbaren Gnade, Brot des Herrn, nicht des Bäckers. Nicht für seine, sondern für Christi Worte verlange er den Glauben. Nicht er habe Augustin, Tertullian oder Chrysostomus für seine Meinung gewinnen müssen, sondern sie hätten ihn für die ihre gewonnen. Schliesslich nimmt Oecolampad zum Vorwurf Stellung, in der 19. Homilie zu Matthaeus zwei Zeilen eingefügt zu gaben. Cratander habe jenes unvollständige Werk des Chrysostomus ohne jede Hilfe oder Mitarbeit von seiner Seite gedruckt. Er habe von ihm keine Vorlage dazu bekommen (exemplar eius libri nullum a me accepit). Er habe nämlich das Buch in seiner Offizin nicht gesehen, es vor seinem Druck nie gelesen, gesehen oder angerührt. Dennoch schreibe ihm jener Sykophant zu, was er nie gedacht oder geträumt habe. Aber auch Cratanders Glaube sei nicht in Zweifel zu ziehen, und er wisse, dass jenem nicht weniger als vier Vorlagen (exemplaria) zur Verfügung gestanden hätten und er an andern Stellen nicht nur zwei Zeilen, sondern sogar zwölf Spalten und ganze Homilien aus andern Vorlagen zum Nutzen der studiosi hinzugefügt habe. Inzwischen werde der arme Oecolampad verprügelt, weil er seine Ketzerei mit diesen zwei Zeilen, die er nicht einmal je gelesen habe, habe rechtfertigen wollen. Und mit Oecolampad werde Paulus, ja Christus bei Paulus zum Ketzerfürsten mit seinem Wort, dass der Gerechte aus dem Glauben lebe - und nicht, mit Fabri, aus seinen Werken. Aber seine so offenkundigen Lügen hätten mit ihm zusammen schon über Jahre hin die Strassburger und Zürcher Brüder kennengelernt. Seine Hoheit sehe, wie man seine Publikationen zu verhindern suche. Er sehe sich aber dem allgemeinen Nutzen (publicae utilitati) verpflichtet. So kehre der gute Cyrillus zu ihm zurück und der griechische werde jetzt wieder in seiner Ablage ruhen, der lateinische als Zeuge seiner Arbeit hoffentlich von Nutzen sein. Es seien noch gewisse Briefe Cyrills und anderer Zeitgenossen des Konzils von Ephesus vorhanden, die der Drucker noch nicht veröffentlicht habe, da er mit knapp reifen Waren zur Messe eile. Diese, verspreche er, wolle er mit Zinsen, das heisse griechisch und lateinisch zusammen mit den Akten des Konzils von Ephesus, die einen eigenen Band erforderten, so Gott wolle, publizieren. Er hätte aber auch anderes, was er jetzt übersetze, griechisch gedruckt, wenn die Vorlagen nicht so benagt und verstümmelt wären und es so rasch hätte vollendet werden können.

Die Schärfe Oecolampads in dieser Rechtfertigung ging vielleicht auch seinem Herrn und Anhänger Cratander zu weit: Orthodoxe Kirchenväter im aktuellen Kirchenkampf zu drucken sah auch er als seine Aufgabe, als Anhänger Zwinglis und des führenden Basler Reformators Oecolampad, als sein Drucker und langjähriger Hausherr: er druckt, neben Schriften des Tages, in Oecolampads Übersetzung führende Ketzerbekämpfer des frühen Christentums als Quellen der Rechtgläubigkeit und Helfer im aktuellen Kampf - natürlich ohne eine Richtuntg zu nennen, denn das würde den Verkauf erschweren und damit nicht nur sein Geschäft, sondern auch die Wirkung des Buches vermindern, und aus diesem Grund könnte er auch in einem Teil der Auflage diese scharfe Vorrede Oecolampads durch eine eigene ersetzt haben (das VD 16 verzeichnet 4 Exemplare mit der Widmung Oecolampads in München, Wolfenbüttel, Düsseldorf und Zürich und deren zwei in München und Wolfenbüttel mit der Vorrede Cratanders), in der auch er betont, dass der Inhalt des Druckes "keinen Lehrsätzen der christlichen und allgemeinen Kirche widerspreche"; Urteil und Wahl der ewigen Rechtgläubigkeit in der aktuellen Lage und Erkenntnis der aktuellen Häresien überlässt er zuversichtlich dem mündigen Leser. In seiner Ersatz-Vorrede weist Cratander den Leser darauf hin, dass er es in dieser Zeit, da alles durch Streit und Sekten zerrissen sei, da Wissenschaften und Frömmigkeit dem Untergang entgegeneilten, für am nützlichsten halte, die Autoren wieder ans Licht zu bringen, die im Kampf des Herrn gegen die Häretiker am mächtigsten gewesen seien. Zu denen habe nicht zuletzt Cyrillus gehört, da Antiochia und Konstantinopel auf Seiten des Nestorius gestanden, Rom, Alexandria und Jerusalem unentschieden gewesen seien. Cyrillus habe in ihm den Wolf erkannt und bekämpft, was ihm am Konzil von Ephesus besonderes Ansehen eingetragen habe. Gefängnis und Verleumdungen habe er erdulden müssen, doch Gott habe durch ihn seine Kirche nicht nur damals, sondern auch für heute gefestigt. Er verdiene es, jetzt ernsthaft gelesen zu werden, biete Waffen gegen alle Häretiker, die die Sakramente der Göttlichkeit oder der Fleischwerdung beschmutzten. Ägypten verdanke man solche rechtgläubige Autoren. Davon habe er in einer andern Vorrede gesprochen, als dieser vor vier Jahren aus seiner Offizin hervorgegangen sei (die Cyrillus-Ausgabe von 1524 [GG 422]). Dieses Lob reue ihn nicht. Cyrillus stehe keinem der Väter nach. Er, Cratander, freue sich, dass auch der Leser ihn anerkenne; deshalb erscheine er jetzt bei ihm ein zweites Mal, was ein Zeichen dafür sei, dass er zu den klassischen Gelehrten gehöre (ex classicis eum esse doctoribus), die von den anspruchsvollen Leuten eifrig gekauft würden. Die gegenwärtige Ausgabe dürfte zudem willkommener sein. Der Eifer der Käufer und das kaiserliche Privileg, dessen Abdruck hier sogleich folge, habe ihn weder Kosten noch Arbeit scheuen lassen, auch weitere seiner Werke herauszubringen. So erscheine er um die Hälfte vermehrt. Die hiesigen Dominikaner hätten aus ihrer Bibliothek die Bücher der Dialoge mitgeteilt und aus der Pforzheimer Bibliothek seien, auf Geheiss des Markgrafen Philipp von Baden (dem ja Oecolampad dann die Ausgabe gewidmet hat), unter dem Schutz des gelehrten Förderers aller Studien Jacob Kirscher zwei griechische Handschriften erstaunlichen Alters entliehen worden, die einst dem hochgelehrten Johannes Reuchlin gehört hätten. Die eine, die die Akten des Konzils von Ephesus zusammen mit den Briefen (oder Bücher, wie andere sagten) unseres Cyrillus enthalte, werde er bald in einem eigenen Band publizieren, da dies jetzt aus Zeitgründen nicht habe abgeschlossen werden können (hierzu scheint es nicht gekommen zu sein: wohl weil 1530 in Köln eine Publikation über die Konzilien von Nikäa, Konstantinopel, Ephesos und Kalzedon erschienen ist). Die andere erhalte er hier, so getreu wie möglich übersetzt: die zehn Bücher gegen Julian und drei vom rechten Glauben, mit den besten Waffen gegen Arius und Nestorius. Das sehe er lieber durch das Zeugnis des Lesers bekräftigt (d.h. durch guten Verkauf) als durch ein noch längeres eigenes Vorwort. Er bitte ihn nur um eines: die Person des Übersetzers solle ihn nicht beunruhigen; er treffe nichts an, das den Lehrsätzen (dogmatis) der christlichen und allgemeinen Kirche widerspreche. Die Übersetzung sei weniger glanzvoll und erhaben als der Stil Cyrills, doch er möge vor dem Kritisieren die Schwierigkeit der Übersetzung eines guten Textes in eine andere Sprache bedenken. Er achte niemand gering; die Arbeit des Clichtoveus habe er an ihrem Ort belassen (seine Bücher 4-8 zum Johanneskommentar: 1-4 und 9-12 von Cyrillus in der Übersetzung des Georgius Trapezontius), das neu Gefundene, die Dialoge und die Verteidigungsschriften, stehe in den hinteren Bänden (Bd. 2 von Bl. 71 v° an und Bd. 3). - Die nicht mehr zahlreichen neuen Werke aus Oecolampads letzten Lebensjahren sind bei andern Basler Druckern erschienen: hat die scharfe Widmung oder deren Ersatz durch Cratander zu einem Zerwürfnis zwischen ihm und dem Reformator geführt?

Aus Besitz eines Ioannes Maederus (des 1651/52 in Basel immatrikulierten Schaffhausers Johannes Maederus, 1665 St. Agneser-Amtmann in Schaffhausen?), 1660 Remigius Faeschs: F K VII 16.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: FK VII 16

Illustrationen

Buchseite

Titelseite des in Basel erhaltenen Exemplars. Hss. Besitzervermerke von Johannes Maederus und Remigius Faesch.

Buchseite

Erste Textseite: Anfang des Joahannes-Kommentars

Buchseite

Druckermarke von Cratander

Buchseite

Titelseite des Exemplars aus der Königlichen Bibliothek Berlin

Buchseite

Vorrede des Druckers Cratander an den Leser, datiert vom 24. August 1528, 1. Seite (Dese Vorrede ist nur in einem Teil der Auflage enthalten.)

Buchseite

Vorrede von Cratander, 2. Seite